Wahlen 2017 Europa droht ein düsteres Jahr

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Deutschland (Bundestagswahl im September)

Wie ist die Stimmung?

Die nackten Zahlen sind gut, sehr gut sogar. Pünktlich kurz vor Weihnachten kletterte der ifo-Index, der der Wirtschaft den Puls fühlt, auf den höchsten Stand seit fünf Jahren. Der Staat macht unterm Strich keine Schulden mehr, bald seit einer halben Dekade nicht. Die Arbeitslosigkeit ist so gering wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung. Und die Zahl der Beschäftigten erklimmt währenddessen immer neue Rekordstände.

Dass es dennoch kaum jemanden im Land gibt, egal, ob Bürger, Ökonom oder Politiker, der ungetrübt euphorisch wäre, zeigt: Da gärt etwas. Ist es der Terror, der Deutschland erreicht hat? Sind es generell die Nachwirkungen der Flüchtlingspolitik? Oder zehren Nullzinsfrust und explodierende Mieten an den Mittelschichtsnerven?

Wird der Aufschwung, dessen Fassade so glänzt, eben doch mit Druck und Prekarisierung erkauft? Zur Ehrlichkeit dieser Tage gehört: Niemand hat darauf die eine überzeugende Antwort.

Wer polarisiert am meisten?

Keine zwei Stunden nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember twittert Marcus Pretzell: „Wann schlägt der deutsche Rechtsstaat zurück? Wann hört diese verfluchte Heuchelei endlich auf? Es sind Merkels Tote!“ Pretzell ist der NRW-Chef der AfD und der Ehemann von Partei-Frontfrau Frauke Petry. Es gibt offenbar kein Leid, dass sich nicht politisch instrumentalisieren ließe. Erst recht nicht im heraufziehenden Wahlkampf.

Zumal die Alternative für Deutschland ohne einen dezidierten Spitzenkandidaten ins Rennen gehen wird, sondern mit (zum Teil zutiefst zerstrittenen) Köpfen wie Petry, Alexander Gauland oder Björn Höcke.

Politikern also, die von rechts-bürgerlich bis national-antisemitisch eine ziemlich breite Palette an Botschaften unter das bringen werden, was sie Volk nennen. Auf bis zu 20 Prozent und mehr der Stimmen taxiert die AfD ihr eigenes Potenzial intern, wohlweislich darauf hoffend, dass Wahlforschern nicht immer die volle Wahrheit erzählt wird.

Zumal es keine deutsche Partei gibt, die online eine derart verschworene Gemeinde komplett an den klassischen Medien vorbei bedienen kann. Die dort verbreitete Mixtur aus Biedermeier und Brandstiftung dürfte gerade in der Schlussphase des deutschen Wahlkampfs noch sehr hässlich werden.

Wie geht es wahrscheinlich aus? Und was bedeutet das?

Auch wenn es mit Wahrscheinlichkeiten so eine Sache geworden ist: Aus heutiger Sicht besteht die größte Chance trotz allem für eine vierte Amtszeit von Angela Merkel. Der Wahlabend könnte durchaus eine Lage zutage fördern, in der nur zwei Koalitionen eine Mehrheit hätten: Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün-Gelb. Wie Merkel weiterregiert, hinge dann davon ab, wie gut oder schlecht die SPD abschneidet, ob die Genossen also überhaupt in der Verfassung wären, den eigenen Mitgliedern eine erneute große Koalition verkaufen zu können. Einerseits.

Andererseits müssten sich auch Grüne und Liberale sehr ernsthaft fragen, ob sie nun regieren oder opponieren wollen. Im Falle der Grünen dürfte die Lust am Gestalten überwiegen. Bei den fälligen Sondierungen begänne ein aufreibendes Nervenspiel. Auch darüber, welche politischen Zugeständnisse Merkel von ihrer eigenen Partei noch gestattet werden.

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