George Soros Wie sich Europa retten lässt

Im Rahmen des Brüsseler Wirtschaftsforums hielt der Starinvestor George Soros eine Rede dazu, wie sich Europa retten lässt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Starinvestor George Soros zur Zukunft der EU. Quelle: AP

"Es ist mir eine große Ehre, im Rahmen dieser Zusammenkunft, zu Ehren von Tommaso Padoa Schioppa, vor diesem hochkarätigen Publikum zu sprechen.
An Tommaso zu denken, weckt bittersüße Erinnerungen. Nach seiner Pensionierung wurden wir gute Freunde und arbeiteten eng zusammen. Gemeinsam arbeiteten wir daran, die Europäische Union zu retten, zu einem Zeitpunkt, als erst wenigen Menschen bewusst war, dass sie auf eine existentielle Krise zusteuerte. Ich glaube fest daran, dass er sich zu Tode gearbeitet hat. Ich fühle mich geehrt, ihm diese Worte der Erinnerung zu widmen. Doch lassen Sie mich ihnen zuerst darlegen, wofür ich stehe.

Zur Person


Ich bin ein 86 Jahre alter ungarischer Jude, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs US-Bürger wurde. Bereits als junger Mensch lernte ich, wie wichtig es ist, welche Art von politischem Regime sich durchsetzt. Die prägenden Jahre meines Lebens waren die der nazideutschen Besetzung Ungarns im Jahre 1944. Ich wäre wahrscheinlich umgekommen, hätte mein Vater nicht die Schwere der Lage begriffen. Er organisierte falsche Ausweispapiere für seine Familie und für viele andere Juden; durch seine Hilfe überlebten die meisten von uns.
Im Jahre 1947 floh ich aus Ungarn, das sich damals unter kommunistischer Herrschaft befand, nach England. Als Student der London School of Economics beeinflusste mich der österreichische Philosoph Karl Popper, und so entwickelte ich mein eigenes gedankliches Bezugssystem, das auf den beiden Säulen Fehlbarkeit und Reflexivität steht.

Ich begann, zwei Arten politischer Systeme zu unterscheiden: Eines, in dem das Volk seine Führer wählt, welche mehr den Interessen des Volks dienen sollten als ihren eigenen;und ein zweites, in dem die Machthaber das Volk manipulieren, damit es den Interessen ihrer Herrscher dient. Beeinflusst von Popper nannte ich die erste Gesellschaftsform offen und die zweite geschlossen. Zu George Orwells Zeit beschrieb man die geschlossene Gesellschaftsform am ehesten als totalitären Staat; heute charakterisiert man sie am besten als Mafiastaat, in dem eine demokratische Fassade aufrecht erhalten wird, während die Machthaber die Medien, die Justiz und die übrigen Hebel der Einflussnahme kontrollieren, um sich selbst zu bereichern und an der Macht zu bleiben.
Diese Einteilung ist zu vereinfachend. Dennoch betrachte ich die Unterscheidung dieser beiden Herrschaftsformen als aufschlussreich. Ich wurde zu einem aktiven Förderer von offenen Gesellschaften und zu einem Gegner von totalitären und Mafiastaaten.
Ich bin heute hier, um zu erläutern, woran Tommaso Padoa Schioppa und ich gemeinsam arbeiten würden, würde er noch leben.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%