Werner knallhart
Quelle: dpa

Warum nur Soldaten? Lasst Krankenschwestern gratis Bahn fahren

Die Bundeswehr hat ein Imageproblem. Ausbügeln soll das die Deutsche Bahn, findet die Verteidigungsministerin – und fordert kostenlose Zugfahrten für Soldaten. Die Bahn sträubt sich: Denn da könnte ja fast jeder kommen.

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Die Bahn ziert sich, wenn es darum geht, Soldaten kostenlos zwischen Heimatort und Dienstort pendeln zu lassen. Erstens will sie eigentlich nur Fernzüge freigeben (Regionalverkehr ist von den Ländern bestellt) und außerdem nur in schwach ausgelasteten Zügen. Das alles würde unpraktisch für die Armee. Soldaten wollen, wie fast alle anderen Pendler auch, am Freitagabend nach Hause und am Sonntagabend wieder zum Job. Stattdessen müssten die Soldaten noch den halben Freitagabend in der Kaserne rumlungern, dann mitten in der Nacht reisen und sich dann wiederum am Sonntagmorgen nach dem Frühstück auf den Rückweg machen. Und dann auch noch eine Fahrkarte für den RegionalExpress kaufen, bevor sie in den IC oder ICE umsteigen können. Man merkt: Der Deutschen Bahn sind voll zahlende Fahrgäste wichtiger.

Dazu sagt der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels: „Von 450 Bundesbürgern ist einer Soldat. Wenn man für deren besonderen Dienst eine besondere Wertschätzung der Nation zum Ausdruck bringen will, kann das ja wohl nicht an der Frage der Kostenrechnung eines besonders staatsnahen Unternehmens scheitern. (...) Der Bund zahlt schließlich schon zig Milliarden für den Ausbau des Schienennetzes.“

Heißt: Wenn die Bahn schon neue Schulden macht und Zuschüsse bekommt, dann kommt es auf ein paar Millionen Euro mehr (die Bahn rechnet mit zusätzlichen Kosten von 38 Millionen Euro) auch nicht mehr an. Wenn Deutschland in seine Infrastruktur investiert, muss man der Bundeswehr dafür was schenken. Lieber soll die Bahn blechen (auf Kosten der zahlenden Bahnkunden), statt die Bundeswehr. Richtig dumm ist die Idee nicht. Das wird für die Bundeswehr nämlich rund 38 Millionen Euro billiger (habe ich mal eben ausgerechnet).

Warum soll aber ausgerechnet die Bahn im Namen der Nation die Bundeswehr attraktiver machen?

Gut, das Image der Bundeswehr ist eine Katastrophe. Man mag sich ja gar nicht all die Mängel vorstellen, von denen man immer so liest. Es reicht daran zu denken, dass unsere Armee noch nicht einmal ein Segelschiff renovieren kann. Wer will da schon arbeiten? Zu wenige. Und die, die sich überwinden (oder das glauben, was die Werbung suggeriert, nämlich, dass man in der Truppe den Sinn des Lebens findet und so zum gefeierten Kameraden wird), die pendeln sich am Wochenende was zurecht. Die Bundeswehr ist eine Pendlerarmee, 70 von 100 Soldaten pendeln, kein Berufsstand muss mehr hin und her.

Pendeln kostet dabei nicht nur Zeit, sondern auch Geld und gerade junge Soldaten haben nichts zu verschenken. Wäre natürlich toll, wenn das Reisen kostenlos wäre.

Es wäre den Soldatinnen und Soldaten wirklich zu gönnen. Wirklich! Ich würde mich für sie freuen. Als Wertschätzung für ihren Dienst an der Nation.

Nur: Ich kann mich nicht vom Gefühl frei machen, dass es auch noch eine Menge anderer Menschen in anderen Berufen gibt, denen wir alle gemeinsam als Gesellschaft nicht weniger verdanken, als dass sie den Laden am Laufen halten.

