Beyond Meat, Oatly und Co.: Ist der Veggie-Boom schon wieder vorbei?

Fleisch oder kein Fleisch? Und wie schmeckt das dem Kunden eigentlich?
Beim Börsengang im Mai 2019 sah es noch blendend aus für Beyond Meat: Der Hersteller von Veggie-Burgerpatties und anderen Fleischalternativen hatte seine Aktie zum Start auf 25 Dollar bewertet – am Abend stand sie bei mehr als 65 Dollar. Von da an ging es immer weiter hinauf bis auf knapp 235 Dollar.
Von diesem traumhaften Aufstieg ist nicht mehr viel übrig geblieben. Mehrfach musste das Start-up Verluste melden und im Jahr 2022 Stellen abbauen. Im Laufe des Jahres 2023 verkündete Beyond Meat mehrfach sinkende Umsätze, im November dann die Entlassung von acht Prozent seiner Mitarbeiter. Aktuell notiert die Beyond-Meat-Aktie nur noch bei 8,70 Dollar.
Was also läuft schief beim Veggie-Pionier? Laut Beyond Meat hat die Nachfrage nach pflanzlichen Fleischalternativen abgenommen, auch die hohe Inflation lasse Verbraucher zu preiswerteren Produkten greifen. Obendrein hätten Lobbygruppen es geschafft, Zweifel und Ängste in Bezug auf die Inhaltsstoffe pflanzlicher Fleischsorten zu schüren, klagte Beyond-Meat-Chef Ethan Brown.
Tatsächlich häufen sich nicht nur bei Beyond Meat die Probleme. Auch Hafermilch-Hersteller Oatly musste zuletzt Verluste melden und den Absturz seiner Aktie erleben. Andere Start-ups spürten im Jahr 2023 die wachsende Zurückhaltung von Wagniskapitalgebern – im August stellte etwa Nowadays, ein Entwickler von pflanzenbasiertem Hühnchen, wegen ausbleibender Finanzierung seine Arbeit ein.
Verbraucher schauen genauer auf die Preise
Kommt nach dem Veggie-Boom nun der Veggie-Bust?
Zumindest die Jahre des rasanten Wachstums scheinen tatsächlich vorbei zu sein. Das gilt auch für Deutschland, wo Verbraucher besonders auf Tierwohl und gesunde Produkte achten – und darum in den vergangenen Jahren Veggie-Herstellern massive Umsatzzuwächse beschert haben. Laut Zahlen des Marktforschers GfK stiegen die Umsätze der Branche um ersten Halbjahr 2023 aber nur noch um zwei Prozent.
Als einen zentralen Grund sehen die Marktforscher die hohe Inflation. Die steigenden Lebensmittelpreise ließen Verbraucher am Veggie-Segment in den Supermarktregalen stärker zurückschrecken, das ohnehin mit vergleichsweise hohen Preisen etwa im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch aufwartet: Die Interessengruppe ProVeg stellte in einer Studie fest, dass ein Warenkorb mit zwölf pflanzlichen Alternativprodukten im Schnitt 53 Prozent teurer war als ein Warenkorb mit tierischen Pendants. Umso mehr sorgte im Oktober eine Meldung der Supermarktkette Lidl für Aufsehen: Pflanzliche Alternativprodukte der Eigenmarke Vemondo sollen nun in deutschen Filialen gleich viel oder weniger kosten als tierische Pendants.
Fleisch wird 1200 Mal stärker subventioniert
Geringere Preise könnten das Wachstum der Veggie-Branche wieder ankurbeln, so die Hoffnung. Die Anbieter klagen ihrerseits über unfaire Bedingungen: Die Tierindustrie werde stärker gefördert als pflanzliche Produkte, heißt es bei ProVeg, etwa durch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, Agrarsubventionen und Forschungsgelder. Auch versteckte Kosten, zum Beispiel für Klimafolgen, Umweltverschmutzung und Bodendegradierung, seien nicht in tierischen Produkten eingepreist.
