An diesem Mittwoch treffen sich die Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank Fed, um über den weiteren Kurs der Geldpolitik zu beraten. An den Finanzmärkten rechnen die Anleger mit einer erneuten Anhebung des Leitzinses. Denn die US-Notenbank ist fest entschlossen, die Inflation zu senken. Allerdings weiß niemand, wie stark sie ihren Leitzins anheben muss und wie lange sie ihn dort halten muss, um ihr Ziel zu erreichen. Viele Beobachter fragen sich daher, ob der Straffungskurs der Fed die US-Wirtschaft in die Rezession stürzt.
Tatsächlich ist der leichte Rückgang der Inflation nicht nur auf den Abbau von Engpässen in den Lieferketten, sondern auch auf eine schwächere Nachfrage zurückzuführen.
Die höheren Zinsen haben den Erwerb von Wohneigentum und damit den Wohnungsbau gebremst. Die hohen Preise für Waren und Dienstleistungen belasten die Budgets der Haushalte und dämpfen deren Konsumbereitschaft. Dazu kommt, dass das schwache Wachstum in China die Rohstoffpreise weltweit dämpft.
Dennoch ist die Fed mit der derzeitigen Situation nicht zufrieden. Sie befürchtet, dass die Löhne in Reaktion auf die Inflation noch kräftiger steigen könnten als bisher und die Preise dadurch weiter unter Aufwärtsdruck geraten. Und zwar so lange, bis sich auf Amerikas überhitztem Arbeitsmarkt eine Flaute einstellt. Eine Zinspause, so fürchtet die Fed, könnte eine Börsenhausse auslösen und dadurch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anheizen. Die Notenbanker müssten in diesem Fall gegensteuern und die Zinsen weiter anheben und länger hochhalten. Das aber wäre schlecht für die Wirtschaft und schlecht für den Ruf der Fed.
Entscheidend ist der Arbeitsmarkt
Zudem ist denkbar, dass eine Flaute auf dem Arbeitsmarkt nicht zu mehr Arbeitslosen führt, sondern lediglich die Anzahl der offenen Stellen verringert. Doch selbst wenn die Arbeitslosigkeit geringfügig zulegt, ließe sich die Fed davon wohl nicht abschrecken. Sie glaubt, dass sich die Wirtschaft leicht durch Zinssenkungen wieder ankurbeln lässt, sollte die Wachstumsdynamik allzu sehr nachlassen. In der Fed herrscht daher Einigkeit, die Geldpolitik lieber zu stark zu straffen, da ein Abschwung durch Zinssenkungen abgemildert werden kann. An den Finanzmärkten wird bereits darauf spekuliert, dass die Fed die Zinsen noch in diesem Jahr wieder senkt.
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Was könnte gegen diese Entwicklung sprechen? Betrachten wir zwei alternative Szenarien. Erstens könnte die Fed die Wirtschaft in eine Rezession treiben, aber die Inflation könnte sich immer noch hartnäckig über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed einpendeln. Eine solche Stagflation würde – ähnlich wie in den 1970er-Jahren, als sich die Inflationserwartungen auf einem höheren Niveau verfestigten – die Fed zu weiteren Zinserhöhungen zwingen, während die Wirtschaft gleichzeitig schrumpft. Der Eifer der Fed bei der Inflationsbekämpfung sowie ihre Fähigkeit, politischem Druck standzuhalten, stünden vor einer harten Probe.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Inflation zurückgeht und die Wirtschaft stark schrumpft. Das hätte Folgen für den Arbeitsmarkt. Kleine und mittlere Unternehmen halten bisher an ihren Mitarbeitern fest, selbst wenn große Unternehmen Entlassungen ankündigen. Denn sie wissen, wie schwierig es ist, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Einige Unternehmen stellen sogar noch ein, weil die Aussicht lockt, höherqualifizierte Arbeitskräfte zu attrahieren, die von den großen Unternehmen freigesetzt werden.
Wenn es auf dem Arbeitsmarkt jedoch zu einer länger anhaltenden Flaute kommt, könnten die kleineren Unternehmen zu der Überzeugung gelangen, dass auch in Zukunft hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. In diesem Fall könnten auch sie einen Einstellungsstopp verhängen und sich von Arbeitnehmern trennen. Aus einem Rinnsal von Entlassungen würde ein reißender Strom.
Schneller schlau: Rezession
Der Begriff Rezession bedeutet Rückgang und stammt aus dem Lateinischen. Es handelt sich um eine Rezession, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft – sich also in einem Abschwung beziehungsweise Rückgang befindet. Für die Bemessung der Konjunktur dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Offiziell tritt eine sogenannte technische Rezession ein, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen nicht wächst, sondern zurückgeht.
