Wirtschaft von oben #148 – Lieferketten durch Russland So kann Putin über Nacht die Laptop-Lieferungen nach Europa kappen

So kann Putin die Laptop-Lieferungen nach Europa kappen Quelle: LiveEO/CNES

Erst Corona, dann Flugverbote über Russland – nun droht weiterer Stress für Lieferketten. Der Kreml kann die Eisenbahnverbindung zwischen Europa und Asien blockieren, die Satellitenaufnahmen zufolge zuletzt enorm an Bedeutung gewonnen hat. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Bereits vor einigen Tagen hat Russland seinen Luftraum für europäische Flugzeuge, die zwischen Asien und Europa unterwegs sind, gesperrt. Nach der Coronapandemie ein neuer Stresstest für viele Lieferketten. Satellitenaufnahmen von LiveEO zeigen nun, dass Russlands Präsident Wladimir Putin noch einen weiteren Trumpf im Ärmel hat, um der europäischen Wirtschaft zu schaden, als Antwort auf die Sanktionen des Westens: die Eisenbahn.

Über die neue Seidenstraße, deren wohl wichtigster Abschnitt die Transsibirische Eisenbahn ist, werden inzwischen beachtliche Mengen Frachtcontainer transportiert. Die allermeisten treffen in der kleinen polnischen Stadt Malaszewicze an der weißrussischen Grenze in der EU ein. Der Ort besitzt gleich mehrere große Umladeterminals für Container. Denn Russlands Eisenbahn fährt auf einer anderen Spurbreite als die europäische.

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Erst Anfang Januar hat der Hamburger Hafenbetreiber HHLA das Unternehmen CL Europort sowie dessen Logistikzentrum in Malaszewicze übernommen. CL Europort hatte den Standort in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut, wie die Satellitenbilder zeigen. Aktuell läuft der Betrieb noch störungsfrei, heißt es von HHLA. „Wie sich die Verkehre über Malaszewicze entwickeln werden, ist derzeit nicht abzusehen“, sagt allerdings eine Sprecherin.


Zwar betreffen die Sanktionen, die die EU gegen die russische Staatsbahn erhoben hat, den Containertransitverkehr bisher nicht. Doch könne sich das schnell ändern, etwa wenn Putin den wichtigen Transitweg als Vergeltungsmaßnahme sperren sollte, warnt ein Brancheninsider.

Insgesamt werden pro Jahr inzwischen mehr als eine Million Container über die Eisenbahn zwischen China und Europa transportiert, darunter auch jede Menge mit fertigen und halbfertigen Fahrzeugen, die in China final montiert werden. Eine alternative Containerroute, die nicht durch Russland führt, gibt es auf dem Landweg derzeit nicht. Selbst die südliche über Kasachstan verlaufende Strecke führt auch durch Russland.

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Zwar ist das Volumen immer noch überschaubar. Insgesamt wurden 2020 zwischen Europa und China 23 Millionen Container transportiert, meist mit dem Schiff. Doch die ohnehin gestressten Lieferketten könnte ein Eingreifen Putins weiter belasten. Denn die Passage ist etwa dreimal so schnell wie der Wasserweg – dauert nur 14 Tage.

Neben dem Risiko, dass Putin die Route komplett blockiert, gibt es weitere Risikofaktoren für die Lieferketten, sagen Insider. So störten Aktivisten, die sich Cyberpartisanen nennen, vergangene Woche mit Hackerangriffen das weißrussische Eisenbahnsystem, um den Nachschub an Kriegsgerät an der Front zu verzögern. Und wenn Russland mehr und mehr Panzer in Richtung Ukraine bringt, könnten die Lokomotiven im zivilen Güterverkehr knapp werden.


Nicht nur die deutsche HHLA hat sich in Malaszewicze ausgebreitet. Auch das polnische Logistikunternehmen Agrostop hat seine Abfertigungskapazitäten in den vergangenen Jahren erweitert, wie die Satellitenaufnahmen zeigen.

Auch der Anbieter PKP Cargo plant, 850 Millionen Euro in den Ausbau seines Terminals zu investieren. Statt rund 15 sollen bei ihm dann bis zu 55 Güterzüge pro Tag umgeladen werden können.


Zumindest würde Russland bei einer Sperrung der Verbindung auch seinem immer wichtiger werdenden Partner China schaden. Laut der chinesischen Zeitung „21st Century Business Herald“ wurden allein 2020 über die Route mehr als zehn Millionen Laptop-Computer verschickt, hergestellt rund um die Megametropole Chongqing. Die ersten Unternehmen haben auf das Risiko bereits reagiert. Laut der Hongkonger Tageszeitung „South China Morning Post“ stellte der taiwanesische Netzwerkausrüster Zyxel den Versand via Eisenbahn nach Europa inzwischen ein.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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