Fleisch „Wenn sich Fleischhersteller nicht ändern, enden sie wie Kodak“

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„Die Gladiatoren im alten Rom waren Vegetarier“

Davon sollte man doch eigentlich ausgehen.
Sicher, aber für Fleisch vom Tier gilt das nicht. Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits 2015 verarbeitetes Fleisch als krebserregend der Gruppe eins eingestuft. Das bedeutet, dass ausreichende Beweise aus epidemiologischen Studien vorliegen, dass Lebensmittel wie Speck, Wurst und Schinken Krebs verursachen. Rotes Fleisch wie Rindfleisch, Kalbs-, Lamm- und Schweinefleisch wurde in Gruppe 2A eingeordnet, das heißt, dass diese Lebensmittel wahrscheinlich Krebs verursachen.

Dabei heißt es immer, Fleisch mache stark.
Es ist ein lang gehegtes Vorurteil, dass tierische Proteine aus Fleisch- und Milch entscheidend für  herausragende, sportliche Leistungen oder Kraft sind. Das Gegenteil ist der Fall. Sie wirken übersäuernd und fördern Entzündungen. Wussten Sie, dass die Gladiatoren im alten Rom Vegetarier waren? Pflanzliche Produkte bräuchten eine großangelegte Image-Kampagne, wie sie jahrzehntelang von der Fleisch- und Milchindustrie gefahren wurden - übrigens unterstützt mit EU-Geldern.

Sie meinen Kampagnen wie „Die Milch macht’s!“?
Ja, und das war nur der Slogan der Kampagne, die in den Achtzigerjahren lief. Schon davor, seit den 50ern bis heute, hat die Milchwirtschaft viele Millionen investiert, um mehr Milch zu verkaufen. Dabei wurde immer suggeriert, Milch sei gesund und müsse deshalb täglich getrunken werden. 



Und das ist falsch?
Kuhmilch enthält neben tierischen Fetten, Zucker und Allergenen das kritische Wachstumshormon IGF1. Ein häufiger und starker Konsum erhöht nachweislich sogar das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken. Renommierte Ernährungswissenschaftler sagen auch ganz deutlich, dass Kuhmilch für unsere Ernährung nicht essenziell ist. Wenn das so wäre, würden auch mehr als zwei Drittel der Menschheit nicht überleben. Sie können Kuhmilch nicht beschwerdefrei trinken, weil ihnen ein Enzym für die Verdauung des Milchzuckers fehlt.

Wäre es da nicht schlauer, wenn sich die Hersteller von pflanzlichen Produkten bewusst von tierischen Produkten absetzen, statt weiter von Hack oder Burgern zu sprechen?

Nein, denn Begriffe wie Fleisch, Käse, Fisch sind gelernt. Jeder weiß, was es ist. Und wenn auf der Packung „rein pflanzlich“, „wie“ Gyros oder das „V-Label“ steht, das nur vegetarische oder vegane Produkte bekommen, dann ist das für die Verbraucher eindeutig.

Vorbehalte haben dennoch offensichtlich viele. Laut einer Umfrage der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung kann sich aber nur ein knappes Viertel der Befragten Laborfleisch als Alternative vorstellen.
Dabei geht es um das Thema kultiviertes Fleisch. Das ist den meisten Konsumenten noch nicht wirklich bekannt. Und wenn das aus Zellkulturen entwickelte Fleisch, das wie beim Bierbrauen in einer Art Braukessel hergestellt wird, lapidar als Laborfleisch bezeichnet wird, dann ruft das natürlich negative Assoziationen hervor. Den Herstellern ist klar, dass sie im Vorfeld die Vorteile kommunizieren müssen. Es wird auch noch einige Zeit dauern, bis diese Produkte auf den Markt kommen. Aber die aktuellen Entwicklungen sind aber vielversprechend.

Aber könnte es nicht auch sein, dass die Konsumenten nach der Corona-Pandemie wieder in alte Muster zurückfallen - und sich wie eh und je Billigfleisch auf den Grill werfen?
Nein, denn die großen Probleme der Fleischindustrie bleiben ja: die sich verstärkende Klimakrise und der damit verbundene Druck des Kapitalmarkts auf die Unternehmen, sich nachhaltiger aufzustellen. Das globale Bevölkerungswachstum und die Erkenntnis, dass wir mit der bisherigen Art, Fleisch und Milchprodukte herzustellen, die vielen Menschen schlichtweg nicht mehr ernähren kann. Die Unternehmensberatung Kearney rechnet darum damit, dass Fleischalternativen aus Pflanzen und Zellkulturen schon im Jahr 2030 knapp 30 Prozent des Fleischmarkts Marktes ausmachen werden.

Und was wird aus den Fleischherstellern? 
Fleischhersteller und andere Unternehmen aus der Lebensmittelbranche, die sich nicht ändern und die nicht in den Markt alternativer Proteine einsteigen, werden enden wie der Fotokonzern Kodak, der die Digitalkamera verschlafen hat: Sie werden früher oder später aus dem Markt verschwinden.

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Während Deutschland über Skandale in Schlachthöfen diskutiert, dringen innovative Anbieter mit neuen Produkten in die Supermärkte vor. Verbraucher stürzen sich drauf – die Fleischindustrie steht vor ihrem Kodak-Moment.

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