Freytags-Frage
Für die EZB könnten in Sachen Inflation düstere Zeiten bevorstehen. Quelle: dpa

Haben Zentralbanken noch Kontrolle über die Geldpolitik?

Durch umfangreiche Rettungspakete in der Coronakrise mussten sich Staaten hoch verschulden. Finanziert haben das die Zentralbanken. Ob es ihnen aber gelingt die dadurch drohende Inflation zu bekämpfen, ist fraglich.

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Die Coronakrise hat die Wirtschaftspolitik herausgefordert, und zwar nicht nur in fiskalpolitischer Hinsicht (mit sehr umfangreichen Rettungsprogrammen), sondern auch mit Blick auf die Geldpolitik. Die wirtschaftspolitischen Akteure haben geliefert: die Finanz- und Wirtschaftsminister haben Rettungspakete geschnürt, und die Zentralbanken haben das dafür benötigte Geld geschaffen und die staatliche Neuverschuldung durch Anleihekäufe finanziert.

Dieser Politikmix hat anerkanntermaßen die ökonomischen Konsequenzen der Pandemie gelindert, zumindest nach heutigem Stand. Teile der Wirtschaft waren von der Pandemie so gut wie gar nicht betroffen, andere haben sogar gewonnen – man denke an die Bauwirtschaft. Viele Menschen haben die Zeit des Stillstandes genutzt, in ihre Immobilien zu investieren oder sie zu sanieren. Man kann zudem jetzt schon beobachten, dass sich die Wirtschaft erholt. Lieferketten stabilisieren sich, Dienstleistungsunternehmen gehen wieder zur Tagesordnung über, sogar in Biergärten wurden schon wieder Gäste gesehen. Außerdem wird nun ein baldiger und langanhaltender Aufschwung erwartet. Das ist genauso dringend erforderlich wie erfreulich.

Es gibt aber jetzt schon Nebenwirkungen dieses Aufschwungs. Zunächst betrifft dies die Verfügbarkeit von Baumaterialien. Vor allem Holz wird zunehmend knapp und teuer, obwohl wegen der langen Trockenheit in Deutschland viel Holz geschlagen wurde. Dies verzögert und verteuert Handwerksleistungen am Bau.

Zweitens bauen sich gerade erhebliche Staus im globalen Transportwesen auf. Containerschiffe sind länger unterwegs und werden schleppender entladen. Dies hat Konsequenzen für die Lieferketten und bewirkt Verzögerungen in vielen Produktionsbereichen. Dadurch können die Preise weiter steigen.

Schließlich muss erwartet werden, dass massiv Konsum nachgeholt werden wird, wenn Dienstleistungsanbieter wie der Einzelhandel, die Kulturwirtschaft, Hotels und Restaurants wieder regulär öffnen. Viele Menschen haben im vergangenen Jahr zwangsläufig erheblich mehr Ersparnisse als geplant gebildet und werden nun vermutlich recht stark wieder entsparen. Selbst wenn nicht sämtliche zusätzlichen Ersparnisse abgebaut werden, dürfte auch dies nicht ohne Folgen für das Preisniveau bleiben. Vielleicht versuchen die Dienstleister bereits kurzfristig, Preise anzuheben. Der Widerstand von Menschen, die einfach froh sind, wieder einmal mit Freunden ins Restaurant oder ins Theater zu gehen, gegen solche Preisehöhungen dürfte eher moderat ausfallen.



Dessen ungeachtet ist Inflation immer ein Problem, wenn sie dauerhaft und weit über dem Zielwert von etwa zwei Prozent liegt. Sie hat zunächst negative Verteilungswirkungen zwischen Schuldnern und Gläubigern. Insbesondere verschuldete Staaten können davon profitieren, indem sie sich über die Inflationsteuer real entschulden. Inflation trifft zudem einkommensschwache Bürger stärker als Gutverdiener und wohlhabende Bürger. Und letztlich sorgt Inflation für eine Fehlallokation von Ressourcen – meistens hin zu mehr scheinbar wertstabilen Wertanlagen wie Immobilien oder Gold (und damit weg von produktiven Investitionen). Denn schon eine fünfjährige Phase von vier Prozent Inflation bedeutet, dass die Kaufkraft der Bürger und damit der Wert des auf Tagesgeldkonten liegenden Vermögens um knapp 20 Prozent abnimmt. Da macht der Hauskauf doch mehr Sinn aus einzelwirtschaftlicher Perspektive.

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