
Das Elektroauto nimmt in Deutschland keine Fahrt auf. Obwohl inzwischen einige Modelle – auch von deutschen Autobauern – auf dem Markt sind, machen die E-Autos nur einen Bruchteil der Neuzulassungen aus. Einen Absatz-Anschub verspricht sich die Industrie vor allem von einer Kaufprämie. Am Dienstag treffen die Chefs der großen Autobauer deshalb Kanzlerin Angela Merkel zu einem inoffiziellen „Auto-Gipfel“. Die wichtigsten Fragen und Antworten vor dem Spitzentreffen im Überblick.
Wer nimmt an dem Treffen teil?
Eine offizielle Teilnehmerliste gibt es nicht. Laut dem „Spiegel“ will Merkel mit VW-Chef Matthias Müller, Daimler-Chef Dieter Zetsche und BMW-Chef Harald Krüger über das Thema sprechen. Sowohl auf Seite der Regierung als auch der Industrie dürften zahlreiche weitere Vertreter an den Gesprächen teilnehmen.
Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland 2009-2015
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 162 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 541 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 2.154 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 2.956 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 6.051 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 8.522 Elektroautos zum ersten Mal zugelassen.
2015 stieg der Elektroauto-Absatz auf 12.363 Exemplare. Für das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 ist das weiter viel zu wenig. Der Bestand liegt derzeit bei rund 19.000 Elektroautos.
Kommt die Kaufprämie von 5000 Euro pro Elektroauto?
Vor dem Treffen ist das noch nicht klar. Eine staatliche Kaufprämie wird aber immer wahrscheinlicher. Laut vorab diskutierten Modellen sollen aber auch die Hersteller an den Kosten beteiligt werden. Im Raum steht eine Finanzierung über einen Fonds, in den die Regierung den Großteil einzahlen würde – der Rest würde demnach von der Industrie gestemmt.
Eine konkrete Entscheidung bei dem Treffen ist aber noch nicht in Sicht. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Chefs der drei großen deutschen Autobauer sei lediglich ein erstes Beratungs- und Informationsgespräch. „Das ist kein Abend, an dem konkrete Beschlüsse gefasst werden“, erklärte er. Über eine Kaufprämie oder andere Förderinstrumente für Elektro-Fahrzeuge wird demnach dort noch nicht entschieden.
Was sagen die Parteien?
Die Union hat keine klare Haltung zu der Kaufprämie. Während CSU-Chef Horst Seehofer sie befürwortet, ist Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) klar dagegen. Schäuble beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag, in dem direkte Hilfen ausgeschlossen werden. Kanzlerin Merkel hat noch kein Machtwort gesprochen: In der Vergangenheit wollte sie den Autobauern bereits eine solche Förderung versprechen, um das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 halten zu können. Bislang hat der Großteil der Unionsfraktion davon abgehalten.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich eindeutig positioniert: Er will die 5000-Euro-Prämie. Anderenfalls sei das Million-Ziel nicht zu halten. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter teilte am Sonntag mit, eine Kaufprämie sei richtig. „Wir schlagen vor, übermotorisierte Spritfresser zur Refinanzierung heranzuziehen“, teilte Hofreiter mit. „Das wäre eine echte Verkehrswende: Diejenigen fördern, die für eine bessere Luft für alle beitragen – diejenigen dazu beitragen lassen, die besonders viel verschmutzen.“
Was sagen die Autobauer?
In der öffentlichen Debatte der letzten Wochen haben sich VW, Daimler und Co zurückgehalten und eindeutige Forderungen vermieden. Aus gutem Grund, schließlich schreiben die deutschen Konzerne fast durchweg Milliarden-Gewinne – einzig über der Volkswagen-Bilanz schwebt wegen des Abgas-Skandals noch ein Fragezeichen. Natürlich will die Branche, dass die Elektroautos auch in Deutschland endlich in Fahrt kommen. Gleichzeitig will die Industrie nicht alleine die Kosten tragen.
Ein Beispiel: Bei einer Veranstaltung in Hamburg forderte VW-Chef Müller „gemeinsame Anstrengungen von Politik und Automobilindustrie“. Dazu sei ein „stimmiges Gesamtpaket“ nötig, zu dem auch die Verbesserung der Infrastruktur gehöre. Die Bemühungen der Industrie alleine reichten nicht aus. Staatliche Subventionen sprach Müller aber nicht an.
Während sich die Chefetagen derzeit nicht dazu äußern, melden sich andere Stellen zu Wort. „Ohne Kaufprämien wird es nicht gehen“, sagte Audi-Betriebsratschef Peter Mosch der „Süddeutschen Zeitung“. „Den überwiegenden Teil einer Prämie sollte aber der Staat übernehmen und die Hersteller sollten einen kleinen Anreiz mit drauflegen.“ Porsche-Chef Oliver Blume, der 2019 selbst ein Elektroauto auf den Markt bringen will, hält die Kaufprämie nicht für die erste Wahl. „Ich halte es für sinnvoll, dass die Politik den Ausbau der Lade-Infrastruktur unterstützt“, sagte Blume den „Stuttgarter Nachrichten“. „Subventionen für den Kauf einzelner Fahrzeuge haben aus Porsche-Sicht dagegen keine Priorität.“