Manager kündigen, Musk warnt vor Pleite Jetzt hat Twitter seine gesamte ehemalige Führungsspitze verloren

Musk ist drohende Pleiten bereits gewohnt. Quelle: REUTERS

Wichtige Twitter-Manager suchen das Weite. Inzwischen warnt Eigentümer Elon Musk, dass der Kurznachrichtendienst bankrott gehen könnte – leere Drohung oder reale Gefahr?

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Es war eine neue Bombe, die am Donnerstag bei Twitter einschlug. Yoel Roth, der Chef für Moderation und Sicherheit bei Twitter, hat seinen Job an den Nagel gehängt. Überraschend, denn Roth war in stürmischen Tagen seit der Übernahme des Kurznachrichtendienstes durch Elon Musk so etwas wie ein Fels in der Brandung. Geduldig erklärte der Politologe und Kommunikationswissenschaftler nicht nur, wie man weiter gegen Trolls, Hetze und Falschnachrichten kämpfe, sondern auch die vielen Neuerungen beim Abo-Dienst Twitter Blue – so eloquent, dass es selbst Musk beeindruckte.

Roth, der seine Karriere als Spezialist für Macs bei Apple begann, war im Juli 2015 als Manager für Datenschutz zu Twitter gestoßen. In der Branche genießt er hohes Ansehen. Am Donnerstag hatte er anscheinend die Nase von den ständigen Änderungen seines neuen Chefs voll: Der hatte zuvor noch ein extra Symbol zum Erkennen von Institutionen eingeführt – einen grauen Haken – nur um ihn kurz danach wieder zu kippen. „Twitter wird eine Menge dumme Sachen in den nächsten Monaten machen“, erklärte Musk lakonisch.

Ein weiterer Grund für Roths Rückzug könnte sein, dass die Zwischenwahlen für den US-Kongress, bei denen der Informationsaustausch auf Twitter eine wichtige Rolle spielte, bis auf wenige Auszählungen vorbei sind, und Roth dies noch abwarten wollte.



Klar ist: Innerhalb von zwei Wochen hat Twitter nun seine gesamte ehemalige Führungsspitze verloren, inklusive Verkaufschefin Sarah Personette. Auch in der zweiten Führungsebene herrscht zunehmend Kahlschlag, die Chefin für Informationssicherheit ist gegangen und der Verantwortliche für Datenschutz hat Twitter verlassen. Musk führt das Unternehmen höchstpersönlich mit ein paar Freunden, darunter die Tech-Investoren David Sacks und Jason Calacanis. Programmierer aus Teslas Fahrassistenzsparte leiten derweil die Entwickler von Twitter an.

Das Ausleihen von Tesla-Personal an Twitter sorgt bereits für Unruhe bei den Aktionären des Autoherstellers. Seit Jahresbeginn hat die Tesla-Aktie in einem allgemeinen Rutsch der Tech-Aktien rund 45 Prozent nachgegeben. Was auch daran liegt, dass Musk Tesla-Aktien in Milliardenhöhe verkauft hat, anscheinend um Twitters Geschäft über Wasser zu halten. Das Unternehmen verliert laut Musk jeden Tag vier Millionen Dollar. Am Donnerstag soll er laut der „New York Times“ bei einem Meeting mit Twitter-Mitarbeitern gesagt haben, dass er Tesla-Aktien verkaufe, „um Twitter zu retten.“ Am Donnerstag erholte sich die Tesla-Aktie etwas, weil Investoren wegen besserer Inflationszahlen wieder etwas Hoffnung schöpften.

Für das Geschäft von Twitter ist der Abgang einer ausgleichenden Stimme wie Roth pures Gift. Musk muss den Exodus von Werbekunden dringend aufhalten. Die achten nun noch stärker darauf, dass ihre Marke in dem sich zuspitzenden Umfeld auf Twitter nicht zwischen die Fronten gerät und Schaden nimmt. Anzeigenkunden wie Volkswagen und General Motors, die auch mit Tesla konkurrieren, haben ihre Werbung auf dem Kurznachrichtendienst vorerst ausgesetzt. Aber auch Großkunden wie United Airlines, Pfizer und Mondelez traten auf die Bremse.

