Satelliten-Internet Kampfansage an Musks Starlink

Quelle: PR

Vor zwei Jahren musste OneWeb noch vom britischen Staat aus der Insolvenz gerettet werden, nun will der französische Konkurrent Eutelsat den Satellitendienst kaufen. Der Deal zielt gegen Elon Musks Marktführer Starlink.

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Was in den vergangenen Tagen noch als Gerücht die Branche elektrisierte, ist nun offiziell: Der französische Satellitenbetreiber Eutelsat plant nicht bloß, seinen Anteil beim britisch-indischen Konkurrenten OneWeb aufzustocken. Die Franzosen prüfen sogar den Zusammenschluss mit dem 2012 gegründeten Wettbewerber. „Eutelsat Communications bestätigt, dass es Gespräche mit Mitaktionären von OneWeb geführt hat, um einen weltweit führenden Anbieter von Konnektivität zu schaffen“, meldete die Nachrichtenagentur Reuters.

Schon jetzt hält Eutelsat ein knappes Viertel der Anteile am aktuell mit rund 3,4 Milliarden Dollar bewerteten Konkurrenten. Der Zusammenschluss könnte sich für beide Seiten auszahlen. Denn die Unternehmen betreiben ganz unterschiedliche Kommunikationssatelliten, deren Technologien sich ergänzen. Und das Bündnis würde das Gemeinschaftsunternehmen als ernsthaften Konkurrenten für Starlink positionieren, das Satelliteninternet-Unternehmen von Tesla-Eigner Elon Musk. Wenn der Deal gelingt, wie würde er den Markt beeinflussen? Und wer wären die Profiteure?

Lange Zeit dienten Kommunikationssatelliten vor allem für die Übertragung von TV-Signalen und Telefonverbindungen über Ozeane hinweg. In diesem Markt ist insbesondere das bereits 1977 gegründete Unternehmen Eutelsat einer der größten globalen Anbieter, der nach eigenen Angaben mehr als 7000 TV-Sender zu mehr als einer Milliarde Menschen überträgt. Wesentlich jünger ist der Markt für den schnellen Internetzugriff via Satellit. 

Zwar adressieren die neuen Anbieter ausdrücklich auch Kunden in Industrieländern – vor allem dort, wo schnelle Webzugänge noch Mangelware sind. Der größte Bedarf für Satelliteninternet aber liegt in Afrika und Asien. Nach Berechnungen des Marktforschers Allied Market Research lag der globale Umsatz für Satelliteninternet 2020 bei knapp drei Milliarden Dollar und soll bis 2030 auf rund 18,6 Milliarden Dollar wachsen. Nach Berechnungen der UN-Kommunikationsbehörde International Telecommunications Union (ITU) hatten auch 2021 knapp drei Milliarden Menschen weltweit gar keinen Zugang zum Internet, waren 2020 noch gut ein Drittel der Einwohner Asiens offline und sogar zwei Drittel der Menschen in Afrika.

Dreikampf im Orbit

Wichtigster und aktuell am weitesten verbreiteter Anbieter ist das US-Unternehmen Starlink. Das Unternehmen, das zum Firmengeflecht des Hightech-Unternehmers Elon Musk gehört, hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 2300 Satelliten in Umlaufbahnen um die Erde geschossen. Auch der Amazon-Konzern will mit dem Projekt Kuiper ein Netz von Internet-Satelliten installieren. Im Endausbau sollen mehr als 3200 der fliegenden Funkstationen die Erde umkreisen. Die ersten Starts sind für das vierte Quartal 2022 geplant. OneWeb hatte im Februar den Start von 34 weiteren eigenen Satelliten gemeldet und kommt nun auf 428 von geplanten knapp 650 Satelliten.

Auch Eutelsat bietet bereits seit Jahren satellitengestützte Internetverbindungen an. Zielgruppe waren allerdings Unternehmen. Mit seinem neuen Konnect-Dienst adressiert das Unternehmen inzwischen aber auch Privatkunden. Allerdings nutzt Eutelsat dafür Satelliten, die in einer geostationären Umlaufbahn die Erde umkreisen. Damit bleiben sie von der Erde betrachtet immer an einer festen Position, was den Einsatz einfacher und günstiger Satellitenschüsseln erlaubt und den Empfang der Internetsignale erleichtert.

Aufgrund der großen Distanz zwischen Erde und Satellit von immerhin 36.000 Kilometern dauern die Übertragungen der Bits und Bytes via Satellit teils mehr als 200 Millisekunden. Das ist nicht bloß zwei- bis viermal länger als die Signallaufzeit bei Mobilfunkgesprächen. Während Video-Streaming, Web-Aufrufe oder E-Mail-Verkehr in der Regel problemlos funktionieren, führt die große Latenz, wie Fachleute die Laufzeit nennen, an anderer Stelle zu Problemen: So berichten Nutzer, dass Internettelefonate stocken und Echtzeit-Maschinensteuerungen oder Online-Games oft gar nicht möglich sind.

