Stotterndes Wachstum Quo vadis, deutsche Konjunktur?

Die deutschen Exporteure leiden unter der weltweiten Wachstumsschwäche.   Quelle: dpa

Die konjunkturelle Ermattung und die strukturellen Wachstumsblockaden lassen die Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Rezession schwinden. Deutschland könnte zur No-Growth-Area werden.

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Wenn es etwas gibt, das es für Robert Habeck nicht zu geben scheint, dann ist es der Pessimismus. Gleich ob Energiewende, Klimaneutralität oder Ansiedlung von Unternehmen – Deutschlands Wirtschaftsminister scheint vom Geist des Wir-schaffen-das-Diktums von Angela Merkel beseelt. Die Transformation, die die Ampelregierung der Wirtschaft verordnet hat – für Habeck kein Problem. Die Unternehmen müssten sich nur richtig reinhängen, die Bürger ihr Verhalten ändern, dann werde Deutschland der Welt schon zeigen, wie Klimaschutz und Wachstum Hand in Hand gehen.   

Der ostentativ zur Schau gestellte Machbarkeitsoptimismus Habecks spiegelt sich in der Wachstumsprognose seines Ministeriums wider. Die deutsche Wirtschaft werde im Laufe dieses Jahres die Rezession überwinden und um 0,4 Prozent wachsen, prognostizieren Habecks Beamte. Im nächsten Jahr werde sich die Wachstumsrate auf 1,6 Prozent vervierfachen, glaubt das Wirtschaftsministerium.

Die Prognose datiert von Ende April. Damals zeigten sich auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute zuversichtlich. In ihrem Frühjahrsgutachten sagten sie Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent für dieses und 1,5 Prozent für nächstes Jahr voraus. Dem schwachen Winterhalbjahr werde in der zweiten Jahreshälfte der Aufschwung folgen, frohlockten die Konjunkturexperten.

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von Christian Ramthun

Enttäuschte Hoffnungen

Ihre Zuversicht stützten sie darauf, dass Deutschland eine Gasmangellage erspart blieb und die Unternehmen angesichts der sich entspannenden Liefersituation ihre in der Corona-Pandemie angesammelten Aufträge abarbeiten können. Zudem hofften sie, dass der Konsum von sinkenden Teuerungsraten und der Export vom Wiedererwachen der Nachfrage aus China nach dem Ende des Lockdowns profitieren.

Inzwischen aber zeigt sich, dass die Hoffnungen der Konjunkturexperten auf Sand gebaut waren. Den Unternehmen fehlt es vielfach an Folgeaufträgen, um die Produktion nach dem Abarbeiten der Auftragsbestände dauerhaft hochzufahren. Umfragen des Münchner ifo Instituts zufolge beurteilen aktuell mehr Unternehmen ihre Auftragsbestände als „zu klein“ als dass sie diese als „verhältnismäßig hoch“ einstufen.

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Zudem hat sich der erhoffte Nachfrageschub aus China als Eintagsfliege entpuppt. Die Wirtschaft der Volksrepublik leidet noch immer unter den Problemen im Immobiliensektor. Die Arbeitslosigkeit vor allem unter Jugendlichen ist hoch, die Verunsicherung der Unternehmen nach den rigiden staatlichen Eingriffen in der Corona-Pandemie groß. Die Einkaufsmanager blicken skeptisch in die Zukunft, der auf Umfragen beruhende Indikator liegt mit 49,0 Punkten unter der kritischen Marke von 50 Zählern, die den Expansions- vom Kontraktionsbereich trennt.
Unerfüllt blieb bisher auch die Hoffnung der Konjunkturexperten auf ein Erstarken des privaten Verbrauchs. Die hartnäckig hohe Inflation – im Juni lag sie bei 6,4 Prozent – nagt an der Kaufkraft der Bürger. Der von der GfK ermittelte Konsumklimaindex gab zuletzt weiter nach. Die Lohnabschlüsse haben die Geldentwertung in der Breite der Wirtschaft bisher nicht ausgeglichen. Erst im nächsten Jahr dürften die Reallöhne wieder steigen, erwarten die Ökonomen der Commerzbank.  

Die Arbeitslosigkeit steigt

Mittlerweile hinterlässt die Rezession, in die Deutschland im Winterhalbjahr gerutscht ist, auch auf dem Arbeitsmarkt Spuren. Die Anzahl der registrierten Arbeitslosen legte im Juni in saisonbereinigter Rechnung um 28.000 auf 2,61 Millionen zu. Das war der fünfte Anstieg in Folge. Die Arbeitslosenquote stieg auf 5,7 Prozent. Rasche Besserung ist nicht in Sicht. Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen hat sich angesichts der Auftragsflaute und der Kaufzurückhaltung der Konsumenten abgekühlt. Der Jobindikator der Bundesagentur für Arbeit, der die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften misst, ging im Juni zum fünften Mal in Folge zurück. Die Anzahl der offenen Stellen sank um 10.000 gegenüber Mai auf 762.000.




Frühindikatoren wie der Geschäftsklimaindex des ifo Instituts und der Einkaufsmanagerindex für die Industrie deuten darauf hin, dass sich die Rezession fortsetzt. Im Juni rutschte der Einkaufsmanagerindex auf 40,6 Zähler – den tiefsten Stand seit mehr als drei Jahren.

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