Dennoch wäre das nur ein Zwischenschritt: Tesla-Chef Musk will im Jahr 2020 eine halbe Million Elektroautos bauen. In der aktuellen IHS Prognose vom Oktober 2016 wird dieses Ziel aber nicht erreicht, selbst mit dem für 2018 geplanten Werk in China kommt Tesla bis zum Ende des Jahrzehnts auf nur 424.000 Fahrzeuge.
Doch ob die aktuelle Prognose gehalten werden kann, hängt für IHS-Analyst Mario Franjicevic nicht von Tesla selbst ab. „Die größte Herausforderung für Tesla ist weniger die eigene Produktion, sondern der steigende Wettbewerb im Segment der batterieelektrischen Premiumautos“, sagt Franjicevic. Sprich: Wenn die angekündigten Elektroflitzer und als „Tesla-Fighter“ betitelten Serienversionen eines Audi Quattro E-tron Concept, Porsche MissionE oder Mercedes-Benz EQ erhältlich sind, wird das den Markt für Premium-Elektroautos stark verändern.
Für Tesla bleibt dabei offen, in welche Richtung dieser Wandel geht: Entsteht dann die Nachfrage nach Premium-Elektroautos erst richtig? Oder werden es die Kalifornier schwer haben, wenn plötzlich auch andere Elektroautos einen starken Antrieb mit hohen Reichweiten versprechen, dabei aber einen qualitativ hochwertigeren Innenraum haben? Franjicevic sieht da Audi, Daimler und Co stark aufgestellt. „Die etablierten Autobauer haben den Vorteil eines engen Händlernetzes, was bei solchen Stückzahlen unerlässlich ist“, sagt der Analyst. „In der Summe wird es deshalb schwierig für Tesla, die Volumenziele zu erreichen.“
Bob Lutz geht sogar noch einen Schritt weiter. Der frühere BMW-Manager und GM-Chef sieht in den 500-Kilometer-Autos der deutschen Hersteller die Exklusivität Teslas verloren – nur mit einer anderen Konsequenz als Franjicevic. „Wenn BMW den 3er mit Batterien anbietet, wäre das ein weiterer Nagel im Tesla-Sarg“, sagte Lutz im Interview mit „Der Aktionär“. „GM, Hyundai, Kia und Nissan werden die Preise für Elektroautos diktieren und Tesla wird daran zerbrechen. In ein bis zwei Jahren ist Tesla ein Elektroauto-Anbieter von vielen. Die Pleite ist unvermeidlich.“
Fakt ist: Tesla hat auf Jahressicht noch nie einen Gewinn eingefahren. Das liegt zum Teil an den hohen Investitionen in Entwicklung, Fahrzeugproduktion und natürlich die Batteriefabrik. Aber auch im laufenden Geschäft gibt es offenbar große Potenziale auf der Kostenseite: Wie aus Zulieferer-Kreisen zu hören ist, schließt Tesla nur sehr kurzfristige Lieferverträge ab – zum Teil wohl nur auf Monatsbasis. Das sichert zwar eine hohe Flexibilität, aber nie den besten Preis. „Wenn Tesla längerfristige Verträge zu besseren Konditionen abschließt, können sie dort in Zukunft noch einiges rausholen“, sagt IHS-Mann Franjicevic.
Die kurzen Lieferverträge bedeuten auch, dass ein Teilelieferant nach wenigen Wochen durch einen anderen ersetzt werden kann. Ein identisch zusammengestelltes Model S, das im September produziert wurde, mag auf dem Papier einem aus der Oktober-Produktion ähneln – im Detail können aber leicht andere Teile verbaut sein. Skaleneffekte in der Produktion sind dahin, Komplexität und Kosten in Wartung und Qualitätsmanagement steigen entsprechend an.
Angesichts der notorisch roten Zahlen sind steigende Komplexität und Kosten beides Dinge, die Elon Musk nicht brauchen kann. Steigende Erträge hingegen schon. Egal, was er nun „Unerwartetes“ präsentiert: Mit einem vollkommen neuen Modell oder auch nur einer weiteren Variante der bestehenden Baureihen wird die Produktion komplexer.
Noch hat Musk aber zwei Jahre Zeit, die Kosten in den Griff zu bekommen. Bis er mit Tesla einer unter vielen ist – und sich im harten Wettbewerb behaupten muss.