Roth, dessen Team bei den jüngsten Massenentlassungen nur um 15 Prozent und nicht um 50 Prozent gekürzt wurde, war einer derer, die Werbekunden noch beruhigen konnten.

Auch die US-Wettbewerbsbehörde FTC teilte inzwischen mit, „tief besorgt“ über die Entwicklungen bei Twitter zu sein. Weil das Unternehmen in der Vergangenheit wiederholt gegen Datenschutzbestimmungen und Sicherheitsauflagen verstieß, war ein spezielles Komitee eingerichtet worden, das an die FTC berichten musste. Doch einige Twitter-Mitarbeiter, die dafür verantwortlich waren, sind nun auch nicht mehr an Bord. Wenn das Gremium nicht mehr funktioniert – was Musk verneint – könnte Twitter mit empfindlichen Strafen belegt werden.

Am Mittwoch hatte US-Präsident Joe Biden vor der Presse erklärt, dass „die Zusammenarbeit und die Beziehungen von Elon Musk mit anderen Ländern es wert sind, untersucht zu werden.“ Zwar versicherte Biden, dass er damit nicht ausdrücken wolle, „dass Musk etwas Unangemessenes tut“. Aber es würde sich „lohnen, das zu prüfen“. Konservative Kreise verstehen das als Warnung an Musk, der bei den Zwischenwahlen auf Twitter aufgerufen hatte, Republikaner zu wählen, um die Macht in Washington auszubalancieren.

Musk hatte am Mittwoch in seiner ersten E-Mail an die verbleibenden Twitter-Mitarbeiter diese auf harte Zeiten eingestimmt, vor allem weil „Twitter so abhängig von Werbung ist.“ Deshalb treibe er den Abo-Dienst, für den Kunden acht Dollar monatlich berappen sollen, so vehement voran. „Wir müssen erreichen, dass ungefähr die Hälfte unserer Einnahmen aus Abos stammt.“ Ohne signifikante Abo-Einnahmen, warnt Musk, „wird Twitter den kommenden wirtschaftlichen Abschwung wahrscheinlich nicht überleben.“

Musk ist drohende Pleiten gewohnt. Bei Tesla ist er bereits er mehrfach knapp daran vorbeigeschrammt – fand aber immer wieder Verbündete, die aushalfen. Etwa Daimler oder Toyota, die bei Tesla einstiegen. Später nutzte er Pleiteszenarien, um seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen anzuspornen. Durch Tesla und SpaceX ist Musk jedoch reich genug, um selbst bei einem Insolvenzverfahren die Kontrolle über Twitter zu behalten.

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Musks Herausforderung ist, dass er die Änderungen im Geschäftsmodell von Twitter zu einer Zeit durchführen muss, zu der Werbekunden gerade generell ihre Budgets kürzen. Am Mittwoch hatte Meta, Betreiber der sozialen Netzwerke Facebook und Instagram sowie des Kommunikationsdienstes WhatsApp deswegen Massenentlassungen verkündet. Doch Meta hat im dritten Quartal immer noch 4,4 Milliarden Dollar verdient, während Twitter rote Zahlen blutet.

Hinzu kommt noch, dass bislang niemand erfolgreich ein soziales Netzwerk von einem „Gratis-Dienst“, bei dem Kunden mit ihren Daten zahlen, zu einem Abo-Dienst umgestellt hat. Wenn Musk konsequent wäre, müsste er dann auch Werbung verbannen. Aber das kann er vorerst nicht. Für Werbekunden ist die Botschaft, dass ihre Anzeigen ein notwendiges Übel sind, jedoch auch nicht gerade ein Ansporn, um Twitter die Treue zu halten.

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