Werner Knallhart
Quelle: dpa

Rauchverbot in der Gastronomie: Jetzt auch draußen?

Die Schweden ziehen es durch: Gäste von Restaurants und Cafés dürfen auch draußen nicht mehr rauchen. Am Bahnsteig, an Haltestellen und auf Spielplätzen bleibt die Kippe jetzt aus. Eine gute Idee auch für Deutschland?

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Oje, oje, schon wieder so eine Kolumne von so einem weltverbesserischen Kolumnisten, der meint, allen seine unqualifizierte Privatmeinung reinwürgen zu müssen? Diese Art von Sprüchen kommt immer dann, wenn ich hier über das Für und Wieder von Verboten nachdenke, von der Seite, die am Ende aller Abwägung meiner Meinung nach den Kürzeren zieht.

Aber Moment, ja? Man wird ja wohl noch die Welt verbessern dürfen! Im Ernst: Lassen Sie uns das Thema ganz cool durchdenken (sollten Sie Raucher sein, ziehen Sie sich vorher bitte schnell noch genussvoll zur Beruhigung etwas Nikotin rein): Brauchen wir auch in Deutschland ein Rauchverbot vor Cafés und Restaurants, an Haltestellen, Bahnsteigen und auf Spielplätzen wie in Schweden?

Hose runter: Ich bin Nichtraucher und meine Mutter ist Schwedin. Aber vor allem bin ich Freund der Devise: Jeder so, wie er mag, so lange er anderen nicht schadet. Und ich bin für Verbote als letztes Mittel. Also:

1. Andere Menschen todbringenden Substanzen auszusetzen, dafür muss es schon gute Gründe geben. Der eigene Wunsch nach Genuss/Stillen des Suchtdrucks/Haare auf der Brust kann das nicht sein. Selbst wenn ich mich zwingen will, ich kann es nicht anders sehen: Jemand anderem aus reinem suchtgetriebenen Eigeninteresse heraus gesundheitlich zu schaden - das ist nicht hinnehmbar, auch wenn es Jahrhunderte lang hingenommen wurde. Vernunft sticht Tradition.

2. Aber Autos stoßen auch giftige Abgase aus und das wird auch nicht verboten? Stimmt. Aber wer will schon, dass das Autofahren verboten wird, nur weil im Café nicht mehr draußen geraucht werden darf?

3. Stellen wir uns vor, es wäre plötzlich legitim, dass sich Menschen auf Caféterrassen und Haltestellen den eigenen Zeigefinger anlecken und ihn dann wildfremden Menschen ins Ohr stecken. Motto: Wem das nicht passt, der kann ja zuhause bleiben. Gut, der Vergleich hinkt: Passiv rauchen ist deutlich ungesünder als Speichel am Ohr. Wenn Ohrspucke-Hasser also nicht zuhause bleiben müssen, wenn ihnen ihre Behandlung nicht passt, müssen es unfreiwillige Passivraucher also erst recht nicht. Bei mit unseren Steuern finanzierten Räumen wie Haltestellen und Spielplätzen gilt das nicht weniger.

4. Aber zieht der Rauch unter freiem Himmel nicht direkt ab? Nein, leider. Er zieht meist durch. Entweder direkt von der Zigarette oder aus der Lunge des Rauchers in anderer Leute Gesichter, Haare, Kleidung - und Lungen. Das wäre nur anders, wenn der Wind von unten vertikal nach oben blasen würde, also etwa auf Belüftungsschacht-Außengittern von Tiefgaragen. In einer Café-Außengastronomie, die auf Tiefgaragen-Belüftungen aufgebaut ist, die streng senkrecht nach oben pusten, ist das Rauchen in der Öffentlichkeit vertretbar. Sonst nicht.

5. Was ist mit dem Argument: „Die armen Raucher!“? Der Raum für Raucher in der Öffentlichkeit würde kleiner und kleiner. Andererseits: Nur gut ein Viertel der Deutschen rauchen. Sie sind aber in die Lage, auf Außenterrassen, an Bushaltestellen und Bahnsteigen alle Anwesenden mit ihrem Rauch einzunehmen. Ein Viertel macht 100 Prozent zu ihrem Terrain. Das gelingt so meist nur Leuten mit sehr billigen Kopfhörern, die einen ganzen ICE-Waggon nebenbei beschallen. Und das wird bekanntlich nicht lange toleriert. Rauchern bleiben für ihre Sucht noch die folgenden Flächen: der Weg zum Café und zur Haltestelle, die Fußgängerzone, das eigene Auto (solange keine Kinder drin sitzen), die eigene Wohnung (solange keine Kinder drin wohnen), die Parkbank usw. Das ist im Vergleich zu anderen Drogensüchten eine enormes Entfaltungspotenzial.