Ein etwas anderes Pendlergeld

Sollten nicht auch die unterbezahlten Krankenschwestern und Altenpfleger eine Anerkennung erhalten für das, was sie für uns Tag für Tag stemmen? Was ist mit den Ehrenamtlern in Sportvereinen, Flüchtlingsunterkünften, Hospizen, Umweltschutzorganisationen, Tafeln und und und? Die dürfen sich mal eine kostenlose Tasse Kaffee aus der Küche nehmen. Aber sie müssen für die Fahrt zu ihrem Einsatzort auch noch eine Fahrkarte bezahlen – oder Spritgeld. Wenn wir konsequent sind, gibt es am Ende fast für jeden Job einen Grund für kollektive Dankbarkeit. Was ist mit dem Lkw-Fahrer, der Nacht für Nacht auf der Autobahn gegen den Sekundenschlaf kämpft, statt bei seiner Familie daheim im kuscheligen Bettchen zu schlummern? Er macht das, damit wir am nächsten Tag frische Milch und knackiges Gemüse im Supermarkt finden.

Der Wert des Dienstes an der Gesellschaft misst sich nicht allein an einer möglichen Lebensgefahr im Job. Und selbst wenn, müssten wir auch Feuerwehrfrauen und -männern die Bahnfahrten schenken. Und Sanitätern, die mit Blaulicht durch die Stadt düsen und sich am Einsatzort gefährlich bedrängen lassen müssen, auch. Und Lokalpolitikern, die Positionen vertreten, die Rechtsextremisten nicht passen. Journalisten, die aus lebensgefährlichen Krisenregionen berichten.

Bislang dürfen schon Polizisten in Uniform kostenlos mit der Bahn fahren. Warum macht die Bahn das gerne mit, während sie sich bei den Soldaten auf die Hinterbeine stellt? Misst die Bahn hier auf unfaire Weise mit zweierlei Maß?

Antwort: Nein. Polizeibeamte in Uniform erhöhen das Sicherheitsgefühl der Reisenden. Die Bahn profitiert vom Deal, weil die Kundenzufriedenheit steigt. Win-Win-Win! Punkt.

Von wem profitieren die Fahrgäste?

Soldaten in Uniform, nicht selten rotwangige Jungspunde in Tarnfarben und mit unförmig verzurrtem Riesenrucksack, an dem noch Blechgeschirr oder Stiefel hinten hin und her baumeln und beim Ein- und Aussteigen sitzenden Fahrgästen ins Gesicht schlagen (schon erlebt, wenn auch nur einmal und das war natürlich sofort verzeihlich), erhöhen nicht das Sicherheitsgefühl in einem ICE. Weil sie im Innern gegenüber der Zivilbevölkerung eh nichts zu melden haben.

Soldaten sind letztendlich dem Anlass entsprechend unpassend gekleidete Mitreisende. Betonung auf Mitreisende. Sie besetzen Sitzplätze, trinken einem das wenige noch kühle Bier im Bistro weg und belegen danach die Toilettenräume wie alle anderen auch. Was hat da die Bahn davon? Nix. Weil die Fahrgäste nichts davon haben.

Mir hat mal ein Arzt erzählt, er sei in einem Flugzeug geflogen und dann kam die Durchsage: „Wenn ein Arzt an Bord ist, bitte melden Sie sich beim Kabinenpersonal.“ In Erinnerung an seinen Hippokratischen Eid war er aufgestanden und habe geholfen – stundenlang sei er auf dem Langstreckenflug im Einsatz gewesen. Am Ende des Fluges haben sich alle Involvierten herzlich bei ihm bedankt. Das war´s. Dass die Airline hier eine teure Dienstleistung eingespart hatte (bei jedem Dorffest stehen Sanitäter bereit), hat dabei keine Rolle gespielt.

Wäre es nicht logisch, allein jene Berufsgruppen kostenlos Bahn fahren zu lassen, die den Fahrgästen zugutekommen? Polizisten grundsätzlich. Ärzte, Krankenschwestern, Sanitäter, Feuerwehrleute zumindest dann rückwirkend, wenn sie zum Einsatz kommen?

Und wenn die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden möchte und deshalb ihren Soldaten das Pendeln schöner machen will, soll sie Jobtickets anbieten. So wie viele andere Arbeitgeber auch. Wenn dafür das Wehrbudget nicht reicht, muss es eben erhöht werden. Hintenrum Finanztöpfe anderer Ressorts oder Unternehmen abzumelken, ist hingegen zwar clever, aber nicht gerade ein glasklares konsequentes Bekenntnis zu den Bedürfnissen der eigenen Leute.

Unsere Soldaten haben da wirklich etwas Besseres verdient. Pendlergeld ja, aber bezahlt von dem, der direkt profitiert. Den Streitkräften.

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