Neuer Sipri-Bericht „Europa kehrt auf das Niveau des Kalten Kriegs zurück“

Goldener Flieger: Deutschland investiert in Rüstung und fliegt bald F-35 Kampfjets. Quelle: REUTERS

Ein neuer Report zeigt Rekordausgaben bei der weltweiten Aufrüstung. Vor allem Europa und Deutschland verändern sich epochal.

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Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Chinas Drohungen gegen Taiwan, Zeitenwende in Deutschland – noch nie ist weltweit so viel Geld für Aufrüstung ausgegeben worden wie im vergangenen Jahr: 2240 Milliarden US-Dollar, inflationsbereinigt knapp vier Prozent mehr als im Vorjahr, wie der am Montag veröffentlichte Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri zeigt.

Die Rekordsumme zeugt von einer „zunehmend unsicheren Welt“, berichtet Forschungsleiter Nan Tian – die Lage lässt sich auch an Europas Werdegang ablesen, das die Ukraine mit Waffen unterstützt und sich militärisch selbst besser aufstellen will.

„Die Militärausgaben in Mittel- und Westeuropa kehren auf das Niveau des Kalten Kriegs zurück“, heißt es im Sipri-Report. Mit rund 345 Milliarden Euro Gesamtausgaben gaben Staaten hier erstmals wieder mehr Geld für Waffen aus als 1989. Dabei werden die Ausgaben in den Folgejahren noch steigen, weil EU-Mitglieder wie Deutschland gerade erst mit der Planung weiterer Rüstungsinvestitionen beginnen.

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Am vergleichsweise stärksten rüsten Russlands europäische Nachbarn auf. Darunter Finnland, Litauen, Schweden und Polen. „Viele ehemalige Ostblockstaaten haben ihre Militärausgaben seit 2014, dem Jahr, in dem Russland die Krim annektierte, mehr als verdoppelt“, schreiben die Autorinnen und Autoren des Sipri-Instituts.

Auch Deutschland selbst gehört mit seinem neuen 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr sowie eines steigenden Verteidigungshaushalts zu den maßgeblichen Treibern der europäischen Rüstung. Auf dem Einkaufszettel stehen hierzulande unter anderem neue Tarnkappenbomber F-35 aus den Vereinigten Staaten, neue Boxer-Radpanzer (wohl aus Australien), Leopard-2-Kampfpanzer und neue Panzerhaubitzen 2000

Bemerkenswert ist auch die Entwicklung der Rüstungsausgaben von Russland und China. „Xi und Putin wollen Imperien schaffen“, sagte Deutschlands ehemaliger Botschafter in Peking, Volker Stanzel, kürzlich nach einem Treffen der beiden Staatschefs in Moskau. Bestrebungen, die sich auch in den Rüstungsausgaben der Länder abzeichnen.

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Russland und China rüsten ebenfalls auf

Moskau gibt mittlerweile mehr als vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für neue Waffen aus. Die von Russland Ende 2022 veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Ausgaben für die Landesverteidigung nominal 34 Prozent höher waren als in den Haushaltsplänen von 2021. 

„Der Unterschied zwischen den russischen Haushaltsplänen und den tatsächlichen Militärausgaben im Jahr 2022 deutet darauf hin, dass die Invasion in der Ukraine Russland weit mehr gekostet hat, als die Regierung es erwartet hatte“, schreiben die Sipri-Experten.

China weitet derweil seine Manöver vor Taiwan aus. Peking droht mit einem Angriffskrieg gegen den Inselstaat. „Es ist längst nicht mehr die Frage, ob China Taiwan annektieren wird, sondern wann“, warnte Taiwans Botschafter Jhy-Wey Shieh jüngst im Interview mit der WirtschaftsWoche

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Seit bereits 28 Jahren steigen Chinas Militärausgaben kontinuierlich. Mit geschätzt 292 Milliarden Dollar war die Volksrepublik auch 2022 der zweitgrößte Militäreinkäufer der Welt. Auf diese Entwicklung reagieren auch die anderen Länder in der Region. Die Militärausgaben Asiens und Ozeaniens beliefen sich 2022 zusammen auf 575 Milliarden Dollar. Das waren 2,7 Prozent mehr als 2021 und 45 Prozent mehr als 2013. Damit setzte sich ein ununterbrochener Aufwärtstrend fort, der mindestens bis 1989 zurückreicht.

Japans Militärausgaben stiegen zwischen um 5,9 Prozent und erreichten 46,0 Milliarden Dollar. Auch das ist der höchste Stand der japanischen Militärausgaben seit 1960. Eine neue nationale Sicherheitsstrategie der japanischen Regierung enthält weitere ehrgeizige Pläne zum Ausbau militärischer Fähigkeiten in den kommenden zehn Jahren, eine Reaktion auf die wachsenden Bedrohungen durch China, Nordkorea und Russland.

„Japan durchläuft einen tiefgreifenden Wandel in seiner Militärpolitik“, kommentiert Xiao Liang, Forscher im Sipri-Programm für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. Die Beschränkungen, die Japan in der Nachkriegszeit bei seinen Militärausgaben und militärischen Fähigkeiten auferlegt wurden, scheinen sich zu lockern.

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Weltweit führend bei den Militärausgaben bleiben aber die Vereinigten Staaten. Die US-Militärausgaben beliefen sich 2022 auf 877 Milliarden Dollar, was 39 Prozent der gesamten weltweiten Militärausgaben entspricht und noch immer dreimal so viel ist wie die Ausgaben Chinas. Allein knapp 20 Milliarden US-Dollar gingen demnach in Form von Waffenlieferungen an die Ukraine.

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