E-Mobilität Mit Byton droht der deutschen Autobranche ein zweiter Tesla

Noch in diesem Jahr sollen die ersten Byton-Autos, der SUV M-Byte, bei chinesischen Kunden stehen. Anfang 2021 soll Kalifornien folgen. Europa Ende 2021. Quelle: Byton

Der chinesische E-Autokonzern hat in der Nacht in Las Vegas im Vorfeld der US-Hightechmesse CES seine Pläne konkretisiert; die scheinen um einiges fundierter und durchdachter als die der übrigen E-Auto-Start-ups. Byton hat zudem neue, mächtige Partner präsentiert.

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2020 wird das Jahr des internationalen Durchbruchs der E-Mobilität. Dessen ist sich der Chef des chinesischen E-Autobauers Byton, der Deutsche Daniel Kirchert, sicher. „Seit Januar 2017, als wir unser erstes Konzept hier in Vegas vorgestellt haben, ist viel passiert“, sagte Kirchert am Sonntagnachmittag im Vorfeld der Eröffnung der weltgrößten Hightechmesse CES in Las Vegas.

Vor allem der US-Pionier Tesla habe in wichtigen Marktsegmenten etablierte Hersteller verdrängt, sei entgegen aller Unkenrufe nicht pleite gegangen, habe mit seinem Model 3 erstmals bewiesen, dass E-Autos auch als Erstauto massenmarkttauglich seien und nun in Shanghai ein erstes Werk außerhalb der USA eröffnet. „Nun ist die Zeit reif für einen zweiten reinrassigen Hersteller von hochwertigen, innovativen Elektroautos“, sagte Kirchert in Las Vegas, „ich glaube, dass diese Tesla-Alternative für viele Käufer Byton heißen wird.“

Die CES, einst Bühne für Neuheiten aus der Konsum-Elektronik wie Fernseher und Telefone und dann Computermesse, wandelt sich immer mehr zur Mobilitätsshow. Auch deutsche Autobauer wie BMW, Audi und Daimler sind vermehrt präsent und versuchen sich als IT- und elektro-affine Zukunftskonzerne zu präsentieren. Sie müssen die neue Fernost-Konkurrenz durchaus fürchten. Ihre eigenen Modelle, zuletzt der Mercedes EQC, entpuppen sich zunehmend als Flops und sind weder in Preis noch in der Leistung mit Tesla konkurrenzfähig. Selbst die deutschen Technologieführer Audi und Porsche kämpfen mit unerwartet hartnäckigen Problemen. Der mit Spannung erwartete Porsche Taycan offenbarte bei Tests der US-Behörde EPA , dass er in Sachen Effizienz nicht mit Tesla schritthalten kann. Bei gleich großem Akku müssen die Porsche deutlich öfter an die Ladesäule. Deutsche Elektroauto-Newcomer wie Sono aus München oder die E.Go Mobile des Aachener Professors und StreetScooter-Gründers Günther Schuh kämpfen gar ums nackte Überleben. Der E.Go ist bereits vor dem Verkaufsstart technisch überholt.

Finanzengpass abgewendet, Fabrik fertig

Anders Byton. Der Konzern, der sich selbst lieber als Start-up bezeichnet, erfreut sich nach wie vor der Rückendeckung chinesischer Behörden, wie der Provinz Nanjing. Byton hat den deutschen Autobauern – ebenso wie zuvor Tesla – nicht den Gefallen getan, einfach pleite zu gehen. Im Gegenteil: Die milliardenteure, 800.000 Quadratmeter große Fabrik im chinesischen Nanjing ist nun fertig. Noch im Sommer hatte es Gerüchte um Finanzierungsengpässe gegeben; sogar über ein mögliches Ende des Unternehmens war spekuliert worden, nachdem der Co-Gründer Carsten Breitfeld, ein Ex-BMW-Manager, Byton in Richtung Faraday Future verlassen hatte.

Nun hat Byton neue Geldgeber gefunden. Erstmals kamen in der dritten Finanzierungsrunde nicht-chinesische Geldgeber mit an Bord, aus Japan und Südkorea. Sie werden mindestens eine halbe Milliarde Dollar, eingerechnet nicht-monetärer Hilfen von chinesischen Regionen, Städten und anderen staatlichen Stellen „wahrscheinlich deutlich mehr“ einbringen, sagte der Byton-Chef der WirtschaftsWoche. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Exemplare des ersten Modells der Marke, des SUV M-Byte, bei chinesischen Kunden stehen. Anfang 2021 soll dann Kalifornien folgen. Europa sei dann Ende 2021 an der Reihe. Er sei „zu einhundert Prozent sicher“, dass Byton diese ehrgeizigen Ziele halten werde, sagt Kirchert.

Zwar sind die 60.000 Vorbestellungen für den Byton M bescheiden im Vergleich zu den mehr als 400.000 Bestellern, die Tesla bereits in den ersten Wochen nach der Ankündigung des Model 3 verbuchte. Aber anders als bei Tesla ist der M auch Bytons erstes Modell überhaupt. Das Unternehmen ist erst gut drei Jahre alt und außerhalb Chinas ziemlich unbekannt.

