Die mangelhafte Qualität der russischen Zulieferer ist auch der Grund für die geringe lokale Fertigungstiefe vieler ausländischer Hersteller. „Für die Premiumhersteller gibt es vor Ort keine Alternative“, erklärt Bratzel. Die Deutschen haben ihre Zulieferer einfach mitgebracht – die meisten haben sich in der Autostadt Kaluga angesiedelt. Oder sie fertigen wie BMW im Completely-Knocked-Down-Verfahren. Setzen also vorher komplett in ihre Einzelteile zerlegte Autos in Russland wieder zusammen, ohne dort Teile zu produzieren.
Sollte der Rubel weiter fallen, werden die deutschen Hersteller die Währungseffekte also nicht so einfach abfedern können, indem sie die lokale Fertigung ausweiten. Nur der französische Hersteller Renault verfügt dank seiner Partnerschaft mit dem größten russischen Hersteller AvtoVaz über eine lokale Zuliefererquote von 80 Prozent. Alle anderen müssen die Währungseffekte zwangsläufig durch höhere Preise auffangen. Da aber mit einem schwächeren Absatz zu rechnen ist, werden die Gewinne aus Russland zwangsläufig schrumpfen.
Sollte sich die Krise verschärfen und die Absätze der deutschen Hersteller bröckeln, können Mercedes, BMW, Audi und auch Volkswagen aber immer noch ruhig durchatmen. Nur etwa vier Prozent der gesamten deutschen Autoproduktion geht nach Russland. Die „paar tausend Stück“ kompensieren die Hersteller recht schnell mit Verkäufen in den USA oder China. Dort konnten BMW, Audi und Mercedes im vergangenen Jahr zweistellig wachsen. Ein deutscher Autobauer würde aber extrem unter Sanktionen auf dem russischen Markt leiden. „Opel könnte einen solchen Verlust nicht ausgleichen“, mahnt Bratzel.
Die US-Mutter General Motors hat den Aktionsradius der Deutschen auf Europa beschränkt. Daher spielt Russland für Opel-Chef Karl-Thomas Neumann eine herausragende Rolle im Sanierungskonzept, der unter die Räder gekommenen Marke. Für ihn ist das Potenzial des russischen Marktes umso größer, wenn nur erst die Schwester-Marke Chevrolet aus Europa abgezogen wird. 2016 ist es soweit. Chevrolet verkauft in Russland zuletzt fast 175.000 Autos – Opel nur gut 81.000. Kein Wunder also, dass Neumann Durchhalteparolen ausgibt: „Russland wird 2020 der größte Automarkt Europas sein. Und die Entwicklung bis dahin wird wie bei einem Marathon verlaufen - es wird Höhen und Tiefen geben.“ CAR-Leiter Bratzel ist dagegen sicher: „Russland wird langfristig schwierig bleiben.“