Nachfolge-Debatte bei Daimler Wer kann auf Dieter Zetsche folgen?

Der Erfolg ist zurückgekehrt in die Daimler-Zentrale. Auch in Krisenzeiten hatte Konzernchef Zetsche etwas, was vielen seiner Kollegen fehlt: Ausstrahlung. Um so schwerer wird es, einen würdigen Nachfolger zu finden.

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Daimler-Chef Dieter Zetsche tritt spätestens 2019 ab. Quelle: REUTERS

Bilanzpressekonferenzen sind meist keine launige Veranstaltung. Neben dem Kommunikationschef, der durch die Veranstaltung leitet, sitzen der Vorstandsvorsitzende, sein Finanzchef und unter Umständen weitere Vorstandsmitglieder. Zuerst werden die wichtigsten Fakten aus dem Geschäftsbericht vorgestellt, anschließend dürfen die Journalisten Fragen stellen. Mal über Finanzkennzahlen, mal zur zukünftigen Strategie des Unternehmens. So oder so: Auf der Bühne berichten in der Regel ältere Männer in dunklem Anzug und Krawatte, was sie im letzten Jahr getan haben und im laufenden Jahr tun werden.

Nicht so bei Daimler. Der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche betrat am Donnerstag ohne den sonst noch üblichen Schlips das Podium in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena. Dass die Krawatte bei einem Dax-Chef fehlt, ist wohl nicht nur auf die Weiberfasnacht zurückzuführen: Selbst im Alter von 62 Jahren zeigt Zetsche, dass er sich keinen Zwängen unterwerfen muss. Und wenn es nur ein Detail wie eine Krawatte ist. Während Finanzvorstand Bodo Uebber recht trocken über das Geschäftsjahr berichtet, scheint sich Zetsche von den Rekordzahlen anstecken zu lassen. Sachlich, aber gut gelaunt steht er Rede und Antwort.

Wie Daimler 2015 abgeschnitten hat

Der Daimler-Chef hat einen Lauf. Die Zahlen stimmen, die Analysten sind zufrieden, der Ausblick bis 2017 stimmt größtenteils zuversichtlich. Einzig die Marktreaktion auf den vorsichtigen Ausblick dürfte die Stimmung etwas trüben.

Daimler denkt weiter als Volkswagen

Es könnte ewig so weiter gehen, wenn nicht auch ein Dieter Zetsche ganz allmählich – voraussichtlich wird sein Vertrag bis 2019 verlängert – ans Aufhören denken müsste. Mit 62 Jahren erreicht der charismatische Konzernlenker die hausinterne Altersgrenze für Vorstandsmitglieder.

Doch im Hause Daimler hat man vorgebaut. Anders als bei Volkswagen etwa. In Wolfsburg hatte man über Jahre versäumt, potenzielle Nachfolger für die Konzernspitze heranzuziehen. Erst im vergangenen Jahr holte man mit dem Ex-BMW-Manager Herbert Diess einen solchen Kronprinzen. Der damals amtierende VW-Chef, Martin Winterkorn, hat da bereits das zarte Alter von 68 erreicht. Diess selbst hat BMW aber nicht nur wegen des VW-Angebots verlassen – ihm wurde bei der Nachfolge für den scheidenden Vorstandschef Norbert Reithofer sein Rivale Harald Krüger vor die Nase gesetzt.

Die Schwaben beweisen mehr Weitblick. Im Dezember 2014 beriefen sie den Mercedes-Vertriebschef Ola Källenius im Alter von 45 Jahren zum Vorstand. Das Aufrücken wurde als klares Signal gewertet, dass der gebürtige Schwede fortan als Nachfolger für Zetsche gehandelt wird. Aufsichtsratschef Manfred Bischoff begrüßte den Neuzugang mit den Worten: „Mit Ola Källenius stellen wir uns jünger und internationaler auf. Beides sind Eigenschaften, die wir auch bei unseren Kunden sehen.“

Ein erster Fingerzeig, worauf es dem Stuttgarter Premiumautobauer beim neuen Vorstandschef ankommt. Aktuell kümmert sich Källenius vor allem um neue Vertriebskonzepte wie die Mercedes-Me-Lounges und neu digitale Formate wie Mercedes me-Apps, über das Kunden zum Beispiel den Tankstand checken, das geparkte Fahrzeug wieder finden, eine Reise planen oder das Auto vorheizen können. Ola Källenius steht nach innen und außen für die neue, vernetzte Autowelt. Mit den Zukunftsthemen unter seinen Fittichen ist er der perfekte Anwärter auf den Daimler-Thron. Gemessen an Ausstrahlung und Auftreten reicht der Jung-Vorstand allerdings nicht – sagen wir noch nicht – an Zetsche heran.

