Scholz-Besuch in Saudi-Arabien und Katar „Wenn Deutschland mehr Pragmatismus beweist, stehen die Chancen gut, dass Katar Flüssiggas liefert“

Quelle: Getty Images

Kanzler Olaf Scholz reist nach Saudi-Arabien, Katar und in die Emirate. Es geht um Gas und gute Geschäfte. Doch allzu große Hoffnungen sollte sich Deutschland nicht machen, warnt Geopolitikexperte Dawud Ansari.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Herr Ansari, vier Jahre nach dem Mord an dem saudi-arabischen Regimekritiker und Journalisten Jamal Kashoggi reist Bundeskanzler Scholz am Samstag nach Saudi-Arabien. Gilt in Zeiten der Energiekrise umso mehr: Erst der Markt, dann die Moral?
Dawud Ansari: Ja, so sieht es zumindest aus. Die Bundesregierung rückt die Golfregion politisch wie ökonomisch deutlich mehr ins Zentrum ihres Handelns. Angesichts der Menschenrechtsverletzungen und dem Jemen-Krieg ist das ein moralisch heikles Unterfangen, aber eben ein Unterfangen, das weiteren Deals mit Russland vorgezogen wird.  

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schüttelte Kronprinz Mohammed bin Salman bereits im Dezember die Hand, im März folgte Boris Johnson, damals noch britischer Premierminister. Im Juli reiste US-Präsident Joe Biden an. Kommt Scholz quasi schon zu spät, um noch gute Geschäfte zu machen?
Nein, Scholz kommt nicht zu spät. Vielmehr dürfte die Bundesregierung ganz aktiv auf den Besuch Bidens gewartet haben, der in der Öffentlichkeit als eine Art internationale Zäsur in den Beziehungen mit Saudi-Arabien wahrgenommen wurde. 

Biden hatte noch im Präsidentschaftswahlkampf versichert, den Kronprinzen und Saudi-Arabien als Ausgestoßene behandeln zu wollen – nun muss er Realpolitik machen?  
Tatsächlich war Riad isoliert. Nun werden die einst guten Beziehungen aber wieder aufgewärmt. Primär aus energiepolitischen Gesichtspunkten, aber auch langfristig mit Blick auf den Systemwettbewerb mit China. Es geht dem Westen um Friend-Shoring, also darum, den Handel mit vertrauenswürdigen Ländern auszubauen, um die Risiken für Lieferketten zu verringern. 

Dawud Ansari ist Experte für Geopolitik. Quelle: Privat

Zur Person

Bisher haben die Reisen in die Golfstaaten allerdings wenig gebracht: Der Katar-Deal von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist geplatzt, auch Riad hat trotz Bidens Besuch nicht die Ölfördermengen erhöht. Wird Scholz mehr Erfolg haben?
Saudi-Arabien tritt mit einem ganz neuen Selbstbewusstsein auf. Die vergangenen Jahre fühlte sich Riad ignoriert, jetzt sieht das Regime nicht ein, Ländern wie den USA im Zweifel Gefallen tun zu müssen. Saudi-Arabien will seine regionale und globale Machtstellung verteidigen und ausbauen; dafür ist der Ölmarkt das beste Vehikel – und es wird entsprechend eigennützig eingesetzt. Außerdem braucht der Kronprinz die Mehreinnahmen dringend, beispielsweise  für seine Prestigeprojekte wie die Wüstenstadt Neom. Oder, um mit neuen Jobs gegen die hohe Arbeitslosigkeit anzukämpfen. 
Was bedeutet das für den Scholz-Besuch, bei dem einerseits Menschenrechtsfragen angesprochen, aber andererseits Milliardendeals eingefädelt werden sollen?
Ich glaube nicht, dass das Thema Menschenrechte eine große Rolle bei dem Besuch einnehmen dürfte. Denn das Regime lehnt Kritik von Außen vehement ab. Vielmehr dürfte es Druck von saudischer Seite auf Deutschland geben im Hinblick auf das Thema Waffenexporte.

Das heißt: Ein Ende des Waffenembargos gegen neue Energiepartnerschaften?  
Insbesondere seit Russlands Krieg in der Ukraine weiß Saudi-Arabien, dass es sich seine Abnehmer aussuchen kann. Deshalb liegt es nahe, dass Riads Bedingung für weitere Handelsbeziehungen ist, dass Deutschland das Embargo für Waffenexporte aufhebt, zumindest aber deutlich lockert.    

Großkonzerne wie Siemens und ThyssenKrupp machen in Saudi-Arabien bereits Geschäfte. Welche Chancen hat aber der Mittelstand – gerade auch vor dem Hintergrund, dass Riad strenge Auflagen vorgibt was die Anzahl der saudischen Mitarbeiter und den regionalen Standort angeht?  
Es gehört zur saudischen Business-Kultur, dass namhafte Unternehmen und Zulieferer aus Europa präferiert werden. Selbst wenn kleine und mittelständische Unternehmen in der Lage sind, die strengen Auflagen zu erfüllen, werden sie nur geringe Chancen als Zulieferer haben, wobei es sicher Ausnahmen gibt für Weltmarktführer mit Stärken in sehr nischigen Bereichen. 

Gaspreis: Was der Großhandel mit dem Endkundenpreis zu tun hat

Scholz reist nicht nur nach Saudi-Arabien, sondern auch nach Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Stehen die Chancen auf schnelle Geschäfte dort besser?
Katar und die Emirate sind vor allem interessiert an langfristigen Abkommen mit Deutschland, allerdings gilt auch hier: Für Deutschland wird nicht der rote Teppich ausgerollt, denn auch in diesen beiden Ländern stehen die Abnehmer etwa für Flüssiggas Schlange. Vielmehr muss Deutschland eher Katar zeigen, was es bieten kann, um als Abnehmer attraktiv zu sein.

Lesen Sie auch: Wie sich Katar am Golf Einfluss kauft – auch in der Bundesrepublik

Welchen strategischen Wert haben gute Beziehungen zu diesen Staaten für Deutschland eigentlich übers Gasgeschäft hinaus?
Die drei Länder nehmen nicht nur in der Golfregion eine zentrale Rolle ein. Durch die starken außenpolitischen Verflochtenheiten in Krisenregionen wie Iran, Libyen, teils auch nach Syrien, gibt es ein großes Interesse an zunehmender Stabilität. Deutschland hat sich bisher deutlich weniger als andere westliche Staaten strategisch in der Golfregion engagiert – das kann ein Nachteil sein mit Blick auf die nun gewünschten Geschäfte. Es kann aber auch eine Chance sein, weil Deutschland damit relativ unvorbelastet an einer Stabilisierung der Region mitwirken kann. Im besten Fall gelingt beides: Die wirtschaftlichen und die politischen Beziehungen zu stärken. 

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%