Einhundert Milliarden Euro: So viel hat der Wirtschaftsstandort Deutschland im Jahr 2022 laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für den Krieg in der Ukraine gezahlt. Die Kostentreiber rauschen täglich durch unsere Newsfeeds: Abhängigkeit von russischen Ressourcen, Abhängigkeit von Exporten und Abhängigkeit von globalen Lieferketten vor allem in China. Klar scheint: Industrielle und politische Logiken haben sich hierzulande auch nach einem Jahr Zeitenwende noch immer nicht an die neue Welt-Unordnung gewöhnt. Irgendwo scheint eine versteckte Überzeugung tief und fest zu sitzen, dass sich die Lage bald wieder verbessern wird. Solche Einstellungen stehen allerdings entscheidendem Fortschritt im Weg.
Denn die bittere Wahrheit sieht anders aus: Das zeigte allein der Auftritt von Chinas Chef-Außenpolitiker Wang Yi bei der Sicherheitskonferenz in München am Wochenende. Dort wiederholte der Gesandte Pekings nicht nur einen Besitzanspruch auf Taiwan, sondern er versuchte auch, einen Keil zwischen die USA und Europa zu treiben. Dazu kam Wangs ominöse Ankündigung eines Friedensplans für den Ukraine-Krieg zum Jahrestag kommende Woche. Expertinnen und Experten vermuten dahinter vor allem den Versuch, Russlands Situation im Krieg zu stabilisieren und Staaten des globalen Südens von der Einmischung abzuhalten. „Es würde mich sehr überraschen, wenn da wirklich etwas Sinnvolles drin steht und nicht nur chinesische Plattitüden“, erklärte ein hochrangiges Regierungsmitglied der WirtschaftsWoche. Passend dazu sprach US-Außenminister Antony Blinken noch am Sonntag von mutmaßlichen chinesischen Plänen, Russland neue Waffen für den Krieg zu schicken. Auf der anderen Seite suchen auch die USA demonstrative Nähe zu Kiew, nicht umsonst ist US-Präsident Joe Biden persönlich am Montag zu einem Überraschungsbesuch in die Hauptstadt der Ukraine gereist. Er hat dort neue Artilleriemunition, Panzerabwehrsysteme und Luftüberwachungsradar versprochen.
Klingt das nach Entspannung? Nein, eher nach einem Showdown der Großmächte. Es wackelt gerade ordentlich auf der weltpolitischen Bühne. Damit die Kosten des Kriegs auch für Deutschland und Europa nicht weiter bis ins Unermessliche steigen, muss diese Wahrheit Akzeptanz finden.
Gemäß den Forderungen des DIW müssen Unternehmen noch mehr Kraft und Finanzmittel in ihre Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen und in schneller ablaufende Transformationsprozesse stecken. Es muss in Zukunft schlicht auch ohne die großen Player gehen, auch wenn das kurzfristig erst mal weitere bittere Wohlstandsverluste zur Folge haben wird. Diese gilt es auszuhalten.
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