Wirtschaft von oben #116 – Hochwasser und Überschwemmungen So schwer sind Unternehmen betroffen

Quelle: LiveEO/Skywatch

Deutsche Unternehmen kämpfen in den betroffenen Gebieten auch mehr als eine Woche nach dem Hochwasser noch mit den Folgen. Exklusive Satellitenbilder zeigen jetzt erst, wie groß die Schäden sind. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Schuttberge türmen sich vor den Häusern, vielerorts sind Straßen unpassierbar und Brücken weggeschwemmt. Erst jetzt, als das Wasser abfließt, zeigt sich das ganze Ausmaß des Hochwassers im Westen Deutschlands. Für Unternehmen und Betriebe ist nun eine erste Schadensbilanz möglich: Welche Maschinen sind kaputt, wie viel Infrastruktur ist zerstört? Die Antworten darauf entscheiden darüber, ob und wie schnell wieder zum Normalbetrieb übergegangen werden kann. Auch wenn die Aufräumarbeiten an Erft und Ahr erst beginnen, dürfte der Schaden für Unternehmen in die Milliarden gehen.

Besonders betroffen ist das Werk des Kupfer-Recyclers Aurubis im nordrhein-westfälischen Stolberg. Das Werk wurde vergangene Woche überflutet, die Zufahrtsstraße unterspült. Die Auswirkungen sind zum Teil auch auf den Satellitenbilder von LiveEO zu sehen. Das Unternehmen erklärte „Force Majeure“, also höhere Gewalt. Eine Belieferung von Kunden und eine Abnahme von Zulieferungen seien aktuell unmöglich, heißt es beim Kupferhersteller. Seit Sonntag ist eine Reinigungsfirma vor Ort, um Maschinen und Hallen zu säubern. Wann der Betrieb wieder aufgenommen wird, ist noch unklar. Aurubis geht davon aus, dass der entstandene Schaden durch die Versicherung gedeckt ist. Auch die Jahresziele sieht der Konzern nicht gefährdet. Zumindest die IT funktioniert in Stolberg inzwischen wieder, den 400 Mitarbeitern können somit zumindest die Gehälter planmäßig ausgezahlt werden. „Wir bauen wieder auf, wir werden wieder produzieren“, versicherte eine Sprecherin des Unternehmens.


Ebenso schwer vom Hochwasser verwüstet, ist das Werk des Autozulieferers ZF Friedrichshafen im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler. Von einer schnellen Wiederaufnahme der Produktion kann derzeit keine Rede sein. Es werde Monate dauern bis das Werk wieder die volle Kapazität erreicht hat, sagte ZF der WirtschaftsWoche. Der Zulieferer produzierte im Werk bislang elektrische Dämpfungssysteme für Autos. Damit können etwa Schlaglöcher abgefedert werden. Das Produkt wird vor allem in Premiumautos eingesetzt. Prinzipiell kann es aber auch mit einem konventionellen Dämpfer ersetzt werden. Ob der Ausfall des Werkes noch für Engpässe in der Lieferkette führen wird, ist offen. Bislang melden die Autobauer keine größeren Probleme.


Allerdings gilt das ZF-Werk in Bad Neuenahr-Ahrweiler als Leitwerk für das Produkt, es gibt also kaum andere Möglichkeiten, die Dämpfer in der benötigten Stückzahl woanders zu produzieren. „Wir sind mit allen betroffenen Kunden in detaillierten Analysen, wie wir diese Phase überbrücken können, ohne die Produktion von Fahrzeugen einzuschränken“, teilte der Autozulieferer mit.

Die Schäden an den Montageanlagen sind immens. Alle Anlagen müssen komplett wieder aufgebaut werden, heißt es bei ZF. Deshalb will der Autozulieferer in den nächsten Wochen manuelle Montagen etablieren. Den Marktbedarf kann ZF damit aber nicht decken. Zudem sind viele Mitarbeiter privat von der Katastrophe getroffen. Es ist fraglich, wann sie wieder arbeiten könnten. Ein Notfallstab ist eingesetzt und versucht aktuell noch, sich ein Bild von der Lage zu machen.


Der Starkregen hat auch beim Energieriesen RWE für Beeinträchtigungen gesorgt. Wasser drang in den Tagebau Inden bei Aachen ein, der Kohleabbau wurde gestoppt. Das dazugehörige Kraftwerk Weisweiler läuft nur eingeschränkt und wird mit Kohle aus den Vorräten versorgt. In den kommenden Tagen will RWE den Tagebau wieder in Betrieb nehmen. Das Kraftwerk wird seine volle Kapazität voraussichtlich erst wieder Anfang August erreichen.

Zudem musste RWE mehrere Wasserkraftwerke in der Eifel, an Mosel, Saar und Ruhr abschalten. Mittlerweile sind die Werke wieder in Betrieb: „Praktisch alle Anlagen produzieren wieder Strom“, teilte der Energiekonzern am Donnerstag mit. Insgesamt rechnet RWE mit einem Schaden von bis zu einem mittleren Millionenbetrag.