Die erste Fahrt im Byton M-Byte
Byton, die Elektromarke der chinesischen Future Mobility Corporation Quelle: Byton
Byton M-Byte: Ein Blick ins Cockpit Quelle: Byton
Bytons M-Byte kommt mit einem gigantischen 48-Zoll-Großbildschirm über die gesamte Innenbreite Quelle: Byton
Die vielen Bildschirme im Byton M-Byte lenken bei der ersten Fahrt ganz schön ab Quelle: Byton
„Doch wir wollen mehr sein, als ein fahrendes Smartphone“, lacht Byton-Chefentwickler David Twohig Quelle: Byton
Die günstigere Basisversion des Byton M-Byte ab circa 45.000 Dollar muss mit einem Hinterradantrieb und einem kleineren 71-kWh-Batteriepaket auskommen. Quelle: Byton
auch wenn der M-Byte mit einer Gesamtleistung von 350 kW / 476 PS und über 700 Nm maximalem Drehmoment verfügt, sind ihm sportliche Gene weitgehend fremd Quelle: Byton

Der M-Byte wird attraktiv, so viel lässt sich sagen: Für den Preis von 45.000 Dollar bietet er mehr als manche Modelle der deutschen Autobauer, die fast das Doppelte kosten. Der Wagen wirkt hochwertig, ist geräumig und bietet ein modernes Benutzerkonzept, das auf einem 48-Zoll breiten Digitaldisplay unterhalb der Windschutzscheibe fußt.

Byton präsentierte in Las Vegas zudem eine ganze Rieger neuer Partner – darunter den Medienkonzern Viacom-CBS. Der wird den Byton-Besitzern exklusive Inhalte wie Musik, TV Programme und Filme direkt auf das Display in Fahrzeugbreite streamen. Wenn das Auto parkt, wird es zum Heimkino – oder, je nach Gusto, zum mobilen Büro, denn auch Excel und Powerpoint lassen sich auf das breite Display bringen. „Cinema mode“ oder „office mode“ nennen das die Byton-Manager. „Das Auto soll sich nahtlos ins zunehmend digitale Leben unserer Kunden integrieren“, sagt Kirchert.

Auf den Spuren des Tesla-Geschäftsmodells

Der wichtigste neue Partner aber ist Marubeni. Mit ihm zusammen wird Byton Tesla nacheifern und ein ganzheitliches Konzept aus Auto, Solarenergie und Heimspeicher anbieten. Das japanische Konglomerat hat bereits viel Erfahrung mit dem Aufbau und Betrieb großer Solarparks. Marubeni ist neben der operativen Zusammenarbeit auch einer der größten Investoren in der dritten Finanzierungsrunde Bytons.

„Unser Werk in Nanjing wird, genau wie Teslas Gigafactory One in Nevada, neben Batterien für Autos auch solche Heimspeicher herstellen“, sagte Kirchert im Anschluss an die Präsentation der WirtschaftsWoche. Mit den Speichern können etwa private Hausbesitzer, aber auch Rechenzentren, Krankenhäuser oder Hotels selbst erzeugte Photovoltaik für den späteren Eigenverbrauch, etwa in der Nacht, speichern. „Der Heimspeichermarkt wird in den kommenden Jahren weltweit enorm wachsen“, sagte Kirchert.

Energie- und Verkehrswende gehörten untrennbar zusammen, meint der Byton-Manager. Der Umbau der Stromerzeugung auf mehr Erneuerbare Energien und der Markthochlauf der E-Mobilität ergänzten sich und könnten sich gegenseitig verstärken, so Kirchert. E-Autos könnten zum Beispiel tagsüber erzeugten Solarstrom über Nacht in ihren Batterien speichern und so zur Netzstabilität beitragen.

So sehen die Tesla-Angreifer aus
Canoo Minivan Quelle: Canoo
Lucid Air Quelle: Lucid Motors
Rivian R1T
FF91 Quelle: Faraday Future
Fisker SUV Quelle: Fisker

Keine Abkehr Chinas von der E-Mobilität

Jüngste Subventionskürzungen für Elektroautos sieht Kirchert gelassen. „Die haben niemanden überrascht, so geht die chinesische Regierung bei der Förderung technischer Neuerungen immer vor“, sagte Kirchert der WirtschaftsWoche. „Wir haben unseren Businessplan deswegen komplett ohne staatliche Subventionen geschrieben.“

China hatte zuletzt die Kaufanprämien für E-Autos deutlich reduziert und damit eine Pleitewelle kleinerer, finanzschwacher Start-ups ausgelöst. „Die sehr hohen Kaufanreize in den letzten sechs bis sieben Jahren haben zu einer kleinen Elektro-Blase geführt“, sagt Kirchert. Es sei in China „völlig normal, dass der Staat dann auf die Bremse tritt“. Zumal die angestrebte Zahl an E-Autos aus dem letzten Fünfjahresplan bereits nach vier Jahren erreicht war. Tatsächlich ähnelt das Vorgehen früheren Kürzungen von Staatshilfen in anderen Branchen, etwa bei Solarmodulen oder LED-Lampen. Die hohen Subventionen seien nicht mehr nötig, weil sich moderne E-Autos wie Teslas Model 3 auch ohne sie verkauften. „Die für alle Hersteller verbindliche E-Auto-Quote wird weiter steigen“, sagt Kirchert. Schon 2025 soll laut Regierungsplan jedes vierte Auto in China ein Elektroauto sein, derzeit ist es noch jedes zwanzigste.

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