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  4. Europa: Warum Großkonzerne aus den USA und China europäische Unternehmen überholen

Wenig Investitionen, wenig Patente4 Grafiken zeigen, warum Europa den Anschluss an die USA und China verliert

Die hiesigen Großkonzerne entwickeln sich derzeit in allen wichtigen Bereichen schlechter als ihre Konkurrenten. Eine exklusive Studie zeigt nun, woran das liegt.Konrad Fischer 03.08.2023 - 15:56 Uhr

Für die Studie wurden 2100 börsennotierte Konzerne in Asien, den USA und Europa untersucht.

Foto: WirtschaftsWoche

Immerhin, sagt Christina Raab, ganz so schwarz wie noch vor einem Jahr sehe sie die wirtschaftlichen Perspektiven des Kontinents nicht mehr. Damals, so erzählt die Deutschlandchefin der Technologieberatung Accenture, habe sie sich mit Kollegen über die Zukunft der europäischen Wirtschaft unterhalten, die Stimmung war düster. Eigentlich, so habe jemand seinerzeit gesagt, gehe es doch nur noch darum „dass wir uns die Plätze auf der Titanic noch aussuchen können.“

Ganz so schlimm, findet Raab heute, ist es dann doch nicht gekommen. Die Margen der europäischen Konzerne haben sich zuletzt wieder verbessert, liegen in einem vergleichbaren Bereich wie jene der US-Konkurrenten. An der grundsätzlichen Entwicklung aber habe sich nichts geändert: „Die europäischen Unternehmen fallen zurück gegen Asien und den USA, wenn man auf die Zukunftsperspektiven schaut“, sagt Raab, deren Beratung vor einiger Zeit eine große Studie in Auftrag gegeben hat, um die Ursachen dieses Rückfallens zu ergründen.

2100 börsennotierte Konzerne in Asien, den USA und Europa wurden dafür untersucht, jetzt liegen die Ergebnisse vor, über welche die WirtschaftsWoche hier exklusiv berichten kann. Im Kern, so Raab, geht es dabei vor allem um ein Problem, das sie und ihre Kollegen „tech deficit“ genannt haben: die Mängel der Unternehmen im Umgang mit Technologien. 

Ein erster Indikator, dass die Mängel vor allem in den fehlenden Zukunftsinvestitionen liegen könnte, liefert schon die simple Analyse der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Seit Jahren liegt Europa dabei deutlich hinter den USA, bedenklich aber ist vor allem der Trend der vergangenen Jahre. Während sich in den USA die Forschungsausgaben der Konzerne nach einer Sparwelle in der Corona-Zeit wieder stabilisiert haben, geht es in Europa weiter steil bergab. Nur die jüngsten Einsparungen der asiatischen Konkurrenten haben es verhindert, auch von diesen abgehängt zu werden. Dadurch bekommen auch die zuletzt wieder leicht gestiegenen Margen der europäischen Konzerne einen Beigeschmack: Im Durchschnitt der untersuchten Unternehmen sieht es so aus, als sei dieser mit mangelnder Innovationskraft in der Zukunft erkauft. 

Wo dieser Mangel sich schon bald praktisch zeigen könnte, das ergibt sich aus den Finanzmitteln, die von Europas Großkonzernen in verschiedenen Zukunftsfeldern eingesetzt werden, um technologisch mitzuhalten. In allen wichtigen Bereichen liegen die Unternehmen dabei hinter jenen aus den USA, in den meisten auch hinter den Konkurrenten aus Asien. Besonders groß ist der Abstand bei den Investitionen in Cloud Computing und der Digitalisierung der Mobilität.

Bedenklich, meint Accenture-Landeschefin Raab, ist aber vor allem der Rückstand in Feldern wie dem Internet of Things, also der Digitalisierung von Fabriken, oder bei der Robotik. „Die Optimierung von Fertigungsprozessen ist klassischerweise die große Stärke der Konzerne aus Europa“, so Raab, „wenn wir nun ausgerechnet dabei den Anschluss verlieren, ist das eine bedrohliche Entwicklung.“

Welche Folgen die fehlenden Investitionen haben, zeigt sich beispielhaft am Thema Künstliche Intelligenz. Nur 60 Prozent der untersuchten europäischen Konzerne waren im Besitz eigener Patente für künstliche Intelligenz, deutlich weniger als in den USA (77 Prozent) und Asien, wo der überwiegende Anteil der Firmen (89 Prozent) eigene Patente in diesem Bereich hält.

Noch deutlicher fällt dieser Unterschied im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz aus, um die seit der Veröffentlichung der Sprachsoftware ChatGPT ein globaler Hype ausgebrochen ist. Hier halten nur etwa halb so viele Konzerne in Europa eigene Patente wie in den USA. Auch hier liegt Asien ganz vorn. Dass das möglicherweise nicht nur an strategischen Entscheidungen der Konzerne selbst, sondern auch an den politischen Rahmenbedingungen liegt, zeigt eine andere Vergleichsgröße: So meldeten laut der Studie nur 50 Prozent der deutschen Konzerne ihre Patente im Heimatmarkt an, in Asien waren es 85, in den USA gar 91 Prozent. 

Eine Ursache der fehlenden Investitionen, da ist sich Accenture-Landeschefin Raab sicher, findet sich an der Spitze der Konzerne: „Europas Unternehmen haben nicht genug Digitalkompetenz an der Spitze“, sagt sie, „das prägt auch ihre strategische Ausrichtung.“ So haben in Europa 14,4 Prozent aller Vorstände von Großkonzerne einen technologischen Hintergrund, kommen also etwa aus dem Bereich IT. In den USA sind es mit 21,6 Prozent deutlich mehr. Überraschend ist bei diesem Vergleich die Situation in asiatischen Großkonzernen. Die liegen bei den Investitionen zwar mindestens gleichauf mit Europa, zugleich haben deutlich weniger Unternehmensvorstände aus dieser Region (8,8 Prozent) einen technologischen Hintergrund.

Für Accenture-Managerin Raab zeigt sich darin, dass sich Technologiekompetenz durchaus auch erlernen lässt. „Wer jetzt seine Führungsleute in Sachen Künstliche Intelligenz weiterbildet, kann damit zielgerichtet die Innovationskraft stärken.“

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