Das Steigenberger Hotel in Bad Neuenahr kann an einen normalen Betrieb noch nicht denken. Das Hochwasser hat Erdgeschoss und Keller stark verwüstet, die Aufräumarbeiten laufen noch. Es sei noch nicht abzusehen, wann das Hotel wieder Gäste empfangen könne, teilte ein Sprecher der Deutschen Hospitality, zu der die Steigenberger-Hotelgruppe gehört, mit.

Die Hoteliers evakuierten die Gäste rechtzeitig und gingen dabei auf Nummer sicher: Die Gäste wurden auf den Petersberg bei Bonn gebracht. Das Hotel dort liegt mehr als 300 Meter über dem Rhein.


„Auf unbestimmte Zeit geschlossen“, steht auf der Website des City-Outlets Bad Münstereifel. Die Erft hat im beschaulichen Städtchen für ein Bild der Verwüstung gesorgt. Die historische Altstadt ist schwer geschädigt und nahezu alle Geschäfte sind vom Hochwasser betroffen.

Dank der Hilfe von vielen freiwilligen Helfern, Einsatzkräften, Bauunternehmen und Handwerkern gehen die Aufräumarbeiten aber gut voran. Ende nächster Woche werden fast alle betroffenen Läden geräumt sein. Die Straßen in der Innenstadt seien in großen Teilen bereits ausgebessert, sodass noch besser an den Immobilien gearbeitet werden könne, sagte ein Sprecher.


Bayer betreibt ein Werk im Chemiepark in Hürth-Knapsack im Rhein-Erft-Kreis. Dort werden Pflanzenschutzmittel produziert. Zwar war das Gelände vom Starkregen direkt nur minimal betroffen, allerdings hat das Hochwasser die Verkehrsinfrastruktur im Umfeld zerstört. Nun kann das Bayer-Werk, wie auch andere Industrieunternehmen, nicht wie üblich über die Schiene mit Rohstoffen versorgt werden. Bayer konnte die Versorgung bislang jedoch gut mit Lkw ersetzen. Nun läuft das Werk wieder unter Volllast. Auch bei Bayer sind viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Werk im privaten Umfeld stark von der Katastrophe betroffen. Sie stellt Bayer bis zu zehn Arbeitstage bezahlt frei.

Mitten im Hochwassergebiet hat der Süßwarenkonzern Haribo seinen Unternehmenssitz. Einsatzkräfte nutzten das Werk in Grafschaft im Kreis Ahrweiler in den ersten Tagen als Lagezentrum. Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind betroffen, Haribo unterstützt sie mit finanziellen Soforthilfen und vermittelt Wohnraum. Die Produktion war nicht von den Überschwemmungen beeinträchtigt, jedoch merkt Haribo, ähnlich wie Bayer, die schwerwiegenden Schäden der Infrastruktur. „Die Autobahn 61 – unsere wichtigste Nord-Süd-Route und auch Anbindung an die Seehäfen in Westeuropa – ist bis auf Weiteres gesperrt“, teilte ein Sprecher des Unternehmens mit. Auch auf den Ausweichstrecken komme es zu einem enormen Verkehrsaufkommen. Haribo hofft, Lieferrückstände zu vermeiden beziehungsweise diese schnellstmöglich aufzuholen. Noch sei die Lage aber unübersichtlich und man fahre auf Sicht, heißt es von Haribo.

Probleme bei den Lieferketten werden Unternehmen noch einige Zeit beschäftigen. Es sei noch nicht klar, welche Folgeauswirkungen die Zerstörungen haben, sagte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Nordrhein-Westfalen. Die Lage im Maschinenbau war schon zuvor durch die Coronapandemie und Materialengpässe angespannt. Nun sei sie durch die zerstörte Infrastruktur noch schwieriger geworden, teilte der VDMA NRW mit.

Laut der Deutschen Bahn sind 600 Kilometer Gleise betroffen, mehr als 50 Brücken hat die Flut zerstört. Die für die Bahninfrastruktur verantwortliche DB Netz repariert zuerst Strecken mit einem hohen Nutzen für den Bahnverkehr, die zudem wenig aufwendige Baumaßnahmen brauchen. Dennoch dauert es Monate, wenn nicht Jahre, bis die Schäden beseitigt sind. „Unser Ziel ist es, dass wir etwa 80 Prozent der beschädigten Infrastruktur bis Jahresende wieder auf Vordermann bringen können, teilte DB Netz mit. Nach einer ersten Schätzung haben die Wasserschäden Schäden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro an Gleisen und Bahnhöfen verursacht. Wichtige Strecken für den Güterverkehr, wie beispielsweise in die Benelux-Länder oder entlang der linken Rheinseite, seien aber wieder befahrbar. Auch das Terminal in Wuppertal ist wieder in Betrieb.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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