Manchmal fühlt sich Christian Geschkat wie der Notarzt in einem Krankenhaus, das den Ausbruch einer Epidemie verhindern muss. Alle 14 Sekunden schlagen die Schutzprogramme in seinem Prüflabor Alarm und melden den Angriff eines neuen Smartphone-Virus. „System infiziert“ leuchtet dann auf dem Kontrollmonitor in Geschkats Büro auf, der beim Bochumer Sicherheitsspezialisten G Data Software den Bereich Mobile Sicherheit leitet.
Von den Kunden heruntergeladene Sicherheits-Apps melden solche Virusattacken an das Unternehmen zurück. Meist sind die Viren so programmiert, dass sie das infizierte Smartphone in eine Abfangstation für sensible Daten aller Art verwandeln.
Gefahr aus China
Dabei bereitet eine noch sehr kleine, aber besonders tückische Gruppe von Spionageprogrammen Geschkat besonders viel Kopfzerbrechen. Denn gefährlich sind sie vor allem, weil es bisher kein Gegenmittel gibt. Die Spionageprogramme sind sehr tief in der Software frisch ausgelieferter Smartphones chinesischer Hersteller versteckt und lassen sich nicht entfernen. „250 Geräte mit vorinstallierten Spionagecodes haben wir bereits gefunden“, warnt G Data im neuesten Gefahrenbericht, den die WirtschaftsWoche vorab einsehen konnte.
Die Mobilfunkbranche ist damit mit einem Sicherheitsproblem in ganz neuer Qualität konfrontiert. Bösartige Spähfunktionen gehören nun zur Grundausstattung fabrikneuer Smartphones und verwandeln jedes befallene Gerät in eine Abhörstation.
Das Spionageprogramm ist ein Tausendsassa, der Hackern oder Geheimdiensten im Prinzip ungehinderten Zugriff auf alle sensiblen Daten verschafft: Sie können SMS, Telefonate und Gespräche abfangen und mithören sowie jederzeit den Standort orten. Mehr noch: Im Namen des Smartphone-Besitzers können Betrüger in Onlineshops einkaufen und das Onlinebankkonto belasten. Denn auch die per SMS übermittelten Zugangscodes können sie mitlesen. Neben Handys asiatischer Billighersteller trifft es auch Geräte von Huawei, Lenovo und Xiaomi. Was sie gemein haben: Die neuen Spähfunktionen attackieren – wie fast alle Schadprogramme – Smartphones mit dem weltweit meistgenutzten Betriebssystem Android von Google.
Die Hacker gehen dabei mit hoher krimineller Energie vor. In der Regel verstecken sie das Spionageprogramm in vorinstallierten Apps wie zum Beispiel Facebook und verknüpfen es so fest mit der ins Gerät eingebetteten Software, der sogenannten Firmware, dass sie keine Spuren hinterlassen. Selbst aufmerksame Kunden schöpfen keinen Verdacht. Enttarnen können die Kunden solch einen Spionageangriff, indem sie direkt nach dem Auspacken des Smartphones eine Sicherheits-App installieren und das Gerät nach Schadsoftware durchsuchen.
Wer im zweiten Quartal 2015 die meisten Smartphones verkaufte
Insgesamt wurden im zweiten Quartal 2015 329.676.400 Smartphones verkauft.
Quelle: Gartner (August 2015)
Der Hersteller Xiaomi verkaufte davon 16.064.900 Smartphones.
Mit 16.405.900 Smartphones konnte der Hersteller Lenovo einige Hunderttausend Smartphones mehr verkaufen.
Gut 9 Millionen Exemplare mehr konnte der chinesische Hersteller Huawei verkaufen. Es wurden 25.825.800 Smartphones verkauft.
Mit 48.085.500 Smartphones fast doppelt so viel, wie der drittplatzierte Hersteller konnte der amerikanische Konzern Apple verkaufen.
Mit großem Abstand an der Spitze liegt der Hersteller Samsung. Er verkaufte 72.072.500 Smartphones.
151.221.700 Smartphones konnten andere Hersteller im zweiten Quartal 2015 verkaufen.
Die fest eingebauten Spionageprogramm auf Android-Smartphones sind erste Auswüchse eines Preiskampfes, der weltweit auf dem Smartphone-Markt tobt. Insbesondere Billiganbieter lagern ihre Geräteproduktion an Auftragsfertiger aus, die sich schwer kontrollieren lassen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Weltmarktführer Samsung mit seinen Premiummodellen von einem Absatzrekord zum nächsten eilte. Für das erste Halbjahr 2015 meldete der US-Marktforscher Gartner erstmals weltweit einen Absatzeinbruch von 8,7 Prozent für den Konzern aus Südkorea. Dabei hält der Smartphone-Boom unvermindert an.
Samsung vom Thron stoßen
Gefragt sind jedoch plötzlich die preiswerteren Modelle chinesischer Anbieter wie Huawei, Lenovo und Xiaomi. Mit einem Plus zwischen 10 und 30 Prozent gehören sie zu den Gewinnern des Jahres 2015. Und das soll erst der Beginn einer langfristig angelegten Aufholjagd sein. Huawei und Lenovo wollen Samsung vom Thron stoßen. „Bis spätestens 2022“, kündigten beide Unternehmen kürzlich unabhängig voneinander an, „wollen wir Weltmarktführer bei Smartphones werden.“