Raumfahrt: „Wegwerf-Raketen sind nicht mehr wettbewerbsfähig“

Der Super Heavy Booster des Starships von SpaceX bei einem Testdurchlauf.
Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, dass Hans-Jörg Königsmann am Randes eines Raketenstarts in der US-amerikanischen Mojave-Wüste auf Elon Musk traf. Kurze Zeit später gründete Musk SpaceX, holte den deutschen Ingenieur als einen der ersten Mitarbeiter in sein Team und revolutionierte die Raumfahrt, indem er wiederverwendbare Raketen entwickelte.
Zunächst wurde die Arbeit von Musk, Königsmann und ihren Kolleginnen und Kollegen belächelt. Seine Rolle als Underdog empfand Königsmann damals trotzdem als angenehm. „Sonst bekommt man zu viel Aufmerksamkeit und zu viel Gegenwind“, erzählt er im Podcast „Chefgespräch“.
Inzwischen ist SpaceX der wichtigste Raumfahrtpartner für die US-Weltraumorganisation Nasa, die lange gerade in Europa herrschenden Zweifel an der Wiederverwendbarkeit von Raketen sind überwunden. Königsmann, fast 20 Jahre lang Top-Manager bei SpaceX, dankte im Jahr 2021 dort ab.
Nun ist der deutsche Raumfahrtingenieur wieder stärker im Heimatland aktiv – im Aufsichtsrat des Bremer Raumfahrtkonzerns OHB und des Münchener Raumfahrt-Start-ups Mynaric. Wenn jemand in Deutschland weiß, wie man mit bahnbrechenden Ideen in der Raumfahrt Erfolg haben kann, dann ist es Königsmann.
„Wegwerfraketen Raketen sind veraltet“
Und Innovationen kann die europäische Raumfahrt gut gebrauchen. Riesige Satellitenflotten zur Kommunikation bauen vor allem US-Unternehmen wie SpaceX und Amazon. Astronauten ins All bringen könnten aktuell nur die USA, China und Russland. Derzeit hat Europa nicht einmal eine eigene Schwerlastrakete – die Ariane 5 ist im Juli zum letzten mal geflogen, der Nachfolger, die Ariane 6, verspätet sich bis ins nächste Jahr. Und auch sie wird nicht wie SpaceX-Raketen zurück zur Erde fliegen können.
Was noch für die Ariane spreche, sei zum einen die Unabhängigkeit Europas im Bereich der Raumfahrt, also der „sichere Zugang zum All, unabhängig von anderen Ländern und Firmen“, sagt Königsmann. Zum anderen die europäische Zusammenarbeit: „Den europäischen Gedanken zu stärken ist eben etwas anderes. Das hat nicht unbedingt mit Raumfahrt zu tun, aber es ist durchaus auch ein Argument.“
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Doch aus kommerzieller Sicht setzt Europa auf veraltete Technologie, glaubt Königsmann. „Wenn es wiederverwendbare Raketen gibt, dann sind die Wegwerfraketen nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagt der Raumfahrtingenieur. „Es ist einfach schwierig, das zu finanzieren. Warum sollte man eine teure Wegwerfrakete nehmen, wenn man eine billige, nachhaltige und wiederverwendbare nehmen kann?“
Darum rät Königsmann der europäischen Raumfahrtbranche, sich stärker auf Raketen zu konzentrieren, die mehrfach starten können. Dazu sei es sinnvoll, kleine Unternehmen zu fördern. „Die sind hungrig, die wollen die Sache machen, weil sie an die Sache glauben. Das ist in meinen Augen förderungswürdiger als etablierte Firmen, die sich auf Ariane fokussieren.“
In Deutschland arbeiten vor allem die drei Start-ups Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg und HyImpulse an eigenen Trägerraketen. Im März konnte Isar Aerospace 155 Millionen Euro weiteres Wagniskapital einsammeln, Rocket Factory Augsburg erhielt erst vor wenigen Tagen 30 Millionen von der Investmentgesellschaft KKR.
„In meinen Augen sind diese Start-ups die Hoffnung der deutschen Raumfahrt“, sagt Königsmann. Das Wissen, das man brauche, um Raketen zu bauen, sei so speziell, dass man es nur erlangen könne, indem man sie baue. „Wenn man Raketen vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren gebaut hat, dann verliert man dieses Wissen. Von daher haben diese kleinen Firmen durchaus einen kleinen Vorsprung im Moment.“
Die ersten Raketen aus deutscher Entwicklung sollen nächstes Jahr abheben. Mit um die 1000 Kilogramm Nutzlast sind Launcher der deutschen Gründer zwar deutlich kleiner als die Ariane. Dafür sollen sie dank Serienfertigung und Innovationen wie 3-D-Druck besonders preiswert sein und kleine Satelliten schnell und flexibel ins All befördern.
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Das Start-up Mynaric, das Königsmann in den Aufsichtsrat berufen hat, stattet solche Satelliten mit Laserterminals zur Datenkommunikation aus. Mit hochpräzisen Lasern können Satelliten untereinander oder mit Bodenstationen Daten in hoher Bandbreite austauschen. Möglicherweise eine Schlüsseltechnologie also, um die immer größeren Datenmengen von Kommunikationssatelliten und Erdbeobachtungsflotten zu transportieren.
Die Satelliten von Ororatech aus München etwa halten mit einem speziellen Wärmesensor Ausschau nach Feuerherden auf der Erde. Eine Software soll dann Brandbekämpfer automatisch alarmieren, bevor etwa ein Waldbrand außer Kontrolle gerät.
Königsmanns Ex-Arbeitgeber SpaceX arbeitet unterdessen an seiner neuen Riesenrakete Starship, die bisher unerreichte Frachtmengen durch das gesamte Sonnensystem transportieren soll. Wann geht es also mit Astronauten zum Mars? „Wenn das Starship fliegt, ist es eigentlich nicht mehr so weit entfernt“, sagt Königsmann. „Ich hoffe, dass wir das in den nächsten zehn Jahren hinkriegen.“ Er selbst wäre dann Anfang 70 und würde auch gerne ins All fliegen. „Wenn man älter ist“, scherzt er, „ist es ja gut, wenn man keine Gravitation hat."
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