Abo-Modelle bei Twitter, Facebook und Co. Sind die Zeiten des Gratis-Internets vorbei?

Immer mehr Online-Dienste führen ein Abo-Modell ein. Quelle: PR, Getty Images [Montage]

Twitter, Facebook, Snapchat und OpenAI – etliche Internetdienste erwägen Gebühren oder haben sie sogar schon eingeführt. Können diese Premiumdienste das Geschäftsmodell Werbung ersetzen?

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Es sieht so aus, als ob die Zeiten des „Gratis-Internets“ sich dem Ende zuneigen. Auf den ersten Blick zumindest. Man könnte das Elon Musk in die Schuhe schieben. Der zu jenem Zeitpunkt reichste Mann der Welt und seine Berater waren erschrocken, als sie im vergangenen Oktober tiefer in die Bücher des Kurznachrichtendienstes Twitter schauten, den Musk überhastet und ohne Prüfung für 44 Milliarden Dollar erworben hatte. Wenige Tage nachdem Musk im Twitter Hauptquartier in San Francisco einzog, befahl er seinen neuen Untergebenen, so schnell wie möglich neue Einnahmequellen jenseits der Werbung zu erschließen. In diesem Fall: die Verifikation der Twitter-Nutzer in einen Bezahldienst umzuwandeln. Dafür wurde Musk kritisiert, verlacht, es wurde ihm Harakiri unterstellt.

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von Theresa Rauffmann

Wertschätzung in Form von Reichweite

Tatsächlich scheint er einen Trend losgetreten zu haben. Internet-Mogul Mark Zuckerberg testet nun – zunächst im fernen Australien und Neuseeland – einen Abo-Service für Facebook und für Instagram. Wer mindestens 11,99 Dollar im Monat berappt, wird nicht nur offiziell verifiziert, sondern bekommt auch mehr Wertschätzung in Form von höherer Reichweite. Noch ist es nur ein Versuchsballon.

Die Empörung ist ähnlich groß wie bei Twitter. Das Beratungsunternehmen Forrester Research hat versucht, sie zu quantifizieren. Es befragte 655 Online-Nutzer in den USA, Großbritannien und Kanada, ob sie für den Meta-Verifikationsservice 11,99 Dollar bezahlen würden, wenn er in ihrem Land verfügbar wird. Die klare Antwort: 82 Prozent sagen Nein. 9 Prozent sind unentschieden. Immerhin 9 Prozent allerdings können sich vorstellen, zu bezahlen. Was erstaunlich ist.

Allein Facebook hat derzeit knapp drei Milliarden Nutzer weltweit. Würden neun Prozent, also 270 Millionen von ihnen, ein Abo zu 11,99 Dollar pro Monat abschließen, schwemmte das jeden Monat 3,2 Milliarden Dollar in die Kassen des Zuckerberg-Imperiums, jährlich 38 Milliarden Dollar. Das ist natürlich utopisch, zumal solche Abopreise in Schwellenländern niemals erzielbar wären. Die Analysten der Bank of America gehen weit konservativer heran. Sie schätzen, dass Facebook damit im nächsten Jahr 1,7 Milliarden Dollar einnehmen könnte.

Das ist zwar verschwindend gering gegenüber den 116 Milliarden Dollar, die Meta im vergangenen Jahr umsetzte. Aber auch nicht zu verachten. Bei Twitter ist das schon schwieriger. Die Zahl der Abonnenten für das Twitter Blue Abo wird auf derzeit 300.000 geschätzt. Wenn diese acht Dollar berappen, kommen monatlich 2,4 Millionen Dollar zusammen, beziehungsweise 28,8 Millionen Dollar im Jahr. Twitters Gesamtumsatz im Jahr 2022 durch Anzeigen wird auf 4,4 Milliarden Dollar geschätzt.

