Autonomes Fahren: Freie Fahrt für Robotaxis in ganz San Francisco

Ein Robotaxi der Firma Waymo in San Francisco.
Ein Taxi ohne Fahrer, einsatzbereit 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und über 20 Stunden am Stück? Möglich wird das durch autonome Autos. Nun wird der langjährige Traum von Autoingenieuren weltweit in San Francisco zur Realität und die Stadt damit zu einem einzigartigen Testfeld. Die Firmen Waymo und Cruise haben die grundsätzliche Erlaubnis erhalten, zahlende Fahrgäste im gesamten Stadtgebiet rund um die Uhr auch ohne einen Sicherheitsfahrer in ihren Robotaxis zu befördern. Die kalifornische Regulierungsbehörde CPUC setzte sich mit ihrer Entscheidung in der Nacht über den Widerstand der städtischen Verkehrsbetriebe und einiger Einwohner hinweg.
Die für Versorgungsdienste zuständige CPUC billigte die Ausweitung der Dienste nach einer mehrstündigen Anhörung mit einer Mehrheit von drei der vier anwesenden Kommissionsmitglieder. Zugleich wird für Herbst eine weitere Anhörung mit einer ersten Zwischenbilanz erwogen.
Waymo – eine Schwesterfirma von Google – und Cruise – Teil des Autoriesen General Motors – testen schon seit Jahren selbstfahrende Autos in San Fransicso. Aktuell sind ihre Fahrzeuge zum Teil bereits ohne einen Menschen am Steuer unterwegs. Nur Cruise durfte in diesem Fall aber Geld von Fahrgästen nehmen, und das lediglich nachts. Die Fahrzeuge von Waymo mussten bei kommerziellen Fahrten bisher einen Sicherheitsfahrer an Bord haben.
Kosten der Technologie sollen sinken
Die Entscheidung der CPUC öffnet die Tür zur kommerziellen Nutzung neuartiger Robotaxis ohne Lenkrad und Pedale. Nun kann nach Milliarden-Investitionen zum ersten Mal im großen Stil ausprobiert werden, wie gut ein Geschäftsmodell mit selbstfahrenden Autos funktioniert. Die Fahrzeuge sind zurzeit noch teuer. Sie müssen daher möglichst permanent ausgelastet sein und Geld verdienen. Daher bereiten Cruise und Waymo Autos vor, die mehr Platz für weitere Fahrgäste bieten. Auch die inzwischen zu Amazon gehörende Firma Zoox will solche Fahrzeuge auf die Straße bringen.
Die Kosten der Technologie sollen sinken. Cruise und GM entwickelten gerade eine technische Plattform für die kommenden Robotaxis, die 75 Prozent günstiger sein werde, sagte Vogt im Juli. Sie solle bis Ende kommenden Jahres eingeführt werden. Dann werde bei den Kosten die „magische Schwelle“ von weniger als einem Dollar pro Meile in Sichtweite sein, ab der es für die meisten Menschen günstiger sei, mit einem Robotaxi zu fahren als ein Auto zu besitzen.
San Francisco als perfektes Testfeld – doch es gibt Wiederstand
Cruise sieht San Francisco als perfektes Testfeld zum Training von Roboterauto-Software. „Wenn wir selbstfahrende Autos in einer Stadt wie San Francisco mit ihrem Nebel, Hügeln und Verkehr fahren lassen können – werden sie so gut wie überall funktionieren“, betonte Vogt vor kurzem. Cruise expandiert gerade auch in andere US-Städte. Waymo stellte die Entwicklung selbstfahrender Lastwagen zurück, um sich auf Robotaxis zu konzentrieren.
Weniger positiv sehen die Stadt, verschiedene Branchen und Bürger die Robotaxis. Immer wieder werden kritische Stimmen laut. Eine davon: die Feuerwehr von San Francisco. Mehr als sechzig Zwischenfälle mit den autonomen Taxis hat die Feuerwehr der kalifornischen Stadt seit Mai 2022 registriert. Sie blockierten demnach Löschfahrzeuge oder fuhren in Einsatzorte hinein. Wie etwa im Januar: Während eines Einsatzes bei einem Hausbrand musste ein Feuerwehrmann auf die Windschutzscheibe eines Robotaxis einschlagen, um es daran zu hindern, über einen Feuerwehrschlauch zu fahren. „Sie sind einfach noch nicht reif“, lautet das Fazit von Jeanine Nicholson, der Chefin der Feuerwehr San Franciscos, in der „Los Angeles Times“.
