Ökonomen bewerten die Wahlprogramme Mehr Staat ist leider in

Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Quelle: imago, Bearbeitung: WirtschaftsWoche

Ökonom Gabriel Felbermayr über die zweifelhafte Renaissance staatlicher Lenkungsversuche in den Wahlprogrammen der Parteien. Ein Gastbeitrag.

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Gabriel Felbermayr ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel.

Ein wirtschaftspolitischer Konsens ist in den Programmen der maßgeblichen Parteien zumindest erkennbar: Sie trauen dem Staat viel zu, um die Wirtschaft auf die rechte Bahn zu lenken. Die Coronakrise scheint dieses Selbstbewusstsein – nicht ganz nachvollziehbar – gestärkt zu haben.

Was Hilfen für stark von der Krise gebeutelte Branchen angeht, zeigen sich immerhin Union, FDP und Grüne in Maßen großzügig: die steuerliche Verlustverrechnung soll ausgeweitet werden. Das bringt Liquidität, aber ein systematisches Hilfsprogramm für unverschuldet getroffene Unternehmer sieht anders aus. Die SPD sagt nur ihre „Solidarität“ zu, ohne zu erläutern, was das Unternehmern bringen mag.

Außen vor ist die SPD auch, wenn es um das Anschieben privater Investitionen geht. Union, FDP und Grüne setzen auf Anreize über großzügigere Abschreibungsregeln, die Grünen würden zudem staatliche Investitionen besonders stark steigern – um jährlich 50 Milliarden Euro. Diesen Hebel will die SPD ebenso nutzen, wenn auch nicht so großzügig. Doch die staatliche Investitionsquote war schon vor der Krise so hoch wie seit Mitte der Neunzigerjahre nicht mehr, und die Infrastruktur hat dennoch gelitten.

von Sonja Álvarez, Daniel Goffart, Max Haerder, Christian Ramthun

Industriepolitik hingegen, die einzelne Branchen oder Technologien fördert, ist für keine Partei mehr tabu. Die Grünen preisen sie als Fitnessprogramm, um die Wirtschaft als Klimavorreiter technologisch zukunftsfest zu machen, die SPD hat ein ganzes Bündel von Zielen im Auge. Die Union führt mit dem Ausbau der Agentur für Sprunginnovationen ein Projekt mit zweifelhaftem Nutzen im Programm.

Die magere Erfolgsbilanz des Staates als Treiber von Innovationen und Wachstum wird ignoriert. Immerhin zielt die Union mit stabilen Lohnebenkosten, niedrigeren Steuern, besseren Abschreibungsmöglichkeiten und Bürokratieabbau auch auf bessere Rahmensetzung für Firmen.

Unterm Strich ist zumindest bei Union und FDP der Wille erkennbar, die Staatsquote nicht weiter zu erhöhen, während SPD und Grünen auf einen höheren Staatsanteil und den Zugriff auf hohe Einkommen und Vermögen setzen.

Mehr zum Thema: Der heiße Wahlkampf beginnt. Aber welche Partei verfügt über das wirtschaftspolitisch ambitionierteste Konzept und die klügsten Vorstöße für Deutschland? Fünf Topökonominnen und -ökonomen durchleuchten die Programme.


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