Zwischenfazit: Ein ureigenes Recht auf Rauchen unter Leuten kann es also auch unter freiem Himmel nicht geben - die Rücksicht auf die anderen steht dem entgegen. Das heißt aber noch lange nicht, dass man gleich alles gesetzlich verbieten muss. Geht es denn nicht auch nach dem Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme?

Das Problem bei der gegenseitigen Rücksichtnahme: Es fehlt an der Gegenseitigkeit. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass Nichtraucher dem Raucher eben nichts tun. Der Nichtraucher könnte also nichts eigenes als sein Entgegenkommen anbieten, als „dann rauche ich eben ein bisschen passiv.“ Aber das ist natürlich so absurd wie: „Dann stecken Sie mir in Gottes Namen halt den nassen Finger ins Ohr aber bitte nicht mit ganz so viel Spucke.“ Es sind also allein die Raucher, die liefern müssen. Würde das klappen aus Basis von Freiwilligkeit?

Die EU wird es am Ende richten

Nach meinen Erfahrungen möchte ich so zusammenfassen: nein. Viele Raucher haben vor lauter selbstempfundener Drangsalierung die Schnauze voll von Rücksichtnahme. Das Nikotin will einfach rein! Beispiel 1: Stockholm, Medborgarplatzen, vor rund drei Jahren, draußen, Sonne, rechts drei junge Frauen, die die Fluppen so hielten, dass der Rauch ihnen selbst nicht in die Nasen stieg. Nämlich mit geknicktem Handgelenk über der Schulter zu den Nachbarn rüber. Ich: „Hejsan, würde es euch was ausmachen, eure Zigaretten so zu halten, dass wir hier nicht alles direkt abkriegen?“ Antwort: „Wir dürfen hier draußen rauchen.“ Ich: „Ja, ich habe ja auch nur nett drum gebeten.“

Beispiel 2: Bielefeld, gerade vergangene Woche, italienisches Restaurant, 30 Grad draußen, wir umzingelt von vier Rauchern an zwei Tischen direkt neben uns. Der Rauch steht bei Windstille wie in einer Besenkammer. Ich frage den Kellner: „Haben Sie vielleicht bitte einen Tisch irgendwo anders, wir würden so gerne ohne Rauch essen.“ Seine Antwort: „Man wird ja wohl noch draußen rauchen dürfen.“ Ich: „Ich habe doch auch nur um einen anderen Tisch gebeten.“

Wir bekamen dann einen anderen Tisch zugeteilt. Und es gibt immer wieder auch richtig freundliche Reaktionen, ist ja klar. Aber immer wieder kommt der Verweis auf die Rechtslage: „Ich darf das.“ Da geht nicht mehr viel. Sie dürfen auch mit dem Stuhl nach hinten rutschen. Aber wenn jemand durchwill, verweisen Sie da auch auf die Rechtslage? Viele Raucher schreien also regelrecht nach Verboten. Solch ein Gesetz hätte einen großen Vorteil: Kein Gastronom müsste bei einem selbst erklärten Rauchverbot auf der Terrasse befürchten, dass die Raucher zur Konkurrenz ohne Rauchverbot abwandern (so wie heute bei den seltsamen Raucherkneipen in Berlin, über die die Touristen aus fortschrittlicheren Nationen ungläubig den Kopf schütteln).

Als letztes dürfen wir eins nicht vergessen: Rauchen ist auch bei uns auf dem Rückmarsch. Der Tabakindustrie gelingt es nicht mehr, die kritische Masse an jungen Menschen in die Sucht zu treiben. Unser Denken ändert sich. Selbst CDU-Frau Merkel will das Werbeverbot für Tabak auf Plakatwänden. In Teilen Europas steht als Ziel im Raum: Rauchfreiheit. Die Nikotinsucht einfach flächendeckend auszumerzen. Schweden will bis 2025 rauchfrei sein, Finnland bis 2035. Solche Ziele sind für deutsche Verhältnisse natürlich ein unvorstellbarer Irrsinn an Veränderung. Aber seien wir Propheten: Die EU wird es am Ende richten.

Und wenn wir dann irgendwann unseren Enkeln erzählen: „Drogen nehmen war auch schon in unserer Jugend verboten. Außer solcher Drogen, die andere Menschen unfreiwillig mit konsumieren mussten, die konnte man sogar bei Rossmann kaufen“, und dann in ungläubig aufgerissene Augen schauen, dann erinnern wir uns an die Schweden: Die waren mal wieder ganz vorne - und haben uns Ich-darf-das-Deutsche am Ende mitgerissen. Mit weniger Krebstoten wäre so ein Sommer draußen doch ganz besonders schön.

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