Nur ein Bruchteil macht mit

Das zeigt schon, dass diese Abo-Dienste nur ein Zubrot sein und Werbeeinnahmen als Haupteinnahmequelle nicht aus den Angeln gehoben werden. Denn tatsächlich gibt es dieses Abo-Modell schon lange, als sogenanntes Freemium bezeichnet. Die Idee ist, dass man Bezahldienste aufsetzen kann, wenn man genügend Nutzer gewonnen hat, einen Bruchteil von ihnen wird man schon überzeugen können. Tatsächlich offerieren soziale Netzwerk das schon lange. Linkedin verlangt für seinen Premium-Service mindestens 30 Dollar monatlich und steigert ihn bis zu 180 Dollar. Nahezu unbemerkt hat Snapchat im Sommer einen Premiumservice für 3,99 Dollar Monatsgebühr eingeführt. Laut Mutterkonzern Snap hat er derzeit über zwei Millionen Nutzer, was fast 100 Millionen Dollar Jahreseinnahmen bedeuten würde. Nicht schlecht, aber auch in diesem Fall nur ein Bruchteil des Gesamtumsatzes von zuletzt 4,6 Milliarden Dollar.

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Werbeeinnahmen als Hauptumsatzquelle können sie also keine Konkurrenz machen. Mitchell Baker, die Chefin der Mozilla Foundation, die hinter dem Firefox-Browser steht, erwartet auch nicht, dass Bezahlmodelle das Geschäftsmodell Werbung ersetzen. „Das Gros der Menschheit ist nicht dazu in der Lage“, sagt sie. „Ein solches Bezahlmodell erschwert den Zugang zu Dienstleistungen im Internet.“

Aber: „Die Abogebühren helfen Twitter und Facebook, Verluste im Anzeigengeschäft wettzumachen“, sagt Karsten Weide, Chefanalyst bei W Media Research in San Francisco. Zumindest teilweise: Meta schätzt, dass es im vergangenen Jahr zehn Milliarden Dollar verloren hat, weil Apple es App-Anbietern erschwert hat, Daten über ihre Nutzer zu sammeln.  Mike Proulx, Forschungsdirektor bei Forrester Research erwartet, dass Premiumdienste die „Normalität bei etablierten sozialen Netzwerken werden.“  Er vergleicht das mit Marken, die zunächst kostenlos eine Fan-Page auf Facebook betreiben durften. Bis Zuckerberg dafür Geld verlangte. „Nun trifft das auch Nutzer.“

Praktische Nebeneffekte

Viele Medienunternehmen sind mittlerweile zu Bezahlmodellen übergegangen. OpenAI, Schöpfer von ChatGPT, erwägt für eine Premiumversion seines Textgenerators eine Gebühr von 20 Dollar pro Monat. Die Nutzung des Internets wird also teurer für jene, die es intensiver nutzen möchten. Und so wird sich auch der Wettbewerb um diese Nutzer intensivieren. Denn die meisten Nutzer haben nur ein beschränktes Budget, hinzu kommen noch die Kosten für den Internet-Zugang, Smartphone sowie Streamingdienste wie Netflix, Spotify oder Apple Music.

Weide weist noch auf einen praktischen Nebeneffekt der Abo-Modelle hin. Er vermutet, dass US-Internet-Dienste sich so auf den Tag vorbereiten, an dem ihre Haftbarkeit für Internet-Inhalte verschärft wird. Derzeit sind sie durch den sogenannten Paragraf 230 abgeschirmt, nachdem sie als bloße Betreiber der Plattformen nicht für Inhalte verantwortlich gemacht werden können.

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Doch vor dem US-Verfassungsgerichtshof wird gerade verhandelt, ob das so bleiben sollte. Geklagt hatten die Eltern einer 23-jährigen Studentin, die im Dezember 2015 bei den ISIS-Terroranschlägen in Paris ermordet wurde. Sie argumentieren, dass Propaganda auf Googles YouTube-Plattform die Mörder ihrer Tochter angestachelt habe. Selbst wenn der US-Verfassungsgerichtshof die Haftung von Google verneint, bleiben immer noch die Drohungen von US-Politikern, diese Ausnahmeregel zu verschärfen. Bei einem Verifikationsservice könnten die Betreiber die Verantwortung an die Verfasser weitergeben.

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