Die Rezession ist eine der vier Phasen, die der Konjunkturzyklus einer Volkswirtschaft durchlaufen kann. Sie folgt auf die Phase der Hochkonjunktur und kann im schlimmsten Fall in eine Depression übergehen. Auf eine Depression folgt dann früher oder später ein Aufschwung.
Eine Rezession zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus. Dazu gehören unter anderem:
- Rückgang der Nachfrage
- überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- Entlassung von Arbeitskräften
- ausbleibende Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Zu den Ursachen einer Rezession gehören unterschiedliche Punkte, die sich nur schwerlich verallgemeinern lassen. Aktuell wirkt sich etwa der Krieg in der Ukraine erheblich auf die Konjunktur in Europa und den USA aus.
In einer Rezession halten Unternehmen und private Haushalte ihr Geld in der Regel beisammen. Zu den Folgen einer Rezession zählen steigende Arbeitslosenzahlen, außerdem arbeiten mehr Menschen in Kurzarbeit. Beides führt zu geringerer Nachfrage. Denn wenn die Bürger weniger Geld verdienen, konsumieren sie auch weniger. Dies ist wiederum schlecht für Unternehmen, die dadurch weniger verkaufen und auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Die fehlenden Einnahmen können zu weiteren Entlassungen führen, sodass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Auch Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, stehen in einer Rezession vor Problemen. Denn wer sich um eine neue Stelle bewirbt, dürfte während einer Rezession Schwierigkeiten haben eine entsprechende Stelle zu finden – denn geht es Unternehmen wirtschaftlich schlechter, stoppen sie Neueinstellungen.
Durch eine steigende Inflation sinkt die Kaufkraft der Menschen. Durch eine sinkende Kaufkraft sinkt wiederum die Konsumbereitschaft der Menschen, da sie ihr Geld beisammen halten, statt es für Waren und Güter auszugeben.
Immobilienmarkt unter Druck
Das hätte Konsequenzen für den Rest der US-Wirtschaft. Etwa den Immobilienmarkt. Die Verkäufe von Eigenheimen haben sich bereits erheblich verlangsamt, auch wenn sich die Hauspreise grosso modo gehalten haben, weil nicht allzu viel Angebot auf den Markt gekommen ist. Da die Hypothekenzinsen im vergangenen Jahr stark gestiegen sind, muss eine Hausbesitzerin mit einer 30-jährigen Hypothek zu vier Prozent Zinsen deutlich höhere monatliche Annuitäten zahlen, wenn sie etwa in ein besseres Haus mit einer neuen Hypothek zu sieben Prozent umzieht. Weil sie sich dies nicht leisten kann, verkauft sie nicht. Und weil dadurch das Angebot an Häusern auf dem Markt gebremst wird, gibt es kaum Druck auf die Preise.
Anders sieht die Sache jedoch aus, sollte es zu Entlassungen kommen. Dann werden viele Hausbesitzer nicht einmal mehr in der Lage sein, ihre Hypothekenzahlungen von vier Prozent zu leisten, Notverkäufe werden das Angebot steigen lassen, die Immobilienpreise werden einbrechen. Die Kombination aus Arbeitsplatzunsicherheit und schrumpfendem Immobilienvermögen dürfte dann das Vertrauen der Verbraucher erschüttern und das Wachstum der Wirtschaft bremsen.
Ein weiterer Dominostein, der die Konjunktur ins Wanken bringen könnte, sind die Unternehmensinsolvenzen. Wir haben gerade eine dreijährige Periode hinter uns, in der die Unternehmensinsolvenzen zurückgingen, was nicht zuletzt auf die pandemiebedingte steuerliche Unterstützung zurückzuführen ist. Zudem haben viele Firmen in den ersten Monaten der Pandemie ihre Kredite refinanziert und dabei die Fälligkeiten ihrer Schulden verlängert.
Die schwächsten Firmen hatten damals jedoch nur begrenzten Spielraum für eine solche Refinanzierung. Wären sei gezwungen, ihre Kredite demnächst in einem Umfeld zunehmender wirtschaftlicher Eintrübung umzuschulden, wären viele von ihnen wohl überfordert. Sie müssten Insolvenz anmelden. Die Gläubiger der Unternehmen, unter ihnen die Banken, gerieten unter Druck. Es könnte der Startschuss für eine steile wirtschaftliche Talfahrt sein. Denn ein Blick in die Geschichte zeigt: Gerät der Finanzsektor in Schwierigkeiten, ist eine wirtschaftliche Katastrophe nicht mehr auszuschließen.
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