Zetsche schafft es als einer der ganz wenigen in der Autobranche sowohl auf der großen Show-Bühne – etwa bei den internationalen Galen und Präsentationen auf Automessen – zu überzeugen, als auch bei Fach-Kongressen, etwa vor seiner Händlerschaft. Zetsche findet den richtigen Ton, versteckt sich nicht hinter Worthülsen, strahlt Selbstsicherheit aus – bleibt aber nahbar, wirkt sympathisch. Mit „dem Dieter“ kann man auch mal ein Glas Bier trinken, so die einhellige Meinung unter Daimler-Fahrern.

Neben Källenius lauert ein Dauer-Kronprinz

Kandidat Nummer zwei: Wolfgang Bernhard, Chef der Truck-und Bus-Sparte. Der 55-jährige Manager ist eine Art Dauer-Kronprinz im Hause Daimler. Nachdem er sich zusammen mit Zetsche bei der Chrysler-Sanierung einen Namen gemacht hatte, wurde Bernhard als Nachfolger für den Mercedes-Marken-Chef Jürgen Hubbert aufgebaut. Doch 2004 überwarf sich der studierte Wirtschaftsingenieur mit DaimlerChrysler-Konzernboss Jürgen Schrempp nach einem Streit über die Mitsubishi-Beteiligung und verließ Stuttgart – bis heute gilt Bernhard intern als undiplomatisch und schwierig im Umgang.

Business-Limousine ab 45.303 Euro
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
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Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes E-Klasse Quelle: Daimler
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Aber: Er gilt auch als Arbeitstier und knallharter Sanierer. Letzteres hat er nicht nur bei Chrysler, sondern auch bei Volkswagen demonstriert. Von 2005 an leitete er die Marke Volkswagen und bereitete mit seinen Reformen die Grundlagen für das Wachstum, die Volkswagen später zum zwischenzeitlichen Weltmarktführer machen sollten. Statt des befürchteten Kahlschlags brachte er es mit seiner geradlinigen Art zum Retter in der Krise. Dass er es in Wolfsburg nicht noch zu höheren Ehren brachte, lag vor allem an dem Konzernpatriarchen Ferdinand Piëch, der den bei der Belegschaft beliebten Manager 2007 absägte.

Das Rennen ist offen

Zwei Jahre später kehrte Bernhard zur dann von Chrysler getrennten Daimler AG zurück – zu seinem Vertrauten Zetsche. Über Umwege brachte er es wieder zum Vorstand der Lkw-Sparte – ohne aber an die früheren Sanierungserfolge anknüpfen zu können. Das hatte zuvor Andreas Renschler gemacht, der sich – ebenfalls als Kronprinz gehandelt – nach Zetsches Vertragsverlängerung zu VW absetzte.

Während Källenius mit seinen rhetorischen Stärken zumindest versucht, dem Typ Zetsche auf der großen Bühne nachzueifern, pflegt Bernhard eine andere Art des Auftritts – und lässt sich davon auch nicht abbringen. Statt sich nach der großen Showpremiere auf einer Automesse unters Volk zu mischen und wie Entwicklungsvorstand Weber auch mal öffentlich ein Bier zu trinken, hält er sich lieber reserviert im Hintergrund. Der eine bezeichnet das als unnahbar, der andere als hochprofessionell. Immerhin: Bei der Jahrespressekonferenz durfte Bernhard neben Zetsche und Finanzvorstand Bodo Uebber auf der Bühne sitzen – Källenius nicht.

Wer das Rennen macht – der Marketing- und Verkaufsfachmann Källenius, der Sanierer Bernhard oder gar ein externer Dritter – wird nicht zuletzt daran entschieden, welchen Typ Manager Daimler bis dahin braucht. Ob es bis 2019 etwas zu sanieren gibt oder dann die größte Herausforderung eines Autobauers darin besteht, den Kunden neue Zukunftstechnologien schmackhaft zu machen, wird vor allem von einem geprägt: Dieter Zetsche.

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