Schwacher Börsengang von NIO Warum Teslas Probleme die E-Autobranche gefährden

Tesla-Chef Elon Musk Quelle: AP

Der Börsenstart des chinesischen E-Autobauers NIO am Mittwoch fiel deutlich schwächer aus als erwartet. Daran sollen die Probleme rund um Tesla schuld sein. Die schlechte Stimmung droht die gesamte Branche zu ergreifen.

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Bei E-Autobauer Tesla gibt es zurzeit einige Probleme: Das Unternehmen kämpft schon lange darum, die Produktionsziele für sein angeblich massentaugliches Model 3 zu erreichen. Tesla-Chef Elon Musk teilte per Twitter mit, dass er sein Unternehmen eventuell von der Börse nehmen will. Dann verwirft er die Idee wieder. Als vorerst letzte Eskapade zieht Musk vor laufenden Kameras bei der Aufzeichnung eines YouTube-Podcasts an einem Joint. Die Tesla-Aktie hat entsprechend reagiert und seit einem Hoch Anfang August rund 100 Dollar verloren, fast ein Drittel des Aktienwerts.

Der chinesische E-Autohersteller NIO soll Teslas Probleme nun bei seinem Börsengang zu spüren bekommen haben. Der Ausgabepreis der Aktien sei mit 6,25 Dollar am unteren Ende der bis 8,25 Dollar reichenden Spanne festgelegt worden sein – das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich dabei auf einen Insider. Insgesamt wird NIO damit an der New Yorker Börse mit 6,4 Milliarden Dollar bewertet. Zufrieden ist der chinesische Hersteller damit wohl nicht, denn laut einem Insider hoffte man auf eine Marktkapitalisierung von bis zu 20 Milliarden Dollar.

Hinter NIO stehen der chinesische Internetkonzern Tencent, die Investmentfirmen Hillhouse Capital und Sequoia Capital sowie ein Beteiligungsfonds von Baidu, dem Betreiber von Chinas größter gleichnamiger Suchmaschine.

Hat NIO zu viel erwartet?

Ist Branchenpionier Tesla tatsächlich schuld an den ernüchternden Zahlen des NIO-Börsenstarts? „Die Probleme von Tesla haben sicherlich einen negativen Einfluss auf den Börsengang von NIO“, glaubt Axel Schmidt, Geschäftsführer des Automobil-Bereichs bei der Unternehmensberatung Accenture. Teslas Probleme seien aber nicht allein verantwortlich.

von Daniel Rettig, Varinia Bernau, Christopher Schwarz

NIOs Erwartungen an den Börsenstart waren offenbar zu hoch: „20 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung sind ein sehr hochgestecktes Ziel für ein Unternehmen wie NIO“, ordnet Schmidt ein. Denn der E-Autohersteller habe an den Autos bislang keinen Cent verdient und die Produkte würden vom Markt nur zum Teil angenommen. Dieses Schicksal teilt sich NIO laut Schmidt übrigens mit Tesla. Sein bislang einziges Serienfahrzeug vertreibt NIO erst seit Juni 2018 und auch nur in China - den NIO ES8 mit einer Reichweite von 350 Kilometern und kostet 68.000 Dollar.

Die Probleme rund um Tesla wirken sich auch bei Konkurrent NIO negativ aus. Ist Tesla damit eine Gefahr für die gesamte Branche? „Für die anderen Unternehmen innerhalb der E-Autobranche sind die persönlichen Eskapaden von Musk als Chef des Branchenpioniers nur bedingt relevant“, sagt Schmidt. „Die Produktionsprobleme von Tesla belasten die Wettbewerber deutlich stärker.“

Teslas Produktionsprobleme machen der gesamten Branche zu schaffen

Tesla hat so viele Bestellungen, dass der Hersteller schon gar nicht mehr hinterherkommt. Gerade beim Model 3, das massenmarkttauglich sein soll, ist die Serienproduktion eine riesige Herausforderung. Chef Elon Musk hat sich nämlich zum Ziel gesetzt, jede Woche 5000 Model 3 produzieren zu wollen. Davon rückt er auch nicht ab. Von Musks Ziel war Tesla meist weit entfernt, im Juli hat man erstmals mehr als 5000 Model 3 in einer Woche produziert. Dass Musk seine Ziele und Versprechungen nicht immer einhält, schadet dem Image der anderen reinen E-Autohersteller.

„Diese Versprechungen, die nun nicht erfüllt wurden, sind daran schuld, dass es eine öffentliche Skepsis gegenüber der Massentauglichkeit von Elektroautos gibt, die auch die anderen Hersteller trifft“, sagt Schmidt. Dass Tesla seine Versprechungen nicht erfüllen konnte, war laut ihm absehbar. „Eine Serienproduktion ist ein hochkomplexer Prozess und eine Kombination von unglaublich vielen Zulieferern.“

Dass die Produktionsprobleme von Tesla nicht überraschend sind, ändern nichts an deren Tragweite. Dass diese so enorm ist, liegt an Teslas Pionierrolle liegt. „Das Unternehmen, das innerhalb einer Branche Vorreiter ist, hat den sogenannten First-Mover-Advantage“, erklärt Schmidt. Der ‚First-Mover-Advantage‘ ermöglicht es dem Unternehmen, das als erstes ein Produkt produziert, zum Pionier zu werden und sich gegenüber späteren Wettbewerbern einen nur schwer einholbaren Vorsprung herauszuarbeiten. Das hat auch Tesla geschafft. „Wenn der hochgelobte Pionier aber mit der Produktion nicht hinterherkommt und wirtschaftliche Misserfolge erzielt, dann wirft das automatisch ein schlechteres Licht auf die gesamte Branche“, sagt Schmidt.

Etablierte Hersteller werden zur Tesla-Konkurrenz

Laut Schmidt flacht der Tesla-Hype zurzeit immer mehr ab. Das liege an der Offensive etablierter Hersteller, in den nächsten zwölf Monaten neue, attraktive Elektro-Modelle auf den Markt bringen zu wollen. Mercedes-Benz hat vergangene Woche den EQC vorgestellt, mit dem Daimler zur Tesla-Konkurrenz werden möchte.

Das könnte funktionieren, immerhin produziert Daimler bereits etliche Mercedes-Modelle in Serie. Außerdem beeinflussen die Probleme von Tesla die etablierten Autobauer nicht. Anders als einen reinen E-Autohersteller wie NIO. Der chinesische Autobauer kann Tesla außerhalb von China zwar nur schwer den Kampf ansagen, aber NIO möchte die Nummer 2 der reinen E-Autohersteller werden und Tesla im Nacken sitzen. Denn da sitzt im Moment niemand.

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