Außenhandel Deutsche Medikamente: Unerwarteter Anstieg der Bestellungen aus Russland

Patientinnen und Patienten in Russland haben sich zu Beginn des Ukraine-Kriegs mit deutschen Medikamenten eingedeckt. Quelle: dpa

Wegen der Sanktionen ist die Ausfuhr deutscher Waren nach Russland drastisch eingebrochen. Die große Ausnahme sind Medikamente. Wie kommt es zu diesem Exportwunder?

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Wladimir Putin kokettiert öffentlich damit, Deutschland den Gashahn zuzudrehen. Die Europäische Union schleudert der russischen Aggression in der Ukraine immer neue Sanktionspakete entgegen. Und in den deutsch-russischen Handelsbeziehungen herrscht Eiszeit. Jahrelang florierten die Geschäftsbeziehungen beider Nationen, doch seit Putins Russland die Ukraine überfallen hat, ist alles anders. Die deutschen Exporte nach Russland sind seit Beginn der Invasion im Februar kontinuierlich gesunken. Der Rückgang im Jahresvergleich beträgt mehr als 50 Prozent.

Doch eine Ausnahme existiert: Deutsche Medikamente sind in Russland gefragt – und finden weiterhin einen Weg gen Osten. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass Deutschland im Mai 2022 etwa 48 Prozent dosierte Arzneimittel mehr exportierte als im Mai 2021. Die Einnahmen daraus: etwa 215 Millionen Euro.

Medikamente stehen nicht auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Der Export ist legal. Und in Russland herrscht offenbar großer Bedarf an Medizin aus deutscher Produktion.

Bei einigen Präparaten hat sich der Absatz sogar vervielfacht. Der Export von Insulin für Diabetiker etwa stieg im Jahresvergleich um 281 Prozent. Die Ausfuhr von Mitteln gegen Schuppenflechte und rheumatische Erkrankungen ging sogar um knapp 500 Prozent nach oben. Bei Präparaten zur Empfängnisverhütung und bei menschlichem Blut hat sich der Export jeweils fast verdoppelt.

Russen hätten sich vor allem zu Beginn des Krieges mit Medikamenten eingedeckt, weil sie möglicherweise einen Exportstopp aus Europa gefürchtet hätten, erklärt der Bundesverband Arzneimittel-Hersteller auf Anfrage. „Sowohl Originale als auch ausländische Generika genießen wohl allgemein einen deutlich besseren Ruf bei russischen Patientinnen und Patienten als die lokal hergestellten Präparate.“

Viele deutsche Produzenten von Medikamenten hätten „daher einen unerwarteten Anstieg der Bestellungen aus Russland“ erfahren, nachdem Lagerbestände von Medikamenten in Russland aufgebraucht gewesen seien, heißt es von Seiten des Verbandes.

Deutsche Hersteller halten sich im Gegensatz zu ihrer Lobbyorganisation eher bedeckt, was Exporte von Medikamenten nach Russland angeht. So heißt es beispielsweise von Bayer: „Der Absatz bestimmter Produkte in einzelnen Ländern“ sei unterhalb der „Berichtslinie“ des Unternehmens. Stada teilt mit: Der überwiegende Teil der Produkte werde in russischen Werken in Nischni Nowgorod und Obninsk hergestellt. Zu einzelnen Produkten äußere man sich nicht. Unternehmenszahlen veröffentliche man erst im August, deshalb könne man zurzeit noch nichts sagen, heißt es wiederum von Boehringer Ingelheim.



Wie dem auch sei: Auch der Export von Verbandszeug nach Russland nahm im Zeitraum von Mai 2021 auf Mai 2022 zu. Um 36 Prozent, um genau zu sein. Die Güter kosteten allerdings nur 187.000 Euro. Mit der Menge an Verbandzeug kann man wohl keinen Krieg gewinnen.

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