
„Blindes Vertrauen“ bringe er Kanzlerin Angela Merkel entgegen. Als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef so dick aufträgt und munter allen vergangenen Streit vergessen machen will, steht Merkel mal wieder mit Pokergesicht da. Dann schiebt sie hinterher. Naja, blindes Vertrauen. Es sei aber nicht so, dass sie und Seehofer unterwegs seien wie ein blindes Huhn, das eben auch mal ein Korn findet.
An diesem Montagmittag ist bei der Union jedenfalls Harmonie angesagt. Als letzte der größeren Parteien stellt sie ihr Programm zur Bundestagswahl im September vor. „Wohlstand und Sicherheit“ versprechen CDU und CSU.
Neben Konservativen zielt die Union mit ihrem Wahlprogramm auf zwei weitere Gruppen: die Familien und die wirtschaftlich Liberalen. Bei denen sehen CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer offensichtlich Nachholbedarf - nach der Grenzöffnung für Flüchtlinge, wegen des schwindenden Sicherheitsgefühls vieler Menschen, nach allerlei sozialdemokratischen Gesetzen in der schwarz-roten Bundesregierung sowie einer chronischen Großstadtschwäche und bei jüngeren Familien.
Überhaupt die Flüchtlinge. Die kommen eher am Rande vor, als Angela Merkel von einem Marshall-Plan für Afrika und über die Bekämpfung der Fluchtursachen spricht. Als die Frage nach einer von der CSU geforderten Obergrenze für Geflüchtete aufkommt, einigen sich beide Parteichefs drauf, dass sich eine Situation wie 2015/16 nicht wiederholen dürfe.
Einzelne Punkte aus dem Wahlprogramm
Das Volumen soll deutlich mehr als 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer betragen. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll künftig erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60 000 Euro greifen (bisher 54 000 Euro). Der Kinderfreibetrag (bisher 7356 Euro) soll in zwei Schritten bis zum Grundfreibetrag für Erwachsene (derzeit 8820 Euro) angehoben werden - die Union will sich aber nicht auf ein genaues Zieldatum festlegen.
Um Gutverdiener nicht zu bevorzugen, soll zugleich das Kindergeld um 25 Euro erhöht werden. Für das erste und das zweite Kind werden aktuell 192 Euro Kindergeld pro Monat gezahlt, für das dritte Kind 198 Euro, ab Kind Nummer vier gibt es jeweils 223 Euro.
Die Union verspricht den Abbau des Solidaritätszuschlags für alle ab dem Jahr 2020 - legt sich aber nicht wie ursprünglich diskutiert auf eine Abschaffung bis 2030 fest.
Die Union will 15 000 neue Stellen schaffen.
Wer erstmals eine Immobilie kauft, soll zehn Jahre lang pro Kind und Jahr einen Zuschuss von 1200 Euro bekommen. Beim ersten Kauf eines Eigenheims soll außerdem die Grunderwerbsteuer erlassen werden. „Die CDU verteilt ihr Baukindergeld mit der Gießkanne, erreicht damit aber nicht diejenigen, die wirklich Hilfe beim Wohnungskauf brauchen“, kritisierte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) die Unionspläne in der „Passauer Neuen Presse“.
Mittelständische Unternehmen sollen bei Forschungs- und Entwicklungsausgaben steuerlich gefördert werden, wenn es für sie zu kompliziert ist, Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu beantragen. Für die Forschungsförderung würden Steuerausfälle von bis zu drei Milliarden Euro jährlich eingerechnet. Dennoch will die Union auch dann einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen.
Bis 2025 soll die Vollbeschäftigung erreicht werden. Als Vollbeschäftigung gilt eine Arbeitslosenquote von höchstens drei Prozent. Sie liegt derzeit bei 5,5 Prozent. CDU und CSU treten zudem für die Schaffung eines „Fachkräftezuwanderungsgesetzes“ ein.
Die doppelte Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern soll nach dem Willen der Union nicht mehr über Generationen hinweg weitervererbt werden können. Die Union will bei Bürgern, die nicht aus der EU stammen, einen „Generationenschnitt“ einführen: „Dieser Schnitt soll nach der Generation der in Deutschland geborenen Kinder erfolgen, die durch Geburt in Deutschland die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben.“
Damals kamen rund eine Million Menschen nach Deutschland. Seehofer spricht davon, dass er die Obergrenze eben in den Bayernplan packen wolle. Das ist ein Parallelprogramm der CSU für alles, was im gemeinsamen Plan mit der CDU nicht aufgenommen wurde. Merkel erwidert nur trocken, dass ihre Meinung zur Obergrenze bekannt sei. Sie hält sie für nicht umsetzbar. „Wir wollen nun aber erst einmal die Bundestagswahl gewinnen“, sind sich beide wieder einig.
Wenn es um Wahlen und die Aussicht aufs Regieren geht, sind CDU und CSU aber recht diszipliniert.
Die Union legt diesmal mehr vor als vor der vergangenen Wahl. Damals blieb nur die Aussage Merkels hängen: „Sie kennen mich.“ Die Kanzlerin war Programm, daneben blieben nur zwei andere Punkte. Keine Steuererhöhungen und keine neuen Schulden.
Allerdings fügen sich die vollmundigeren Versprechen auch 2017 nicht zu einem Eindruck, wohin eine von Kanzlerin Merkel geführte Regierung das Land in vier Jahren führen will.
Die Digitalisierung begleiten und deren Chancen nutzen? Ein bisschen. Die wachsende Vielfalt in der Gesellschaft verbinden – samt Alterung und Zuwanderung? Gut versteckt. Ein größeres Ganzes wird kaum sichtbar. Klar wird allerdings, dass die Versprechen einige Milliarden kosten und wohl nur bei guter Wirtschaft umzusetzen sind. Nebenbei kündigt die Union vieles an, wofür sie die Länder braucht – etwa bei den Polizisten oder der Bildung.