Wirecard-Skandal Diese Fragen könnten Scholz und Altmaier ins Schwitzen bringen

In einer Sondersitzung befragt der Finanzausschuss des Bundestags Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Quelle: AP

In einer Sondersitzung befragt der Finanzausschuss des Bundestags Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Es geht um politische Versäumnisse im Wirecard-Skandal – und letztlich auch schon ein bisschen um die Bundestagswahl 2021.

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Für Finanzminister Olaf Scholz ist dieser Mittwoch eigentlich ein guter Tag. In Vertretung der urlaubenden Kanzlerin leitet der SPD-Vizekanzler die Kabinettssitzung. Er kann also schon einmal ein bisschen üben, könnte man sagen. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass Scholz sich das Kanzleramt zutraut – und seine Erfolgsbilanz als Corona-Krisenmanager stetig den Druck auf die SPD erhöht, ihn alsbald als Kanzlerkandidaten zu präsentieren.

Nach der Kabinettssitzung jedoch wartet auf Scholz ein weniger angenehmen Termin. Der Finanzausschuss des Bundestags trifft sich zu einer Sondersitzung, denn eigentlich ist gerade parlamentarische Sommerpause. Doch die Abgeordneten kehren extra aus den Ferien zurück, um sich der politischen Aufklärung der größten Bilanzfälschung in der Dax-Geschichte zu widmen: dem Wirecard-Skandal. Und damit auch der Frage, welche politische Verantwortung Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) tragen.

Beide wollen sich den Fragen stellen, haben Transparenz angekündigt. Wäre es nach der SPD gegangen, hätte die Sitzung bereits in der Vorwoche stattfinden sollen. Die Genossen wollen das Thema wohl möglichst schnell vom Tisch haben. Aber worum geht es genau?

Worüber Scholz Auskunft geben soll

Als Finanzminister ist Olaf Scholz für die Finanzaufsicht BaFin zuständig. Der Behörde wird vorgeworfen, Berichten über Ungereimtheiten bei Wirecard nicht mit genügend Nachdruck nachgegangen zu sein – ja, sogar stattdessen etwa gegen die Journalisten der „Financial Times“ ermittelt zu haben, die als erste über Missstände bei dem bayerischen Zahlungsdienstleister berichtet hatten. Scholz hat bereits Reformen bei der BaFin angekündigt, viele Fragen sind aus der Sicht von Opposition und Union aber noch überhaupt nicht geklärt.

Wer wann mit wem gesprochen hat, darüber hat das Finanzministerium bereits eine detaillierte Chronologie vorgelegt. Was fehlt, sind Informationen, wer wann was wusste. Worüber wurde gesprochen, wenn sich etwa Scholz´ zuständiger Staatssekretär Jörg Kukies von BaFin-Chef Felix Hufeld über den aktuellen Stand der Wirecard-Ermittlungen berichten ließ? Hat das Ministerium ausreichend Druck ausgeübt, die BaFin solle den Vorwürfen nachgehen? 

Es kommen juristische Fragen hinzu: Etwa, ob die BaFin wirklich alles unternommen hat, was ihr rechtlich möglich war. Warum zum Beispiel war Wirecard als Technologiekonzern eingestuft, weshalb sich die BaFin in erster Linie nur für die Bank-Tochter des Unternehmens zuständig sah? 

Die Finanzpolitiker werden es sich wohl auch nicht nehmen lassen, Scholz nach seinen ganz persönlichen Kenntnissen zu fragen: Was wusste er wann? Aber auch: Wie viel musste er überhaupt wissen? Schließlich ist der Finanzminister nicht der oberste Wirtschaftsprüfer der Nation. 

Was die Abgeordneten von Altmaier wissen wollen 

Für die Wirtschaftsprüfer ist Peter Altmaier zuständig – oder besser gesagt: für die APAS, die Aufsichtsbehörde der Wirtschaftsprüfer. Im Fall Wirecard haben die Prüfer von EY über Jahre nicht nachgeschaut, ob die 1,9 Milliarden Euro, die nun fehlen, auch wirklich auf den Konten lagen, auf denen sie liegen sollten. Dennoch stellten sie stets ein Testat aus – bis vor einigen Wochen. 

An Altmaier richtet sich daher vor allem die Frage, warum die Aufsicht nicht eingeschritten ist. Konnte sie schlicht nicht eingreifen? Vor allem die SPD forderte den Wirtschaftsminister auf, mehr zur Aufarbeitung beizutragen. Das ist einerseits natürlich der Versuch, von den Attacken gegen Scholz abzulenken. Andererseits hat sich Altmaier bisher mit öffentlichen Äußerungen zu Wirecard eher zurückgehalten.

In einem Interview bekannte er kürzlich, überrascht gewesen zu sein, dass ein Skandal dieses Ausmaßes ausgerechnet in Deutschland passieren konnte. Viele Oppositionspolitiker hat diese Haltung verärgert, angesichts einiger Finanzskandale der vergangenen Jahre wie etwa Cum-Ex und Cum-Cum. Sie fragen sich, was der Wirtschaftsminister vorhat, um das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland auch im Ausland wieder zu stärken.

Wie es nach der Sitzung weitergeht

Die Sondersitzung sei die letzte Chance für die Bundesregierung, Transparenz zu schaffen, so haben es Finanzpolitiker von Grünen, FDP und Linken in den vergangenen Tagen immer wieder formuliert. Tatsächlich scheint es so, als ließe sich ein Untersuchungsausschuss kaum noch verhindern. Die angesetzten drei Stunden für die Sondersitzung sind wenig Zeit im Verhältnis zu den umfangreichen Fragenkatalogen der Opposition.

Sollte es ab Herbst dann dazu kommen, wäre der Untersuchungsausschuss schnell wohl weniger ein Ort sachgerechter Aufklärung denn eine politische Bühne im beginnenden Bundestagswahlkampf. Nicht nur der mögliche SPD-Kanzlerkandidat Scholz müsste erneut aussagen, auch die neuen starken Männer der Union, Jens Spahn (CDU) und Markus Söder (CSU) würden wohl befragt werden. Spahn war bis 2018 Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium. Bayerns Ministerpräsident Söder müsste sich Fragen gefallen lassen, ob der Freistaat bei der Geldwäscheaufsicht gepennt habe.

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