Wasserstoff „Brennstoffzellen und Batterien ergänzen sich gut“

Schon vor 20 Jahren gab es einen Hype um Brennstoffzellen und Wasserstoff – doch es passierte wenig. Quelle: dpa

Bedeutet der Boom der Batterie-Autos das Ende der Brennstoffzelle? Ganz im Gegenteil, sagt Phil Caldwell, Chef des Wasserstoffunternehmens Ceres Power. Der Bosch-Partner hat große Wachstumspläne – weit über den Autosektor hinaus.

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Der britische Hersteller Ceres Power entwickelt Brennstoffzellen – und vergibt Lizenzen an Fertigungspartner wie den chinesischen Motorenhersteller Weichai Power und den deutschen Industriekonzern Bosch, der auch in Ceres Power investiert hat. Mit Hilfe einer großen Kapitalerhöhung will CEO Phil Caldwell das Unternehmen nun auf Wachstumskurs steuern.

WirtschaftsWoche: Herr Caldwell, Sie haben gerade umgerechnet 210 Millionen Euro eingesammelt, um die Produktion von Brennstoffzellen hochzufahren und Ihre Geschäftsfelder zu erweitern. Sie rechnen mit einem Boom?
Phil Caldwell: Ich bin seit 18 Jahren in der Brennstoffzellen-Industrie, und ich habe nie so viel Nachfrage nach unserer Technologie gesehen wie heute. Nicht nur bei Ceres, sondern in der ganzen Branche, nicht nur in Europa, sondern weltweit.

Schon vor 20 Jahren gab es einen Hype um Brennstoffzellen und Wasserstoff – doch es passierte wenig.
Damals haben viele großen Automobilfirmen und Energieunternehmen Brennstoffzellen und Wasserstoff erforscht – aber eher nebenbei, es war nicht Teil ihrer Strategie. Die Autohersteller konzentrierten sich darauf, effizientere Verbrennungsmotoren zu entwickeln. Wir versuchten damals, unsere Technologie in den Markt zu drücken – heute ist es umgekehrt, jetzt ruft der Markt nach unseren Brennstoffzellen.

Phil Caldwell ist CEO des britische Brennstoffzellenherstellers Ceres Power Quelle: PR

Warum plötzlich die große Nachfrage?
Der ganze Markt ist ein anderer: Weltweit machen Regierungen heute ernst mit dem Kampf gegen den Klimawandel. Länder verschärfen etwa die Gesetze für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen. Gleichzeitig erleben wir eine Disruption durch erneuerbare Energien, die Kosten etwa für Solarenergie und Batterien sind so schnell gesunken, wie es niemand vorhergesagt hat.

Sind das nicht Entwicklungen, die Brennstoffzellen eher überflüssig machen?
Wasserstoff adressiert die Teile der Wirtschaft, die mit anderen Technologien ihre CO2-Emissionen nicht auf null bringen können. Wie dekarbonisieren wir schwere Trucks, Schiffe, Flugzeuge? Sie können das nicht allein mit Batterien machen. Gleiches gilt für industrielle Anwendungen: Strom und Wärme für Unternehmen, Energie für die Herstellung von Stahl, Zement oder Ammoniak.   

Wo werden Ihre Brennstoffzellen denn heute schon eingesetzt?
Mit Weichai, einem der größten Nutzfahrzeughersteller in China, entwickeln wir Wasserstoff-Antriebe für Busse und Lkw. Mit Doosan in Südkorea arbeiten wir an großen Lösungen für die Energieversorgung. In Japan verkaufen wir unsere Technologie für die Stromversorgung und Beheizung kommerzieller Gebäude wie etwa Supermärkte. Und in Deutschland arbeiten wir mit Bosch an dezentraler Energieerzeugung via Brennstoffzelle.

Sie bauen mit Bosch also kleine Kraftwerke?
Ja, wir entwickeln mit Bosch kleine, modulare Brenstoffzellenkraftwerke. Sie können in Rechenzentren Strom erzeugen, Elektroautos aufladen, Bürogebäude mit Energie versorgen. Unsere Brennstoffzellen sind leise und effizienter als jedes konventionelle thermische Kraftwerk. Sie können leicht in Gebäude eingebaut werden. Und sie können verschiedene Brennstoffe nutzen – neben Wasserstoff auch Erdgas oder Biogas. Bis 2030 rechnet Bosch mit einem Markt für dezentrale Energiesysteme von 20 Milliarden Euro.

Brennstoffzellen helfen mir, mein Elektroauto aufzuladen?
Wenn wir mehr und mehr Elektrofahrzeuge einsetzen, müssen wir das Stromnetz für die Ladestationen verstärken. Brennstoffzellen können dabei helfen – indem sie Strom aus Wasserstoff produzieren, wo es an Stromanschlüssen mangelt. Das lässt sich auch kombinieren mit der Stromversorgung und Beheizung von Gebäuden.

Und wo spielen Brennstoffzellen in Rechenzentren eine Rolle – als Notstromaggregat?
Rechenzentren verbrauchen etwa zwei Prozent der weltweiten Stromproduktion und verursachen mehr Emissionen als die Luftfahrt. Als Backup setzen sie Dieselgeneratoren ein. Aber die Tech-Industrie ist vorneweg beim Thema Nachhaltigkeit und sucht saubere Lösungen. Mit dezentralen Brennstoffzellen-Kraftwerken können wir Rechenzentren rund um die Uhr extrem zuverlässig mit Strom versorgen. Das Stromnetz ist dann nur noch das Backup für den Notfall.

