Klimapolitik Grüne wollen Klimapaket über den Bundesrat verschärfen

Die Grünen halten die Klimabeschlüsse von Koalition und Klimakabinett für völlig unzureichend. Sie setzen auf Änderungen im Prozess der Gesetzgebung.

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„Wir werden jede Chance nutzen, aus dem Wenigen ein Mehr an Klimaschutz herauszuholen.“ Quelle: dpa

Die Grünen halten das Klimaschutzpaket der Bundesregierung für zu kurz gegriffen und wollen über den Bundesrat mehr erreichen. „Dieses Klimaschutzgesetz reicht definitiv nicht aus, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, was international vereinbart ist. Deswegen werden wir Grünen alles dafür tun, die klimanotwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen“, sagte die Vorsitzende Annalena Baerbock der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind im Bundestag in der Opposition, werden aber im Bundesrat weiter unsere Anträge auf eine wirkliche Verkehrswende und einen Abschied vom fossilen Verbrennungsmotor auf den Weg bringen.“

Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kündigte im Berliner „Tagesspiegel“ an, in der Länderkammer würden die Grünen sich „sinnvollen Maßnahmen“ wie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht versperren. Mit den Grünen in den Landesregierungen bestehe Einigkeit, dass bei jedem zustimmungspflichtigen Gesetz „versucht wird, für den Klimaschutz raus zu holen, was noch raus zu holen ist“.

Grünen-Chefin Baerbock forderte einen verstärkten Ausbau der Öko-Energie. Die Deckelung für den Ausbau von Windrädern an Land (Onshore) müsse verschwinden. „Da gibt es bereits Anträge im Bundesrat, die wir weiter voranbringen werden.“ Es gebe auch Anträge für einen CO2-Preis, der wirke, sagte sie. Das schwarz-grün-gelbe Schleswig-Holstein hatte einen eingebracht.

Der Einfluss der Grünen im Bundesrat, der zustimmungspflichtige Gesetze blockieren kann, ist mit der Zahl der Landesregierungen gewachsen, an denen sie beteiligt sind. Bisher sind es neun, je nach Ausgang der Koalitionsbemühungen in Brandenburg und Sachsen könnten es elf werden.

Die Berliner Koalitionspartner Union und SPD haben über ihre Regierungen in der Länderkammer nur noch 12 von 69 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 35.

In der CDU werden die Klima-Vereinbarungen von Union und SPD unterschiedlich bewertet. „Das sind sehr rabiate Maßnahmen, die einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erfordert hätten“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der „Bild am Sonntag“. „Ein großer Teil der Menschen ist mit den Entscheidungen überfordert.“

Konkret nannte er die höhere Besteuerung von Benzin, Diesel und Heizöl sowie die Erhöhung der Preise für Inlandsflüge. „So lange man mit dem Zug über sechs Stunden von Dresden nach Düsseldorf braucht, bringt eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets nichts.“ Auch Verbraucherschützer zweifeln an der Billigticket-Strategie für die Bahn.

Klimaökonom Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, kritisiert im Handelsblatt-Interview insbesondere das Konzept der CO2-Bepreisung. Den geplanten CO2-Preis nennt er „lächerlich niedrig“. Edenhofer rechnet mit keinerlei Verhaltensänderung und kritisiert das Paket als „Flickwerk“.

Anders der Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz. „Die Bundesregierung hat unter den gegebenen Umständen trotz aller Kritik ein ordentliches Paket vorgelegt“, befand er in der „Welt am Sonntag“. „Ob die Summe der vielen Einzelentscheidungen ausreicht, um den Klimazielen näherzukommen, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, dass eine CO2-Bepreisung das entscheidende Steuerungsinstrument ist, um langfristig und nachhaltig die Emissionen zu verringern.“

Die Junge Union warnte davor, die Bewohner abseits städtischer Zentren zu überfordern. „Wir werden bei der Umsetzung des Pakets darauf achten, dass die Menschen im ländlichen Raum mitgenommen werden“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Nachwuchsorganisation, Tilman Kuban. Es gelte, in Forschung und Innovationen zu investieren und den „Klimaschutz zum ökologischen Geschäftsmodell zu machen“.

Auch unter dem Druck erneuter Klima-Proteste hatte sich die große Koalition am Freitag auf ein milliardenschweres Paket geeinigt. Damit soll Deutschland seine verbindlichen Klimaziele für 2030 verlässlich erreichen.

Als zentrales Element bekommt klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) auch im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung einen Preis. Förderungen klimaschonender Anschaffungen neuer Autos oder Heizungen sollen anfangs besonders attraktiv sein und später abschmelzen, der Einbau neuer Ölheizungen soll ab 2026 verboten sein. Bahnfahrten sollen billiger werden, Flüge teurer. Um soziale Überforderungen zu vermeiden, wird die Pendlerpauschale angehoben.

Nach einer Umfrage halten die Deutschen die meisten Maßnahmen aus dem Klimapaket für richtig. Das gilt für das Verbot des Einbaus von Ölheizungen ab 2026 (54 zu 34 Prozent), die Erhöhung der Pendlerpauschale (88 zu 24) und eine höhere Steuer im Luftverkehr (68 zu 25), wie die Emnid-Erhebung für die „Bild am Sonntag“ ergab.

Negativ gesehen wird nur die Verteuerung von Benzin und Diesel (richtig: 38, falsch: 54). Insgesamt glauben nur 34 Prozent, dass die Maßnahmen gegen den Klimawandel helfen - 62 Prozent verneinen das.

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