
Unterschiedlicher könnte die Stimmung kaum sein: Noch 2012 brodelte es gewaltig in der Daimler-Konzernzentrale in Stuttgart-Untertürkheim. Bei wichtigen Modellen hatte Mercedes den Anschluss verpasst. Audi und BMW hatten die Stuttgarter abgehängt – gerade in dem zu jener Zeit gehypten Wachstums-Mekka China. Zudem bekam Vorstandschef Dieter Zetsche die schrumpfenden Gewinne in der für Daimler so wichtigen Autosparte nicht in den Griff. Die Probleme dort lähmten den ganzen Konzern – was wiederum Kritik an Zetsches Führungsstil provozierte.
Die Folge: Der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden wurde nicht wie vorgesehen um fünf, sondern nur um drei Jahre verlängert. Eine öffentliche Ohrfeige. Später sickerte durch, dass sogar die drei Jahre ein mühsamer Kompromiss waren – die Arbeitnehmer wollten Zetsche ganz loswerden, Aufsichtsratschef Manfred Bischoff konnte sie aber noch überzeugen. So oder so: Der Chef mit dem charakteristischen Walross-Bart war angezählt, intern wie extern.
Wie Daimler 2015 abgeschnitten hat
Absatz: 2,9 Millionen Fahrzeuge(2014: 2,5 Millionen Fahrzeuge)
Umsatz: 149,5 Milliarden Euro (2014: 129,9 Milliarden Euro)
Ebit: 13,5 Milliarden Euro (2014: 10,8 Milliarden Euro)
Überschuss nach Steuern: 8,9 Milliarden Euro (2014: 7,3 Milliarden Euro)
Dividende: 3,25 Euro je Aktie (2014: 2,45 Euro je Aktie)
Quelle: Geschäftsbericht Daimler
Absatz: 1,99 Millionen Fahrzeuge (2014: 1,722 Millionen Fahrzeuge)
Umsatz: 83,8 Milliarden Euro (2014: 73,6 Milliarden Euro)
Ebit: 8,226 Milliarden Euro (2014: 5,853 Milliarden Euro)
Umsatzrendite: 9,8 Prozent (2014: 8,0 Prozent)
Absatz: 502.500 Fahrzeuge (2014: 495.700 Fahrzeuge)
Umsatz: 37,6 Milliarden Euro (2014: 32,4 Milliarden Euro)
Ebit: 2,576 Milliarden Euro (2014: 1,878 Milliarden Euro)
Umsatzrendite: 6,9 Prozent (2014: 5,8 Prozent)
Absatz: 321.000 Fahrzeuge (2014: 294.600 Fahrzeuge)
Umsatz: 11,5 Milliarden Euro (2014: 10,0 Milliarden Euro)
Ebit: 0,9 Milliarden Euro (2014: 0,682 Milliarden Euro)
Umsatzrendite: 7,8 Prozent (2014: 6,8 Prozent)
Absatz: 28,100 Fahrzeuge (2014: 33.200 Fahrzeuge)
Umsatz: 4,1 Milliarden Euro (2014: 4,2 Milliarden Euro)
Ebit: 0,214 Milliarden Euro (2014: 0,197 Milliarden Euro)
Umsatzrendite: 5,2 Prozent (2014: 4,7 Prozent)
Verleaste oder finanzierte Fahrzeuge: 3,7 Millionen Fahrzeuge (2014: 3,3 Millionen Fahrzeuge)
Gesamtes Vertragsvolumen: 116,7 Milliarden Euro (2014: 99,0 Milliarden Euro)
Ebit: 1,619 Milliarden Euro (2014: 1,387 Milliarden Euro)
Eigenkapitalrendite: 18,3 Prozent (2014: 19,4 Prozent)
Wenn Zetsche jedoch am morgigen Donnerstag in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena auf die Bühne tritt, um die Geschäftszahlen für 2015 zu verkünden, wird von den Unruhen des Jahres 2012 nichts mehr zu sehen sein. Mit der neuen S- und C-Klasse hat Mercedes den Nerv der Kernkundschaft getroffen, mit der neuen A- und CLA-Klasse wurde die Marke auch für jüngere Autofahrer attraktiv. Die komplett neuen oder überarbeiteten SUV verkaufen sich ebenfalls blendend.
Autosparte: Vom Sorgenkind zum Wachstumstreiber
1,99 Millionen Autos der Marken Mercedes-Benz und Smart haben die Stuttgarter im vergangenen Jahr abgesetzt – 14,4 Prozent mehr als 2014. Im Dreikampf um die Premium-Spitze hat Daimler die Konkurrenz aus Ingolstadt wieder überholt. 2016 dürfte der Schwung anhalten: Im April rollt die neue Generation der E-Klasse zu den Mercedes-Händlern.
Diese Erfolgssträhne wird sich auch in den Kennzahlen der Jahresbilanz wiederfinden. Von Reuters befragte Analysten rechnen mit einem Umsatz von 147,6 Milliarden Euro (plus 13,7 Prozent). Das Ebit legt sogar um 27,3 Prozent auf 13,7 Milliarden Euro zu – der optimistischste Analyst rechnet gar mit 14,3 Milliarden Euro. In den Prognosen liegt die Umsatzrendite bei 9,4 Prozent, die einst kränkelnde Autosparte steht mit 10,17 Prozent noch besser da – auch im Vergleich zum Wettbewerb.
Keine Hiobsbotschaft in der Autobranche konnte Daimler zuletzt etwas anhaben. Nach dem VW-Skandal sind die Verkäufe von Mercedes-Modellen mit Dieselmotor nicht zurückgegangen, beteuert der Konzern bis heute. Auch das stark abkühlende Wachstum in China hat sich nicht auf die Bilanz durchgeschlagen. Im Gegenteil: Die Marke Mercedes legte dort um stolze 32,6 Prozent zu und verkaufte rund 373.000 Wagen.





Zwar muss zur Ehrenrettung der Konkurrenz gesagt werden, dass die Stuttgarter den chinesischen Markt erst spät erschlossen haben und immer noch von dem daraus resultierenden Nachholbedarf – etwa beim wachsenden Händlernetz – profitieren. Dieses Potenzial nutzen Zetsche und seine Mannen aber voll aus.
Dennoch: Die Punkte, die 2012 gegen Zetsche ins Feld geführt wurden, zählen heute für ihn. Er hat innerhalb kürzester Zeit Daimler von einem trägen Konzern in ein gut positioniertes Unternehmen mit attraktiven Modellen gewandelt. Sein einziges Problem: Das Rekordjahr 2015 ist vorbei. Und über 2016 stehen einige Fragezeichen.