Neue Wirtschaftshilfen für Unternehmen Kann Robert Habeck Rezession?

Unternehmen fordern neue Staatshilfen vom Bundeswirtschaftsministerium. Quelle: imago images

Mittelstand und Familienunternehmen kritisieren den Wirtschaftsminister immer lauter. Der verspricht mehr und auch zielgenauere Hilfe. Die nächste Bewährungsprobe für sein Dauer-Krisenmanagement naht.

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Am Donnerstag vergangener Woche haben zwei von Robert Habecks Staatssekretären einige Ökonomen zum Austausch eingeladen. Es ist nicht das erste Treffen dieser Art, aber wahrscheinlich das mit der gedrücktesten Stimmung. Das Ganze heißt  nicht Krisensitzung, aber dennoch wirkt es wie eine. Am Horizont braut sich so einiges düster zusammen, das ist der Runde klar. 

Eine Rezession wirkt tatsächlich geradezu alternativlos, Strom- und Gaspreise drücken schwer auf Stimmung und Bilanzen, die EZB entdeckt hohe Zinsen, der Konsum droht auch einzubrechen. Angebots- und Nachfrageschock Hand in Hand, dazu eine hohe Inflation, die durch große Staatsprogramme noch angefacht werden könnte: das ist der Stoff, aus dem wirtschaftspolitische Albträume gemacht werden. „Da baut sich eine Welle auf“, sagt ein Teilnehmer, „das kann dramatisch werden.“

Als wäre das noch nicht genug, setzt sich zunehmend der Eindruck durch, dass der deutsche Mittelstand bei dem dritten Entlastungspaket der Bundesregierung kaum berücksichtigt wurde. Ein Eindruck, den der Wirtschaftsminister eher noch verstärkt, als er wenige Tage nach dem Koalitions-Beschluss im Bundestag verspricht nachzulegen: „Wir werden einen Rettungsschirm aufspannen, und wir werden ihn breit aufspannen“, sagt Habeck in seiner Rede zur Haushaltsdebatte. Konkret: Das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP), das besonders energie- und handelsintensiven Unternehmen mit Zuschüssen hilft, solle auch für den Mittelstand geöffnet werden. Zudem solle die Unterstützung nicht mehr auf bestimmte Branchen begrenzt sein. 

von Max Haerder, Cordula Tutt, Florian Güßgen

Ist das jetzt Habecks Bazooka? Eher nicht, jedenfalls noch nicht. Auch wenn es Berater im Bundeswirtschaftsministerium gibt, die ein Minus von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in 2023 – so hat es gerade das Kieler Institut für Weltwirtschaft vorhergesagt – noch für ein eher rosiges Szenario halten.

Schon jetzt, das ergab eine Anfrage der Opposition, haben fast 600 Firmen mehr als 3200 Anträge für das EKDP gestellt. Tendenz steigend. Das Programm läuft seit Mitte Juli, fünf Milliarden Euro sind dafür eingeplant. Nun, heißt es aus dem Habeck-Ressort, sollen die Hilfsangebote zügig „konkretisiert“ werden. Bislang etwa dürfen nur explizit aufgeführte Branchen – die auf der so genannten KUEBLL-Liste stehen – diese Anträge stellen. Künftig könnten beispielsweise nur der Anteil der Energiekosten am Produkt oder am Umsatz relevante Kriterien sein.

Habeck und seinen Ministerialen ist dabei klar, dass sie weder über Monate hinweg gegen die exorbitante Energiekosten ansubventionieren noch gar nichts tun können. Die Hilfen sind letztlich als Brücke gedacht, bis das neue Strommarktdesign und die Strompreisbremse greifen. Nur wie lang diese Brücke sein muss, das weiß gerade noch niemand so richtig. Monate? Oder doch länger?

Sowohl für Strom wie für Gas müsse die Bremse „zeitnah“ kommen, fordert etwa Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber der WirtschaftsWoche. Auch an der Idee eines Industriestrompreises will Westphal festhalten – auch wenn Olaf Scholz selbst mittlerweile kein Wort mehr darüber verliert, seit er nicht mehr Kanzlerkandidat, sondern Kanzler ist.

von Silke Wettach, Sonja Álvarez, Max Haerder, Nele Husmann

An dem Dilemma, dass Kostendämpfung auch den Energiesparanreiz verringert, kommen Habeck und die Regierung trotzdem nicht vorbei. Mal ganz abgesehen davon, dass es noch zahlreiche Fallstricke und Fragen bei den Markteingriffen gibt, die sowohl in Berlin wie in Brüssel geplant werden. In dieser Mischung aus Ungewissheit und Druck kann es kaum wundern, dass es in der mittelständischen Wirtschaft gewaltig rumort. Und das nicht nur bei Bäckereien, die seit Habecks verunglücktem „Maischberger“-Talkshow-Auftritt überall in die Medien gezerrt werden.

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Albrecht von der Hagen beispielsweise, Hauptgeschäftsführer des Verbands Die Familienunternehmer, findet: „Die Ankündigungen von Habeck zeigen, dass er noch immer das eigentliche Problem für die Wirtschaft verkennt: die dramatisch gestiegenen Energiepreise, die zum Teil abwendbar wären.“ Der Wirtschaftsminister sträube sich, mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Alternativen wie Kohle- und Atomstrom gegen die explodierenden Energiepreise anzukämpfen. Seine Vorschläge wirkten „zusammengeschustert und kommen zu spät“, sagte er der WirtschaftsWoche.

Sehr ähnlich und deshalb sehr verärgert klingt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „Die Bundesregierung hat lange gebraucht, um zu erkennen, dass sich viele Unternehmen wegen der gestiegenen Energiepreise in einer schwierigen Lage befinden“, sagte Kirchdörfer der WirtschaftsWoche. Der Ruf nach mehr Staatsgeld löse die Probleme nicht. „Entscheidend ist, dass die Koalition die Standortbedingungen verbessert.“ Deutschland habe seit Langem die höchsten Energiepreise, liege bei den Unternehmenssteuern an der Spitze und ertrinke in Bürokratie. „Die Politik sollte unser Land wettbewerbsfähiger machen und Strohfeuereffekte vermeiden.“

Und auch vom Mittelstandsverband BVMW kommt deutliche Kritik: Das dritte Entlastungspaket sei für weite Teile des Mittelstands enttäuschend und reiche bei weitem nicht aus, um die Unternehmen „vor dem perfekten Sturm, der sich dort draußen zusammenbraut, zu schützen“, heißt es aus dem Verband. Es müsse nun schnell gehen. Und Habeck müsse „sicherstellen, dass der Rettungsschirm – anders als das bisherige Energiekostendämpfungsprogramm – keine Löcher hat und Mittelständler weiter im Regen stehen“.

Dort, in der Berliner Invalidenstraße, wird unter Hochdruck gearbeitet, seit Wochen und Monaten schon. Das Pensum sei der Wahnsinn, sagt ein Topbeamter. Nicht nur wird – neben dem Strauß an bestehenden Programmen, die nun ausgeweitet oder überarbeitet werden – im Wirtschaftsministerium weiterhin an der Idee festgehalten, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu reaktivieren. Aus der Ökonomenrunde werden auch weiter neue Ideen eingespeist, etwa vom Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum: Er verwies vergangene Woche auf hybride Modelle zwischen Krediten und Zuschüssen, die in der Coronakrise in den USA genutzt wurden. Das Ziel: Die Belastungen für Staat wie für notleidende Firmen möglichst tragbar zu gestalten. 

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