Kommunikation Der ewige Kampf gegen die Kakerlake E-Mail

Digitale Plage: E-Mails nerven, sind aber trotzdem nicht auszurotten - ähnlich wie Kakerlaken Quelle: Getty Images

Fast zwei Stunden täglich verbringen Arbeitnehmer mit Mails. Anbieter wie Slack oder Astro versprechen Besserung. Aber die E-Mail ist zäh.

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Wie jeden Morgen ist Cal Henderson auch an diesem Frühlingstag zügig von seiner Wohnung in San Francisco zu seinem Büro in der Innenstadt marschiert. An seinem Schreibtisch, im fünften Stock des Bürogebäudes, hat er seine Kopfhörer abgestreift. Der gebürtige Brite, 37, bärtig, gewinnendes Lachen, hört auf seinem dreiviertelstündigen Marsch zur Arbeit Audiobooks – in dreifacher Geschwindigkeit. „Normal ist mir zu langsam“, sagt er.

Henderson braucht eine Menge Energie. Denn das, was er sich vorgenommen hat, ist eine Herkulesaufgabe, an der sich viele andere bereits vergeblich versucht haben. „Wir wollen die E-Mail, so weit es geht, abschaffen. Sie ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt er. Dazu hat der Mann, als ehemaliger Chefentwickler des Fotodienstes Flickr eine kleine Legende unter den Programmierern im Silicon Valley, gemeinsam mit drei anderen im Jahr 2009 Slack gegründet. Der Name steht für „Searchable Log of all Conversation und Knowledge“ – eine Art zentrales Logbuch also für den Austausch von Wissen, das stets präsent, zugänglich und auffindbar ist.

Slack ist derzeit eines der heißesten Start-ups der amerikanischen Westküste: Im Herbst steckten ein Fonds des japanischen Beteiligungskonzerns Softbank sowie der frühe Facebook-Wagnisfinanzierer Accel Partners 250 Millionen Dollar in das Unternehmen – und hievten die Bewertung des Start-ups auf die stattliche Höhe von 5,1 Milliarden Dollar. Noch vor fünf Jahren bestand das Team von Henderson aus gerade einmal acht Programmierern, die sich um einen einzigen Kunden kümmerten: den winzigen Onlinemusikdienst Rdio. Nun sind es weltweit 1000 Mitarbeiter – und mehr als sechs Millionen Menschen in rund 50 000 Unternehmen nutzen den Dienst täglich, darunter Konzerne wie Oracle, Ebay, IBM, SAP, Adobe und Walmart oder Start-ups wie Airbnb und HelloFresh.

Nimmermüde Ablenkungsmaschinerie

Das rasante Wachstum zeigt: Slack trifft einen Nerv. Jeden Tag aufs Neue prasseln E-Mails auf die Arbeitnehmer in Büros ein, als seien sie Teil einer nimmermüden Ablenkungsmaschinerie. Hier erkundigt sich die Kollegin nach einen Projekt, bling, da fragt der Kunde nach einem ganz anderen. Bling, schon erscheint die nächste Mail, vom Chef und leider völlig unklar formuliert. Bling, wann gehen wir Mittagessen? Jede neue Nachricht zwingt zum Gedankensprung. Und nach jeder noch so höflichen Floskel hallt die Ungeduld.

Monatlich erhält ein deutscher Büroangestellter laut einer GfK-Umfrage rund 600 E-Mails. Mit jeder Nachricht ist er im Schnitt drei Minuten lang beschäftigt – macht etwa eineinhalb Stunden täglich für die Pflege des digitalen Postfachs. So manch einer hat da schon aufgegeben: Jeder vierte Deutsche, so eine Umfrage des Softwareherstellers Adobe, sagt, es sei unmöglich, ein völlig leeres Postfach hinzubekommen – und jeder Siebte bewertet das Streben danach gar als „Zwangsstörung“.

Um all diese Nöte wissen sie bei Slack. Ihre Lösung ist eine webbasierte Kommunikationszentrale, in der alle Nachrichten zusammenfließen. Geordnet nach Themen, Aufgaben oder Teams. Diese Kanäle können alle berechtigten Personen anlegen, abonnieren, kommentieren und durchsuchen – anstatt etwa ellenlange Ketten-E-Mails herumzuschicken, bei denen am Ende niemand mehr den Überblick hat.

Slack ordnet ungelesene Nachrichten nach Dringlichkeit oder hebt Themen hervor, die die Nutzer gerade besonders intensiv diskutieren. Der Dienst will die Informationsflut kanalisieren. Eindämmen will er sie nicht. Ganz im Gegenteil: Der typische Slack-Nutzer verschickt 70 Nachrichten am Tag.

Slack ist nicht der einzige Anbieter, der eine Alternative zur E-Mail verspricht: Microsoft preist seinen Gruppenchat Teams; Google wirbt mit Hangouts Chat oder Facebook mit Workplace für Dienste, die schaffen sollen, was im E-Mail-Postfach verloren gegangen ist: Orientierung.

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