Gas- und Strompreisbremse Der Helferstaat und seine Krise(n)

Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck. Quelle: REUTERS

Bis zu 300 Milliarden Euro bewegt die Ampel-Regierung, um die Energiepreisschocks zu bekämpfen. Gewaltige Summen – die leider nur mit besorgniserregender Detailwut in spürbare Entlastung übersetzt werden können. Wenn überhaupt. Ein Kommentar.

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Es gibt Topbeamte innerhalb des Regierungsapparates, die dachten, während der Coronakrise die Grenzen ihrer Belastbarkeit ausgetestet zu haben. Da wussten sie leider noch nicht, was der Krieg und seine Folgen für sie bereithalten würden. Wenn Du denkst, es geht nicht schlimmer, kommt von irgendwo schon ein neues Rettungspaket daher, das geschnürt werden muss. Am besten gestern.

Deutschland ist kompliziert. Das hat seine unbestreitbaren Vorteile, solange diese Kompliziertheit als Sachkunde und Verlässlichkeit daherkommt. Die nüchtern-kühle Bürokratie unseres Rechtsstaates würden viele auf dieser Welt sehr gerne einmal erleben, und das ist alles andere als ironisch gemeint. 

Aber in der Krisenkaskade der vergangenen drei Jahre ist uns unsere Kompliziertheit zunehmend zum Verhängnis geworden. Wir können fast alles. Einfach können wir nicht. Egal, ob es um den Krieg oder den Klimawandel geht. Wenn der Staat es dann doch einmal simpel versucht, so wie bei den ersten Corona-Soforthilfen, öffnet sich sofort der Schlund des milliardenteuren Missbrauchs. Danach folgten lieber wieder so genannte November- und Dezemberhilfen, die so viele doppelte Böden besaßen, dass sie dann im Frühjahr ausgezahlt wurden. Irgendwie, irgendwo, irgendwann ist zur inoffiziellen Hymne dieses Landes geworden.

Was hatte beispielsweise Christian Lindner zu Pandemiezeiten nicht alles gefordert, als er noch ein Oppositionsführer war, der sich fürs Regieren bewarb: Etwa, dass man ganz schlank und elegant die Finanzämter stärker in die Auszahlung von Hilfen hätte einbeziehen müssen. Es ist heute derselbe Christian Lindner, der minutenlang erklären kann, warum es hierzulande keine Verknüpfung von Steuer-ID, Konto- und Personendaten gibt, mit denen man schlank und elegant Energiehilfen abwickeln könnte. 

Zur Erinnerung dies: Im Ergebnispapier des Ampel-Koalitionsausschusses vom 23. März stand folgender Passus. „Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, wird die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für das Klimageld entwickeln.“ Besagtes Jahr ist bald vorbei. Und niemand in Berlin wird so verrückt sein, darauf zu wetten, dass das vor Weihnachten noch klappt.

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Stattdessen hat die Bundesregierung in den vergangenen Monaten mittlerweile so viele Entlastungsoptionen gezogen und Auszahlungswege ausprobiert, dass man selbst als professioneller Beobachter Schwierigkeiten hat, noch auf der Höhe zu bleiben. Nun werden nach der heroischen Hauruck-Aktion der Gaspreiskommission unter erneutem Hochdruck zwei Gas- und Strompreisbremsen samt Gewinnabschöpfung konstruiert, die mehr von Raketenwissenschaft haben als allen Beteiligten lieb sein kann. Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Stimmt schon. Aber ein Staat, der nicht halbwegs agil und digital agieren kann, gerade in Zeiten der Not, der delegitimiert sich nicht zuletzt selbst. Ganz ohne Not.

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