Rasende Digitaltrabanten

Bei Elon Musks Starlink gibt es diese Latenzprobleme nicht, denn das Unternehmen lässt seine Sendestationen als sogenannte Low-Earth-Orbit-Satelliten (LEOs) deutlich näher an der Erde zirkulieren. Bei Flughöhen von nur gut 300 bis 600 Kilometern liegt die Laufzeit der Satellitensignale zumeist nur im zweistelligen Bereich. Damit liegt die Latenz teilweise und je nach Distanz zwischen Internetzugang und aufgerufenem Server auf oder sogar unter der Dauer von Internetzugriffen über Glasfaser. Die kurzen Signallaufzeiten erkaufen sich die Starlink- und Kuiper-Satelliten allerdings mit einem anderen Nachteil. 

Damit die Digitaltrabanten trotz der geringen Höhe nicht sofort von der Erdanziehungskraft zu Boden gezogen werden und in der Atmosphäre verglühen, müssen sie mit enormer Geschwindigkeit von mehr als 25.000 Stundenkilometern um den Globus rasen. Die Folge: Um überhaupt Signale von den Satelliten empfangen zu können, benötigen Starlink-Kunden spezielle (und teure) elektronische Antennen, die die rasenden Himmelssender dynamisch anpeilen und ihnen im Vorbeiflug folgen können. Dennoch halten die Verbindungen kaum länger als knappe zwei Minuten, dann ist der angepeilte Satellit schon wieder hinterm Horizon verschwunden und die Antenne muss eine neue Verbindung zum nächsten Starlink-Sender aufbauen.

Das kann flüssig und ohne größere Aussetzer funktionieren. Es erinnert aber nach Berichten von Kunden immer wieder auch an die Aussetzer bei Handytelefonaten aus dem fahrenden Auto oder Zug, wenn die Übergabe von einer zur nächsten Mobilfunkstation misslingt. Ein weiterer Nebeneffekt: Um die Kunden global und kontinuierlich mit Daten versorgen zu können, braucht Starlink Tausende Satelliten.

Auch OneWeb setzt zwar auf niedrigere Umlaufbahnen als Eutelsat, zugleich aber mit rund 1200 Kilometern Erddistanz auch auf deutlich mehr Flughöhe als Starlink. Das erlaubt niedrigere Fluggeschwindigkeiten, den Einsatz von weit weniger Satelliten und einen geringeren technischen Aufwand für die Kommunikations- und Antennentechnik. Dennoch bleibt die Latenz der Internetsignale wegen des noch immer recht niedrigen Erdorbits auf einem Niveau, das dem bodengebundener Online-Anschlüsse nahekommt.

Zwei denkbare Gewinner

Vom Zusammenschluss könnten Eutelsat und Oneweb gleichermaßen profitieren. Die Franzosen bekämen Zugriff auf ein technisch zu Starlink konkurrenzfähiges Angebot. Die Briten wiederum bänden einen potenten Investor noch enger an sich, der die Finanzierung des milliardenschweren Satellitennetzes deutlich erleichtern würde. Eine Vorstellung, die offensichtlich nicht allen Eutelsat-Aktionären gefällt. Zwischenzeitlich stürzte der Börsenkurs des Unternehmens um knapp 20 Prozent ab.

Andererseits: Durch das Bündnis könnte ein Anbieter entstehen, der beide Märkte – erdnahe und geostationäre Kommunikationsverbindungen – aus einer Hand anbieten und beide Technologien zudem verknüpfen könnte. Dabei etwa wäre denkbar, dass die entfernteren Satelliten das Zusammenspiel der LEOs koordinieren. Und zumindest in schlechter abgedeckten Regionen der Welt oder solchen mit geringerer Nachfrage könnte das neue Gemeinschaftsunternehmen Kunden zunächst einmal über den technisch einfacheren und damit auch günstigeren Eutelsat Konnect-Service ans Netz anbinden.

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Vorausgesetzt, die potenziellen Partner werden sich tatsächlich handelseinig. Dennoch seien die Gespräche laut Eutelsat in einem frühen Stadium und es sei noch nicht sicher, „dass die Gespräche zu einer endgültigen Einigung führen“.

Lesen Sie auch: Für ihre künftigen digitalen Geschäftsmodelle brauchen die Autohersteller ständige Internetverbindungen für ihre Fahrzeuge. Nach VW will auch BMW seine Fahrzeuge künftig per Satellit ans Internet anschließen. Profitieren könnte davon speziell ein deutsches Konsortium.

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