Beispiel Milch: Alternativen aus Hafer und Co. haben in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum hingelegt – im Jahr 2022 erreichten sie immerhin einen Anteil von 13 Prozent am deutschen Milchmarkt. Nun aber ist das Wachstum ins Stocken geraten. Für Ivo Rzegotta, der in Deutschland die Arbeit der NGO Good Food Institute Europe leitet, gibt es einen klaren Grund dafür: „Die meist noch höheren Preise von pflanzlichen Produkten halten gegenwärtig viele Menschen davon ab, zu den nachhaltigeren Optionen zu greifen“, sagt er.
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Schaut man auf die Gesamtsumme der Subventionen, sind die Klagen berechtigt. Forscher der Stanford-Universität kamen in einer im August veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass in der EU in Fleischprodukte 1200 Mal mehr staatliche Gelder fließen als in fleischlose Alternativprodukte, in den USA seien es 800 Mal mehr finanzielle Mittel.
Dabei schadet die Fleischproduktion dem Klima massiv, wie zuletzt ein Report schilderte, den das UN-Umweltprogramm UNEP auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai veröffentlichte: Fleischprodukte sind demnach für 14,5 bis 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Pflanzenbasierte Produkte, Lebensmittel aus Fermentation und kultiviertes Fleisch dagegen zeigten „bereits großes Potenzial für geringere Umweltauswirkungen“, so die Studienautoren. Die Politik sollte den Sektor unterstützen, etwa bei der Errichtung von Produktionsanlagen, und den Wettbewerb fördern, indem sie Markteintrittsbarrieren abbaue.
Zumindest langsam bewegt sich die Politik mancherorts tatsächlich in diese Richtung: Die Niederlande wollen 60 Millionen Euro in den Aufbau einer Branche für kultiviertes Fleisch und Präzisionsfermentation investieren, Dänemark 168 Millionen Euro, Frankreich 65 Millionen. Auch der Deutsche Bundestag hat kürzlich 38 Millionen Euro bereitgestellt, mit denen pflanzenbasierte Lebensmittel und kultiviertes Fleisch gefördert werden soll, Transformationshilfen an Landwirte fließen sollen und die Gründung eines Zentrums Proteine der Zukunft finanziert werden soll.
Nicht nur das Image muss besser werden, auch der Geschmack
Doch auch wenn die Rahmenbedingungen sich langsam bessern – am Ende müssen die Hersteller überzeugende Produkte liefern, die die Kunden überzeugen. Peter McGuinness, CEO des Veggie-Burger-Herstellers Impossible Foods aus den USA, will deshalb nun sein Marketing grundlegend verändern: Die Branche müsse Verbraucher weniger beleidigen und stärker einladen, forderte er kürzlich auf einer Konferenz in Los Angeles.
Auch beim Geschmack gibt es wohl noch Verbesserungsmöglichkeiten. Lange mussten sich die Hersteller um diesen nur wenig kümmern, da ihre Kunden vor allem aus Gründen des Tierschutzes zu den Produkten griffen. Diese Gruppe aber ist inzwischen weitgehend gesättigt.
Weitere Forschung und Produktentwicklung dürften demnach nötig sein, um der Branche neue Nachfrage zu verschaffen. Immerhin hat die Branche hier zuletzt Fortschritte gemacht – etwa bei kultiviertem Fleisch, das aus tierischen Zellen besteht und ähnlich wie herkömmliches Fleisch schmeckt, aber in Bioreaktoren gezüchtet wird.
Im August 2013 hatte der niederländische Forscher Mark Post erstmals einen Rindfleisch-Burger aus kultiviertem Fleisch präsentiert. Zehn Jahre später arbeiten mehr als 150 Unternehmen weltweit an der Technologie, sind die ersten Produkte in Singapur zugelassen. Im Juni 2023 erteilten auch die Behörden in den USA den ersten Produkten die Erlaubnis. Kostete der erste Labor-Burger 250.000 Dollar, so ist ein kultivierter Hähnchenspieß in Singapur heute für rund 14 US-Dollar zu haben. Ende Juli hat auch in Europa das erste Unternehmen einen Antrag auf Zulassung von kultiviertem Fleisch eingereicht: Aleph Farms aus Israel möchte seine Produkte in der Schweiz verkaufen.
Die erste Welle des Veggie-Booms ist abgeflaut, kultiviertes Fleisch noch ganz am Anfang. Aber vielleicht kommen in den Versuchsküchen jetzt die Zutaten für den nächsten Boom zusammen.
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