Wirtschaft von oben #40 – Venedig So leergefegt ist Venedig durch das Coronavirus

Exklusive Satellitenbilder zeigen den nahezu menschenleeren Markusplatz in Venedig. Die Szenerie in der ansonsten von Touristen überlaufenen Stadt verdeutlicht, wie tiefgehend die Schutzmaßnahmen der Regierung das öffentliche Leben in Italien beeinflussen. Quelle: LiveEO/UP42

Das Coronavirus verbreitet sich immer schneller. Neben China ist Italien am stärksten betroffen. Exklusive Satellitenbilder zeigen, wie die Schutzmaßnahmen die Touristenhochburg Venedig binnen weniger Wochen in einen nahezu verlassenen Ort verwandelten. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Die Lagunenstadt Venedig in Norditalien gehört zu den beliebtesten Reisezielen Europas. Jährlich stürmen 30 Millionen Touristen das nur etwas mehr als 50.000 Einwohnerstarke historische Zentrum der Stadt. Doch wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO dieser Tage zeigen, ist der Markusplatz, mit dem weltberühmten Markusdom, dem bekannten Glockenturm und dem Dogenpalast wie leergefegt. Fast alle Geschäfte sind geschlossen, von den Horden Selfies schießender Touristen fehlt jede Spur. Nur vereinzelt eilen Anwohner über den Platz. Was ist hier passiert?

Venedig hatte gerade die Schäden des Hochwassers im November verkraftet, als Ende Januar die ersten Corona-Fälle in Italien bekannt wurden. Die Angst vor dem Virus ließ die Hotelbuchungen vor dem weltberühmten Karneval um 30 Prozent einbrechen. Vor allem die wichtige Zielgruppe aus China fehlte, wohl auch wegen eingestellter Flugverbindungen. Einen Tag vor Beginn der ersten Feierlichkeiten schätzte der Verband der Hoteliers von Venedig, der 400 Hotels mit rund 10.000 Mitarbeitern vertritt, den Schaden durch das Hochwasser und den Virus auf rund 60 Millionen Euro.


Doch es kam schlimmer: Am 15. Februar starb ein 80-jähriger Tourist aus China in Frankreich an dem Virus – der erste Todesfall in Europa. Einige Tage später waren in Italien rund 130 Menschen erkrankt, zwei dem Virus bereits erlegen. Aufgrund der raschen Ausbreitung und um weitere Infektionen zu verhindern, brachen die Verantwortlichen den Karneval in Venedig zwei Tage vor dem eigentlichen Ende ab. „Wir müssen uns drastischen Maßnahmen anpassen“, sagte Luca Zaia, der Präsident der Region Venezien. Dazu zähle die Absage des Karnevals „und sogar noch mehr“.

Am Sonntag (8. März) erklärte die italienische Regierung Venedig zum Sperrgebiet. Das öffentliche Leben erlahmte weitestgehend. Nicht nur die Hotels sind betroffen – fast jeder in der Stadt arbeitet in der Tourismusbranche. Ob Kellner, Gondoliere oder Künstler: Ohne Besucher können sie nicht arbeiten.

Mittlerweile hat die italienische Regierung die „Schutzzone“ auf das ganze Land ausgeweitet. „Ich bleibe zu Hause“, appellierte Ministerpräsident Giuseppe Conte an seine Mitbürger. Bis zum 3. April dürfen die Italiener nur noch aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen sowie in dringenden Notfällen unterwegs sein. Ansonsten stehen die Menschen faktisch unter Quarantäne. Schulen, Universitäten und Kindergärten bleiben geschlossen, Großveranstaltungen wie Fußballspiele finden nicht statt. Auch öffentliche Versammlungen sind verboten.


Um der Bevölkerung trotzdem zu ermöglichen, zur Arbeit zu gehen und damit die Wirtschaft am Leben zu halten, fahren die Züge sowie der öffentliche Nahverkehr weiterhin. Auch die Flughäfen will die Regierung vorerst nicht sperren. Außerdem stellte sie am Montagabend klar, dass Supermärkte weiterhin geöffnet bleiben, und riet von Panikkäufen ab – ohne Erfolg. Italienischen Medien zufolge schlugen die Menschen vor allem bei Lebensmitteln und Hygieneartikeln kräftig zu.

Um sicherzustellen, dass die Menschen die Maßnahmen der Regierung einhalten, hat die italienische Polizei im ganzen Land die Befugnis, Passanten anzuhalten und zu prüfen, ob ihre Reise gerechtfertigt ist. Da das Reiseverbot am Tag des Inkrafttretens praktisch nirgends eingehalten wurde, drohte die Regierung mit Geld- oder gar Freiheitsstrafen bei Missachtung des Dekrets.

Einige Nachbarländer reagierten bereits auf den Ausnahmezustand in Italien. So hat Österreich die höchste Reisewarnstufe für das Land an der Mittelmeerküste ausgerufen und auch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik rät komplett von „nicht erforderlichen Reisen“ ab.
Aktuell sind in Italien über 10.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, mehr als 630 starben.

Besonders viele Infektionen gibt es in den Provinzen Lombardei und Venezien. Damit trifft das Virus die ohnehin angeschlagene italienische Wirtschaft mitten ins Herz, denn die beiden Regionen machen 30 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Zudem erwirtschaftet der Tourismus zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts – bei einer drohenden Epidemie eine offene Flanke.

Ministerpräsident Conte betonte zwar, die Regierung werde „den finanziellen Schaden, den wir bei der lokalen Bevölkerung anrichten“ wiedergutmachen. Wie das funktionieren wird, ist derzeit ungewiss. Italien hat keine Reserven, um auf den wirtschaftlichen Schock zu reagieren, kämpfte gar schon vor dem Virus mit horrenden Staatsschulden. Sollte der Notstand bis Juni anhalten, rechnen die italienischen Handelskammern mit einem Schaden von 37 Milliarden Euro.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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