Am kommenden Donnerstag scheint es nach langem Zögern soweit zu sein: Bundeskanzler Olaf Scholz reist zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi nach Kiew, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Heiß diskutiert werden im Vorfeld drei Fragen: Was sagt der Bundeskanzler zur ukrainischen Beitrittsperspektive in die EU? Sprechen die vier Staatschefs hinter verschlossener Tür darüber, ob der Krieg gegen Russland überhaupt noch zu gewinnen ist? Und: Wird Scholz nach Kiew auch konkrete neue Zusicherungen für schweres Kriegsgerät aus Deutschland mitbringen? Immerhin sind laut ukrainischen Aussagen von den bisher versprochenen Fahrzeugen bislang wenig bis keine im Land angekommen.
Laute Forderungen nach Panzern aus Deutschland kommen im Vorfeld des Kiew-Besuchs außerdem aus den eigenen Ampel-Reihen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), begrüßt Scholz' Reise, sagt aber auch: „Der Besuch des Bundeskanzlers ist nur wirklich sinnvoll, wenn er auch etwas für die Ukraine im Gepäck hat.“
Dazu gehöre, dass Scholz „die umgehende Lieferung der erforderlichen Marder-Schützenpanzer zusagt und wir dies sofort umsetzen.“ Selbiges gelte für den Wunsch nach Leopard-1-Panzern. „Hier muss das Wirrwarr dringend aufgelöst werden“, sagt Strack-Zimmermann.
Deutsche Waffen und Rüstungsgüter für die Ukraine
Die Bundesregierung hat in den ersten gut drei Monaten des Ukraine-Kriegs die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern im Wert von 350,1 Millionen Euro in das von Russland angegriffene Land genehmigt.
Quelle: Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf eine Anfrage der Linken, 13. Juni 2022
Vom ersten Kriegstag, dem 24. Februar, bis zum 1. Juni gab die Regierung grünes Licht für die Lieferung von:
- Kriegswaffen für 219,8 Millionen Euro,
- sonstige Rüstungsgüter wie Helme und Schutzwesten für 85,2 Millionen Euro
- Waffen und Ausrüstung der Bundeswehr für 45,1 Millionen Euro, die ab dem 1. April in einem vereinfachten Verfahren genehmigt wurden. Hierfür gibt es keine Aufschlüsselung in Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter.
Zum Vergleich: Die USA haben der Ukraine von Kriegsbeginn bis zum 1. Juni nach Regierungsangaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 4,6 Milliarden Dollar (4,37 Milliarden Euro) zugesagt oder geliefert. Dazu gehören zahlreiche schwere Waffen, zum Beispiel Haubitzen und Mehrfach-Raketenwerfer.
Ihre Panzer-Forderungen folgen einer Mitteilung des Düsseldorfer Rüstungsunternehmens Rheinmetall vom Wochenende. Sechs Marder-Schützenpanzer habe man instand gesetzt und könne diese sofort in die Ukraine liefern, hieß es bei Rheinmetall. Bereits zu Beginn des Krieges hatte das Unternehmen der Ukraine insgesamt 100 von der Bundeswehr ausrangierte Marder angeboten. Das Kanzleramt hatte abgelehnt, unter anderem mit Verweis auf fehlende Einsatzbereitschaft der Panzer. Dieses Argument verliert durch die Instandsetzungen durch Rheinmetall jetzt an Gültigkeit.
Strack-Zimmermann nimmt nur indirekt Bezug auf Angebote aus der Branche. „Die Bundeswehr kann Marder-Panzer entbehren. Wer 350 Marder hat, kann auch 50 abgeben. Diese sind auch nicht weg, sondern werden von der Industrie nachgeliefert werden“, sagt die Politikerin. „Versprechungen ohne Umsetzung helfen jetzt niemanden“, kommentierte sie mit Blick auf die bisherigen Zusagen des Bundeskanzlers.
Strack-Zimmermann geht außerdem davon aus, dass der Krieg an einem „entscheidenden Wendepunkt“ stehe. Deutschlands Aufgabe sei es nun, das Momentum in die Richtung der Ukraine zu drehen. „Wir haben die verdammte Pflicht zu helfen“, sagt Strack-Zimmermann.
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