„Europa war noch nie in so großer Gefahr“ Macron schlägt Alarm in Europa und fordert „Neubeginn“

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Macrons Vorstoß: Das sagen die Kritiker

Kritik gab es von der AfD und den Linken. „Je größer die Probleme in Frankreich werden, desto mehr gibt Macron den Weltstaatsmann. Statt immer neue Visionen für die EU zu entwerfen und anderen Staaten Vorschläge zu machen, sollte Herr Macron sich zunächst lieber um Frankreich kümmern“, erklärte AfD-Parteichef Alexander Gauland. Linken-Europachef Gregor Gysi sieht vor allem Macrons Ideen im Bereich Grenzschutz kritisch. „Seine Forderungen sind alles andere als progressiv.“

Auch in Frankreich stoßen seine Vorschläge nicht nur auf Gegenliebe. Die Rechtspartei Rassemblement National von Macrons Dauer-Gegenspielerin Marine Le Pen fordert angesichts der politischen Lage in Frankreich mehr Bescheidenheit von Macron. Er sei letztlich nur ein „armseliger Verteidiger einer schwindenden EU“, heißt es.

Rechtskonservative Politiker in Frankreich werfen dem Präsidenten außerdem vor, in seinem Gastbeitrag Themen wie Migration auszusparen. Linke hingegen sehen einen Widerspruch zwischen seinen Ankündigungen und dem, was er tatsächlich tue. „Emmanuel Macron verspricht ein ehrgeiziges Europa im Bereich des Klimawandels. In Frankreich zieht er sich ständig von unseren Klimazielen und dem Ausstieg aus der Kernenergie zurück“, erklärte Manon Aubry, Spitzenkandidatin der Linkspartei La France Insoumise für die Europawahl.

Bereits im September 2017 hatte Macron mit seiner Sorbonne-Rede zur „Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas“ aufgerufen. Davon ist allerdings nicht viel geblieben - viele Pläne wurden verwässert oder gar nicht erst umgesetzt. Am Tag seines Vorstoßes kann Macron nun aber auch einen Erfolg vorweisen. Denn damals hatte Macron auch die Gründung einer europäischen Geheimdienst-„Akademie“ vorgeschlagen. Auf Initiative Frankreichs kamen am Dienstag nun hochrangige Geheimdienstler aus 30 europäischen Ländern in Paris zusammen, um sich auszutauschen und über gemeinsame Strategien zu beraten.

Der Staatschef will erreichen, dass Geheimdienste mehr in den Blick staatlicher Entscheider in Europa rücken. „Ich bin überzeugt, dass wir in einigen Jahren auf den Tag schauen werden, an dem sich zum ersten Mal Vertreter der europäischen Geheimdienste im selben Raum versammelt haben“, sagte Macron in einer Rede und schlug ähnliche Töne wie in seinem Gastkommentar an. Zum ersten Mal nehme nun eine Reaktion Europas auf Bedrohungen wie Terrorismus oder Cyberattacken Gestalt an, lobte er.

Die „Akademie“ ist zunächst einmal keine EU-Institution, sondern eine Initiative europäischer Staaten. Es geht laut Élyséekreisen zudem nicht darum, gemeinsam Spione auszubilden oder gar einen europäischen Geheimdienst zu gründen, denn die „Dienste“ sind in Europa Sache der Staaten.

Der Herr des Élyséepalastes kämpft in Frankreich seit Monaten gegen schlechte Umfragewerte. Seit Mitte November stemmen sich die „Gelbwesten“ mit Demonstrationen gegen seine Reformpolitik. Auch aus Europa gibt es Gegenwind. Mit der populistischen Regierung in Italien lag Macron jüngst derart im Clinch, dass zeitweise sogar der Botschafter aus Rom zurückgerufen wurde. Auch mit Deutschland läuft nicht alles reibungslos - beim Thema Rüstungsexporte oder bei der russisch-deutschen Erdgasleitung Nord Stream 2 wurden die Differenzen besonders deutlich.

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