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Greenpeace-Aktivisten projizieren #KeinGeldfuerGestern auf den Reichstag. Quelle: dpa

Konjunkturpakete und Klimaschutz gehören nicht vermengt

Die staatlichen Milliarden zur Stützung der Wirtschaft wecken Begehrlichkeiten bei allen, die Klimaschutz durch staatliche Investition vorantreiben wollen. Wann, wenn nicht jetzt, so ihre Devise. Doch das birgt Gefahren.

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Die Forderung zieht sich von den Fridays-for-Future-Aktivisten über deutsche Regierungsmitglieder bis zur EU-Kommission: Der Wiederaufbau der Wirtschaft nach dem Corona-Absturz soll genutzt werden, um sie grün oder klimafreundlich umzubauen. Die Konjunktur solle etwa mit Infrastrukturausgaben für den Klimaschutz gestützt werden. Doch: Wer versucht, die beiden wichtigen politischen Ziele Konjunkturbelebung und Klimaschutz mit demselben Instrument zu erreichen, wird jeweils suboptimale Ergebnisse erzielen.

Schon die Fristigkeiten beider Ziele sind nicht vereinbar: Während ein Konjunkturschub kurzfristig starten und für einen begrenzten Zeitraum wirken soll, um die Wirtschaft aus dem Tief zu hieven, soll Klimaschutzpolitik mittel- und langfristig Wirkung entfalten. Für kurzfristige Konjunkturpolitik sollten staatliche Gelder nach dem Prinzip der drei T eingesetzt werden: Timely, Targeted, Temporary. Ihre Aufgabe ist es, die in der Krise unterausgelastete Wirtschaft so schnell wie möglich zu ihrem Produktionspotential zurückzuführen. Klimapolitik hat zum Ziel, das Produktionspotential zu transformieren, also Wirtschaftsstrukturen zu verändern. Dafür ist eine langfristig ausgerichtete Strukturpolitik erforderlich. Leisten wir uns jetzt lange Diskussionen und Verhandlungen über ein Klimaschutz-Konjunkturprogramm, drohen wir den optimalen Zeitpunkt für einen staatlichen Konjunkturimpuls zu verpassen.

Bauwirtschaft braucht kein Konjunkturpaket

Auch das „Targeted“ unter den drei T würde eine Klima-Konjunktur-Mixtur ignorieren. Will man staatliche konjunkturelle Impulse setzen, müssen sie in jenen Branchen greifen, wo die Betroffenheit durch die Coronakrise am größten ist. Infrastrukturprogramme würden aber gerade Branchen zugutekommen, die durch die Pandemie am wenigsten betroffen sind, wie zum Beispiel die Bauwirtschaft oder Anbietern digitaler Infrastruktur. Wer das Konjunkturprogramm nutzen will, um neue Radwege zu bauen oder kommunale Gebäude energetisch zu sanieren, macht genau diesen Fehler.

Muss man den Klimaschutz jetzt ignorieren, bis die Coronakrise durchgestanden ist, wie es manche fordern? Keinesfalls. Schritte zur Konjunkturförderung sollten darauf abgeklopft werden, ob sie dem Klimaschutz zuwider laufen. Die diskutierte Autokaufprämie ist ein gutes Beispiel dafür. Abgesehen davon, dass sie ökonomisch wenig Sinn ergibt, bietet sie auch ökologisch keinen Hebel: Die vorzeitige Verschrottung funktionsfähiger Autos ist wenig nachhaltig. Und je breiter die Prämie die Produktpalette der Hersteller erfasst, desto geringer fällt die potenzielle CO2-Einsparung aus, die eine Erneuerung der Flotte brächte.

CO2-Preis funktioniert auch in Krisen

Für die Klimapolitik gilt: Was vor der Krise richtig war, bleibt auch in und nach der Krise richtig. Dazu gehört, dass effektiver Klimaschutz am besten über einen Preis auf CO2-Emissionen erreichbar ist. Insofern ist es ermutigend, dass der Merkel-Macron-Plan zur Krisenbewältigung auch noch einmal das Ziel eines Emissionszertifikate-Handels nennt, der übergreifend alle Wirtschaftssektoren erfasst. Kritiker des Emissionshandels haben moniert, dass der CO2-Preis im bestehenden europäischen Emissionshandelssystem zu Beginn der Coronakrise abgestürzt ist, die Pandemie mithin klimaschädliches Wirtschaften verbilligt habe. Doch das zeigt gerade die Wirksamkeit dieses Instruments: Mit den Einschränkungen der öffentlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten gehen die CO2-Emissionen zunächst einmal zurück, und das schlägt sich im Preis nieder. Genauso steigt der Preis wieder, wenn die ökonomische Aktivität anzieht. Der Preis gewährleistet also nicht nur die Erreichung der Emissionsziele, sondern wirkt durch die Reaktion der Zertifikatpreise auch antizyklisch zur Konjunktur und damit stabilisierend. Zuletzt lag der Preis am Handelsplatz EEX (Spotmarkt) bereits wieder bei rund 21 Euro nach einem Tief bei rund 15 Euro zu Beginn der Krise.

Kurzfristig sollte die CO2-Bepreisung in eine grundlegende Reform der Energiesteuern in Deutschland eingebettet werden. Dazu gehören vor allem die Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Minimum und ein perspektivischer Ausstieg aus der EEG-Umlage, die durch Finanzierung aus dem Bundeshaushalt ersetzt werden sollte. Damit werden die Preissignale für den ökologischen Umbau verstärkt und gleichzeitig die Haushalte und Unternehmen entlastet. Neben den richtigen Preissignalen wäre eine ambitionierte, technologieneutrale Förderung der Forschung und Entwicklung im Energiesektor sinnvoll. Diese macht es der Wirtschaft leichter, die notwendigen Emissionsreduktionen mit minimalen Kosten zu erreichen. Konkret scheint insbesondere die Förderung von großen Experimentieranlagen etwa zur Wasserstofferzeugung sinnvoll – auch im Ausland, zum Beispiel in Afrika.

Sofern der Umbau der Energiesteuern und -umlagen und die Technologieförderung kurzfristig nicht durch zusätzliche Einnahmen finanziert sind, bedeutet ihre Umsetzung eine willkommene Stimulierung der Konjunktur. Doch das kann nur ein Nebeneffekt sein. Gleiches gilt für staatliche Investitionen, die für Emissionssenkungen im Verkehrssektor zusätzlich zu einer CO2-Bepreisung notwendig sind: Ausbau von ÖPNV und Schienenverkehr sowie eine rad- und fußgängerfreundliche Stadtplanung. Die Dosierung dieser Instrumente sollte sich an klimapolitischen Notwendigkeiten orientieren und nicht Konjunkturförderung zum Ziel haben.

Die Politik hat mit der Rahmensetzung für den Klimaschutz und der Bewältigung der Coronakrise zwei überragend wichtige Aufgaben. Mit der Vermischung beider Ziele wird sie aber keiner der beiden Aufgaben ausreichend gerecht.

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