NRW-CDU-Parteitag Merkel gibt Startschuss für heiße Wahlkampfphase

Bundeskanzlerin Angela Merkel wechselt auf dem CDU-Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen in den Angriffsmodus. Die CDU-Chefin macht der Landespartei Mut und teilt deutlich gegen die NRW- also auch die Bundes-SPD aus.

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Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht in Münsterbeim Parteitag der NRW-CDU. Quelle: dpa

50 Minuten spricht Angela Merkel in der Münsterland-Halle. Mindestens 50-mal reißt sie ihre geballte rechte Faust kämpferisch nach unten. Die CDU-Vorsitzende attackiert - und verblüfft die nordrhein-westfälischen CDU-Delegierten auf dem Landesparteitag. Denn seit Wochen maulen nervöse CDU-Granden, dass die Vorsitzende angesichts des SPD-Höhenflugs unter Kanzlerkandidat Martin Schulz endlich einmal angreifen solle. Noch am Tag nach der Saarland-Wahl hatte Merkel dagegen angekündigt, dass die heiße Wahlkampfzeit im Bund erst im August beginne. Mit dem Koalitionspartner SPD und mit den Grünen als möglichem Partner ging sie eher zurückhaltend um.

Aber am Samstag steht die ansonsten so zurückhaltende Kanzlerin am Pult und greift SPD und Grüne in einer für sie ungewohnten Schärfe an. Am Ende macht sie den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) sogar dafür verantwortlich, durch Versäumnisse in der Kölner Silvester-Nacht "das gesamte Klima in Deutschland gegenüber Flüchtlingen verändert" zu haben. Ein schwerwiegender Vorwurf aus dem Mund einer Kanzlerin, die gleichzeitig noch einmal verteidigt, syrische Flüchtlinge aufgenommen zu haben - und dafür in Münster großen Applaus der CDU-Delegierten und nur einen einzelnen Pfiff erntet.

Dann listet Merkel eine ganz Latte von Versäumnissen auf, die die rot-grüne Landesregierung in dem größten Bundesland aus Sicht der CDU zu verantworten hat: eine höhere Neuverschuldung 2017 als alle anderen Bundesländer zusammen, eine höhere Kinderarmut, schlechte Bildungsleistungen, Staus in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr in einer Länge "länger als die Entfernung zum Mond" und schlechte Wachstumswerte. Die angestrebte Botschaft nach dem überraschend deutlichen Sieg für die CDU im Saarland ist klar: Da, wo die CDU regiert, läuft es. Wo dies nicht der Fall ist, eben nicht.

Ob dies für CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet reichen wird, um sich auf den Ministerpräsidentenposten zu hieven, gilt dabei selbst in der CDU als unsicher. Denn laut Umfragen liegt die SPD klar vor der Union, von einer echten Wechselstimmung keine Spur. In keinem Bundesland hat der "Schulz-Effekt" die CDU so verunsichert wie in NRW - deshalb rät Merkel den Delegierten, einfach nicht auf die Umfragen zu achten, sondern ans Saarland zu denken. Angesichts der Schwäche der Grünen winkt der CDU zumindest der "Trostpreis" einer möglichen Regierungsbeteiligung in einer großen Koalition. Aus Sicht auch der Bundes-CDU wäre dies enorm wichtig. Denn in den Spitzen von CDU und CSU wird eingeräumt, dass der überraschende Erfolg im kleinsten Flächenland zum Auftakt des Super-Wahljahres zwar schön war. Aber der entscheidende Stimmungsschub für die Bundestagswahl im September wird am 14. Mai eben von Nordrhein-Westfalen ausgehen - entweder für die SPD oder die CDU.

Auch deshalb lässt Merkel ihre Zurückhaltung bei ihrem einstündigen Auftritt in Münster sausen. Das fällt ihr auch leichter, weil sie vergangenen Mittwoch möglicherweise zum letzten Mal die SPD zum Koalitionsausschuss ins Kanzleramt laden konnte. Bereits da war erkennbar, dass sich Union und SPD vor allem taktisch verhielten und statt vieler Kompromisse verstärkt die Differenzen betonten. Und SPD-Außenminister Sigmar Gabriel wird vorgeworfen, in der Frage höherer Verteidigungsausgaben längst die Regierungslinie verlassen zu haben. Also holt auch die CDU-Chefin die rhetorische Keule heraus: "Für die Kinder von heute reicht es nicht. Und für die Kinder von morgen wird es wieder nicht reichen. Das ist Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen", sagt Merkel mit Hinweis auf die Verschuldung des Landes. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erwähnt sie kein einziges Mal - macht aber klar, auf wen sie zielt. "Ich sage es mal ganz vorsichtig. Sie werden es schon noch etwas härter machen", ermuntert sie die NRW-CDU zum Angriff.

Als Merkel schon längst wieder den Parteitag verlassen hat, wirkt CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet sichtlich beflügelt. Denn er braucht Rückenwind aus Berlin, und den glaubt er bekommen zu haben. Genauso wie Merkel lobt auch er den früheren SPD-Kanzler Gerhard Schröder für dessen Agenda-2010-Reformen - wohlwissend, dass dies immer noch die Achillesferse der Sozialdemokraten im Wahlkampf sein könnte. Und dann kann sich Laschet eine Spitze gegen den SPD-Kanzlerkandidaten Schulz und dessen gefilmte Anfeuerungsaufforderungen auf einer SPD-Veranstaltung nicht verkneifen. Als er während seiner Rede "Armin, Armin"-Rufe hört, stoppt Laschet plötzlich, wendet sich grinsend den Rufern zu und erntet Gelächter, als er sagt: "Jetzt haben Sie 'Armin' gerufen – ohne dass ich es Ihnen das gesagt habe."

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