Schulferien Terminstreit könnte deutschen Tourismus gefährden

Sollten die Schulferien der Bundesländer künftig auf den gleichen Zeitraum fallen, wird es nicht nur voll: Es hätte negative Konsequenzen für die Wirtschaft. Quelle: Imago

Die Politik streitet über Termine für die Sommerferien. Sollten sie sich verdichten, würde sich Urlaub in Deutschland grundlegend verändern. Dabei geht es um mehr als verstopfte Autobahnen und überfüllte Hotelpools.

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Eigentlich wollte die Bundesregierung mit dem Nationalen Bildungsrat mehr Vergleichbarkeit im Bildungssystem schaffen. Doch noch vor der eigentlichen Gründung scheint das Projekt gestorben zu sein. Zumindest werden Bayern und Baden-Württemberg nicht mehr mitmachen. Sie sehen das bestehende Bildungsniveau durch den Bildungsrat gefährdet. Doch der Ausstieg der süddeutschen Bundesländer hat auch die ewige Debatte um die deutschen Schulferien wieder angeheizt. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte in seinem Statement zum Austritt aus dem geplanten Bildungsgremium klar: Bayern will sich den Ferienzeiten anderer Länder nicht anpassen – und könnte damit der eigenen Wirtschaft schaden.

Dabei haben Bayern und Baden-Württemberg bereits eine Sonderrolle bei der Terminfindung für die Schulferien. Während die Länder den Zeitraum der Ferien an ihren Schulen normalerweise selbst bestimmen, gibt die Kultusministerkonferenz für die Sommerferien einen Zeitraum zwischen 1. Juli und 10. August vor. Damit nehmen es die meisten Länder ohnehin nicht so genau: In Berlin, Brandenburg und Hamburg beginnen die Sommerferien 2020 schon im Juni, in Bayern und Baden-Württemberg werden sie sogar bis in den September reichen.

Ob die Sommerferien am Anfang oder Ende dieses Zeitraums liegen, wird durch ein rollierendes System bestimmt. Nur Bayern und Baden-Württemberg sind davon ausgenommen und dürfen immer die begehrten Ferientermine im Spätsommer wahrnehmen. Diese Sonderregelung begründen sie mit den späten Pfingstferien, die ansonsten zu nah an den Sommerferien liegen würden. Bis 2024 stehen die Termine fest, aktuell laufen die Verhandlungen für Sommer 2025 bis 2030.

Dass die beiden süddeutschen Bundesländer nun aus dem Bildungsrat aussteigen und zudem ihr Desinteresse an der von vielen anderen Ländern gewünschten Umstrukturierung des Feriensystems deutlich machen, stößt auf Empörung. Der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (SPD) drohte bereits mit Alleingängen der anderen Bundesländer bei der Ferienplanung. Söder hält dagegen, dass Bayern in Sachen Ferien seinen eigenen Biorhythmus habe und das schon immer so gewesen sei. Der Disput mag kurios wirken – irrelevant ist er mitnichten. Denn ein Freifahrtsschein für die Wahl der Ferientermine hätte verheerende Konsequenzen für die deutsche Tourismusbranche.

Tourismusbranche schlägt Alarm

Die wichtigste Zielgruppe für den Tourismus der Bundesrepublik sind die eigenen Bürger: 55 Millionen Deutsche geben jährlich insgesamt 72,7 Milliarden Euro für Urlaub im eigenen Land aus. Die Hälfte davon entfällt auf die Monate Juni bis August, in denen die Sommerferien liegen. Der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV) Norbert Kunz zeigt sich daher entrüstet: „Der Vorschlag aus Bayern ist eine Missachtung der Branche“.

Durch die aktuelle Regelung sind die Sommerferien auf 85 Tage im Jahr verteilt. Sollte sich dieser Zeitraum verkürzen, bringe das „vielfältige Probleme“, sagt Kunz. Hotels, Ferienwohnungen, Restaurants und Campingplätze hätten nur begrenzte Kapazitäten – eine Verkürzung der Hochphase bedeute für die Betreiber „enorme Einnahmeausfälle“. Laut einer Studie des DTV aus dem Jahr 2013 kann jeder fehlende Ferientag bis zu 120 Millionen Euro Umsatz kosten. „Angesichts einer jährlichen Bruttowertschöpfung von rund 100 Milliarden Euro und drei Millionen Arbeitsplätzen in der Tourismusbranche wäre eine Ballung der Ferienzeit volkswirtschaftlich unverantwortlich“, kritisiert Kunz. Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen hätte eine unabgestimmte Ferienplanung der Länder laut Kunz auch soziale Auswirkungen: „Die steigende Nachfrage würde die Preise in die Höhe treiben. Das würde besonders Leute mit kleinerem Geldbeutel treffen“.

Doch nicht nur Tourismus und Verkehr wären im Falle eines frei wählbaren Zeitraums für die Sommerferien betroffen, auch der Einzelhandel könnte wirtschaftlichen Schaden davon tragen: „Es gibt Regionen, die davon leben, dass die Leute dort in den Urlaub fahren und in dieser schönen Zeit auch viel Geld ausgeben“, sagt Kunz. Auch hier gilt: kürzere Ferienzeit – weniger Umsatz. Besonders hart würden geballte Ferienzeiten Mecklenburg-Vorpommern treffen, denn rund 20 Prozent des deutschen Tourismus spielen sich im nordöstlichsten Bundesland ab.

Die Debatte um die Ferienzeitregelung steht noch am Anfang. Trotzdem hat Kunz bereits eine klare Forderung an die Politik: „Die Länder sollen das gute System, das wir haben, nicht einfach so über Bord werfen“, sagt der DTV-Geschäftsführer. Der Verband setze auf Vernunft und Einsicht: „Wir erwarten, dass die Bundesländer nicht nur an sich denken, sondern auch an den Tourismus in ganz Deutschland und dessen wirtschaftliche Bedeutung.“ 

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