Aber geht bei der Umwandlung von Wasserstoff in Strom nicht viel Energie verloren?
Denken Sie einmal über die Schritte bei der konventionellen Energieerzeugung nach: Sie transportieren Rohstoffe zu einen Kraftwerk. Dort wandeln sie sie durch Verbrennung in thermische Energie um. Und dann nutzen Sie diese thermische Energie, um mit einer Gasturbine oder einem Verbrennungsmotor kinetische Energie zu erzeugen. Die kinetische Energie wandeln sie in elektrische Energie um. Und dann übertragen Sie die Elektronen über eine lange Strecke. Jeder dieser Schritte hat einen Wirkungsgradverlust. 

Und das ist bei Brennstoffzellen anders?
Bei Brennstoffzellen-Kraftwerken ist die Stromerzeugung effizienter als bei einem herkömmlichen thermischen Kraftwerk. Zudem gibt es keine Übertragungs- und Verteilungsverluste, weil der Strom dort erzeugt wird, wo man ihn braucht.

Trotzdem müssen sie den Wasserstoff erst einmal aus Strom herstellen. Viele Experten halten es darum auch für besser, Gebäude mit Wärmepumpen zu heizen, die den Strom direkt nutzen.
Viele Menschen leben in sehr alten Häusern, meines ist hundert Jahre alt, schlecht isoliert – und damit nicht gut geeignet für eine Wärmepumpe. Kraft-Wärme-Kopplung mit Wasserstoff kann da eine gute Lösung sein: Brennstoffzellen haben bei der Stromerzeugung einen Wirkungsgrad von etwa 60 Prozent – 40 Prozent werden zu Wärme. Die bekommen sie zum Heizen also praktisch umsonst dazu. Und dann wird das Kraftwerk plötzlich zu 85, 90 Prozent effizient. In Japan sind solche Brennstoffzellen-Kraftwerke schon weit verbreitet.

Effizienz spielt auch im Auto eine Rolle. Batterien nutzen den Strom direkt, Brennstoffzellen müssen ihn aus Wasserstoff erzeugen – mit Umwandlungsverlusten. Tesla-Chef Elon Musk spricht darum von Fool-Cells, dummen Zellen.
Ich denke, dass Elon Musk das Argument vereinfacht, um rein batterieelektrische Fahrzeuge zu verkaufen. Batterien und Brennstoffzellen sind keine Gegensätze, sondern Technologien, die sich gut ergänzen: Eine Batterie ist ein Speichergerät und eine Brennstoffzelle ist ein Stromerzeugungsgerät. Heute fahren Sie vielleicht ein Hybridfahrzeug mit einem Verbrennungsmotor und einer Batterie und niemand sagt, dass das eine schlechte Idee ist. Wenn man den Verbrennungsmotor wegnimmt und eine Brennstoffzelle einbaut, hat man einen viel effizienteren Antrieb. Die Brennstoffzelle gibt Ihnen Reichweite, die Batterie die schnelle Reaktion.

Automanager wie Volkswagen-Chef Diess sagen trotzdem, das Rennen sei schon entschieden – für die Batterie.
Die meisten der großen Automobilhersteller haben heute große Brennstoffzellen-Programme: Daimler, Volvo, Toyota, Weichai, Hyundai. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts werden wir mehr und mehr Fahrzeuge mit Brennstoffzellen auf dem Markt sehen.

Hört sich aber an, als wäre die Technik noch nicht ausgereift.
Brennstoffzellen sind da, wo Batterien vor vielleicht fünf oder zehn Jahren waren. Sie werden jetzt einsatzfähig, und es gibt keine technische Hürde, die noch zu nehmen wäre. Nur die Preise müssen sich noch ändern. Mit der Massenproduktion können wir Skaleneffekte erzielen und die Kosten senken – genauso, wie es mit Solarenergie und Batterien passiert ist. Wir hören darum jetzt vermehrt Gespräche über Gigafactories für Brennstoffzellen.

Wie schnell erwarten Sie, dass das passiert?
Mit unseren Partnern beginnen wir das nun. Bosch hat eine Pilotfertigung in Bamberg und angekündigt, die Produktion in Deutschland auf mehrere hundert Megawatt zu erweitern. Südkorea will bis 2040 eine Brennstoffzell-Fertigung von 15 Gigawatt aufbauen – dort arbeiten wir mit Doosan zusammen. Und wir steigen auch in die Wasserstoff-Produktion ein – etwa für die Stahlerzeugung und Ammoniakproduktion.

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Welche Rolle sollen denn Brennstoffzellen da spielen?
Wenn Sie die Brennstoffzelle umgekehrt betreiben, haben Sie einen Elektrolyseur – und können aus Strom Wasserstoff erzeugen. Wir verstärken unsere  Forschung in diesem Bereich und sehen große Chancen für unsere Technologie bei der Dekarbonisierung der Industrie.

Mehr zum Thema: Kaum ein Börsensektor hat 2020 so stark performt wie Wasserstoff und Clean Energy, dann kam ein scharfe Korrektur. Ist der Hype um Wasserstoff-Aktien nur ein Strohfeuer oder bieten sich jetzt Einstiegschancen?

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