Start-up Canoo BMW-Veteranen bringen das erste Elektroauto im Monatsabo

Canoo: Elektroauto im Monatsabo Quelle: Canoo

Der Vater des BMW i3 hat in Los Angeles sein eigenes Elektroauto vorgestellt. Mit selbst entwickelter Plattform, modularer Auftragsfertigung, schnellen Entscheidungen und radikalem Geschäftsmodell wollen er und weitere BMW-Veteranen der Konkurrenz trotzen.

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Ulrich Kranz hat als Vater des BMW i3 Geschichte geschrieben. Das Elektroauto der Münchner, ein Vorreiter der Branche, läuft demnächst aus. Kranz hat schon Ende 2016 den bayrischen Autohersteller verlassen. 30 Jahre hatte er für BMW geforscht und entwickelt, unter anderem den Z3, den i8 und den X5, den ersten SUV BMWs.

Von Torrance, einem Vorort von Los Angeles aus, setzt der 61-jährige Ingenieur nun fernab der Konzernwelt als Chef des Start-ups Canoo neue Akzente im heiß umkämpften Automarkt. Die sind ziemlich radikal – vom Design und der vereinfachten Fertigung, ebenso wie vom Geschäftsmodell. Ihm zur Seite steht als Verwaltungsratschef Stefan Krause, einst Finanzvorstand bei BMW.

Am Dienstagvormittag kalifornischer Zeit stellen die beiden Wahlkalifornier nicht nur vor, wie sie sich das Auto der Zukunft vorstellen. Sondern zeigen es auch. Was bei einem gerade mal 19 Monate alten und noch weithin unbekannten Jungunternehmen mit nur 400 Mitarbeitern überraschend ist. „Keine Komitees, sondern machen“, erklärt Kranz das Tempo. Etwas noch nie Dagewesenes, zumindest auf der Straße, das die „Konventionen bei Raum und Funktionalität“ sprengen wird, hat das Duo in seiner Einladung an die Journalisten versprochen.

„Die Ära des SUV ist vorüber.

In einer klimatisierten Halle, die durch Neonlicht noch kühler wirkt, sirrt kurz vor 11 Uhr ein mattschwarz schimmernder Wagen aus dem angrenzenden Designstudio. Erster Eindruck: Er wird die Gemüter spalten. Mit seiner kugligen Form und seiner Glasfront wirkt der Canoo – so sein Name – tatsächlich wie ein Auto aus der Zukunft. Er ähnelt einem Kleinbus, obwohl er mit einer Länge von 4,4 Metern und einer Weite von 1,9 Metern nur die Dimensionen eines Prius hat. Dafür ist er 1,84 Meter hoch. Seine bis zu sieben Insassen thronen über der Straße, der Motor liefert 300 PS bei einer Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. „Es ist unsere Antwort auf den SUV“, sagt Krause, der gerade von der Automobilausstellung IAA zurückgekehrt ist. „Die Ära des SUV ist vorüber.“

Der Canoo verzichtet auf ein überdimensioniertes Logo, was seine kreuzartigen Scheinwerfer noch stärker betont. Die gesamte Frontpartie ist verglast. Sie offeriert Fahrer und Beifahrer nicht nur einen Blick nach vorn, sondern auch nach unten auf die Straße. „Da braucht man keine Parksensoren mehr, einfach schauen“, erklärt Kranz den praktischen Nutzen.

„Die Scheinwerfer sind unser Logo, wir benötigen keinen massiven und ohnehin für ein Elektroauto unnötigen Kühlergrill“, erklärt Canoo Designer Richard Kim, in der Branche für seine Arbeiten am BMW i3 und i8 bekannt. Den Innenraum hat er als „urbanes Loft“ entworfen, dominiert durch eine eckige Sitzgarnitur, mit Platz in der Mitte zum Ausstrecken. Die vielen Fenster und runden Formen des Canoos, vor allem aber der offene Raum im Cockpit erzeugen eine gewisse Leichtigkeit. Im Gegensatz etwa zu Tesla oder Byton hat Kim konsequent auf großflächige Displays verzichtet. Die Fahrtgeschwindigkeit wird durch ein schmales LED-Band angezeigt. Auch für Fahrassistenz-Funktionen, Canoo wird zunächst das sogenannte Level 2 plus des Autonomen Fahrens offerieren, soll die dezente Anzeige reichen.

Stattdessen sollen die Nutzer ihren Bildschirm selber mitbringen – in Form ihres Smartphones, das neben dem rechteckigen Lenkrad platziert wird. „Ob sie Google Maps, Apple Maps oder Waze zum Navigieren nutzen wollen, Spotify für Musik, Android Auto oder Carplay, diese Freiheit wollen wir unseren Kunden überlassen“, sagt Krause. Mit dem Nebeneffekt, dass die Canoo-Nutzer sich nicht umgewöhnen müssen und etwas aufgezwungen bekommen.
Wirklich radikal ist aber vor allem das Geschäftsmodell: Wenn der Canoo im dritten Quartal 2021 zunächst an der US-Westküste auf den Markt kommt, wird es ihn nicht zu kaufen geben.

Das Start-up setzt stattdessen auf ein Abo-Modell, in dem alles inbegriffen ist: Versicherung, Registrierung, Wartung, eventuell sogar Strom. Das Abo kann, wenn gewünscht, monatlich gekündigt werden. Er höre immer wieder, vor allem aus der deutschen Autobranche, dass es keine Nachfrage nach Elektroautos geben würde, stichelt Krause. „Das eigentliche Problem ist doch, dass die derzeitigen Elektroautos viel zu teuer sind, gerade für junge Leute.“

Finanz-Experte Krause hat deshalb mit seinen Managern ein Abo-Modell aufgesetzt. Statt wie beim Leasing mit imaginären und oft zu hohen Wiederverkaufswerten zu kalkulieren, setzt Krause eine Nutzungsdauer von bis zu zwölf Jahren an. Weil das Unternehmen die Verfügbarkeit der Autos selber kontrolliert, kann es diesen Wert steuern. Canoo besitzt das Auto, wartet es, kann es bei Rückgabe aufarbeiten, modernisieren, das Innendesign verändern oder den Akku wechseln. Erfahrungswerte, wie Kunden so etwas annehmen und wie lange sie tatsächlich dabeibleiben, gibt es dazu in der Autobranche noch nicht.

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