Taxifahrer sehen die autonomen Fahrzeuge von Waymo und Cruise als Gefahr für ihre Existenz. Sie sorgen sich, dass ihre Fahrgäste wohlmöglich dauerhaft auf die unbemannten Taxis umsteigen könnten oder dass der Wert der Lizenzen, die sie für den Taxibetrieb in San Francisco brauchen und oft eine Wertanlage oder Altersvorsorge für die Fahrer ist, unter der neuen Konkurrenz leitet. Die Stadt hingegen befürchtet, dass eine zu große Menge an Robotaxis die Straßen verstopfen könnte und durch die zukünftig günstigeren Preise dem bemannten öffentlichen Personennahverkehr schaden könnte. Der Chef des öffentlichen Nahverkehrs, Jeffrey Tumlin, vergleicht die autonomen Taxis mit „Fahranfängern“. „Die Robotaxis sind derzeit einfach zu unsicher.“
Die aktivistische Gruppe „Safe Street Rebels“ geht einen Schritt weiter. Sie legen die Robotaxis aus Protest lahm – mit einem einzigen Verkehrskegel. Platziert auf der Motorhaube interpretiert die Software der autonomen Autos den Verkehrskegel als Hindernis auf der Straße und fährt nicht mehr weiter. In den sozialen Medien fand die Aktion Anklang und inspirierte schnell Nachahmer.
Befürworter erwarten hingegen eine höhere Sicherheit im Straßenverkehr, da sich Computer am Steuer im Gegensatz zu Menschen nicht ablenken lassen. Daten von Waymo und Cruise zeigen, dass ihre Software sicherer als ein Mensch fährt. Auch das Platzproblem oder, dass die Robotaxis den Taxifahrern die Kunden streitig machten, sei kein Hindernis. San Francisco habe bestimmt mehr als 10.000 Menschen, die Fahrdienste anbieten, räumte jüngst Cruise-Chef Kyle Vogt ein. „Diese Fahrer arbeiten aber natürlich nicht 20 Stunden täglich, wie es ein Robotaxi kann“, gab er zu bedenken. Vogt sieht Raum für mehrere tausend autonome Taxis in großen Städten. Zudem haben beide Unternehmen angeboten, mit betroffenen Branchen wie der Feuerwehr, zusammenzuarbeiten.
Jeder dritte Deutsche lehnt autonome Fahrzeuge ab
Die Euphorie rund um das autonome Fahren flaute in den vergangenen Jahren merklich ab. Es stellte sich heraus, dass die Technologie mehr Zeit und Geld braucht als von vielen auch innerhalb der Branche ursprünglich angenommen. Einige gaben zwischendurch auf. So verkaufte der Fahrdienst-Vermittler Uber seine Roboterauto-Sparte. Apple lässt dagegen weiter seine Testwagen Runden im Silicon Valley drehen. Und in China hat Baidu mit seinen autonomen Taxis bereits den Durchbruch geschafft. In Wuhan und Chongqing darf der Anbieter seine Taxis kommerziell auch ohne Sicherheitsfahrer auf die Straßen schicken.
In Deutschland will die zum Chip-Riesen Intel gehörende Firma Mobileye einen Robotaxi-Service aufbauen. Doch unter den Deutschen herrscht zurzeit noch Abneigung gegenüber der neuen Technologie. Das zeigt eine Studie der Autoversicherung HUK Coburg. Nur neun Prozent der 4000 Befragten würden der Zulassung von autonomen Fahrzeugen auf den deutschen Straßen zustimmen, wenn durch die Software die Unfallgefahr der autonomen Fahrzeuge im Vergleich zu menschlichen Fahrern nicht verändern würde. Sollte die Unfallgefahr sinken oder sogar komplett auf null sinken, so wären 18 Prozent beziehungsweise 20 Prozent der Befragten für eine Zulassung.
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