Zwickau, Bremen, Leipzig Wo VW, Daimler und Co ihre Elektroautos bauen wollen

Während Tesla durch die „Produktionshölle“ geht, bereiten die deutschen Autobauer ihre Elektro-Offensiven weiter vor. Doch beim Bau ihrer E-Autos gehen die Konzerne unterschiedliche Wege – mit Vor-, aber auch Nachteilen.

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E-Golf-Produktion Quelle: dpa Picture-Alliance

Es ist eine Nachricht, die die Mitglieder des Vorstands in Wolfsburg zunächst sicher gerne hören: VW kommt mit dem Bau seiner Elektroautos kaum hinterher. Wegen der hohen Nachfrage gibt es einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ zufolge Pläne, eine zusätzliche Schicht einzuführen.

In übertriebene Freude ausbrechen werden VW-Boss Matthias Müller und Markenchef Herbert Diess allerdings nicht. Denn es ist in absoluten Zahlen lediglich ein Wachstümchen: Der e-Golf wird derzeit in der Gläsernen Manufaktur in Dresden gebaut. Jener Glaspalast, der unter Ferdinand Piëch für die überschaubare Produktion der Luxuslimousine Phaeton aus dem Boden gestampft wurde. Mit der möglichen zweiten Schicht steigt die Kapazität von 35 auf 70 e-Golf pro Tag – in einem Konzern, in dem sonst weit über 30.000 Autos montiert werden. Täglich.

Dennoch wirft dieses Beispiel die Frage nach der Zukunft auf: Wie und wo bauen die Unternehmen ihre Elektroautos, wenn auch hierzulande die Nachfrage irgendwann anzieht? In China ticken die Uhren anders, die staatliche Regulierung sorgt hier für ein schnelles Anlaufen der Produktion. In Europa fehlt dieser Reiz noch, dennoch laufen die Vorbereitungen für eine E-Auto-Massenfertigung in Deutschland und den Nachbarländern. Eine manufakturhafte Show-Fertigung wie in Dresden ist sicher nicht die Lösung. Ein Blick auf die aktuellen Werke und jüngsten Pläne zeigt, dass die Ansätze von VW, Daimler und Co höchst unterschiedlich ausfallen.

Volkswagen: Reines Elektro-Werk in Zwickau

Spätestens seit der IAA im September diesen Jahres sollte jedem bei VW klar sein, wohin die Reise geht. In Frankfurt hatte VW-Chef Müller die „Roadmap E“ verkündet. Bis 2025 will der Konzern 80 Modelle elektrifizieren, 50 davon sollen reine Elektroautos sein. Bei der Aufsichtsratssitzung Mitte November ließ VW weitere Zahlen folgen: In die Entwicklung von E-Autos, autonomes Fahren, neue Mobilitätsdienste und Digitalisierung sollen von 2018 bis 2022 mehr als 34 Milliarden Euro fließen.

Im Zentrum der Pläne steht das Werk in Zwickau. Der Standort soll zu einem reinen E-Mobilitäts-Werk ausgebaut werden, eine Milliarde Euro lässt VW sich das kosten. Noch teurer wird die Umverteilung der bisherigen Produktion aus Zwickau: Im Stammwerk Wolfsburg werden mit dem nächsten Modellwechsel sämtliche Golf-Varianten gebaut, die Passat-Fertigung wird in Emden gebündelt – die Kosten dafür veranschlagt VW mit vier Milliarden Euro.

In Zwickau soll dann ab 2019 die vollelektrische ID-Modellfamilie vom Band rollen, die dann auch den e-Golf aus Dresden ersetzt. Dazu kämen E-Autos von Audi und Seat, wie Müller bei der Präsentation der Budgetpläne betonte: „Die Zukunft der E-Mobilität wird ganz wesentlich in Deutschland gemacht. Volkswagen steht zum Standort.“

Elektroautos im Kostenvergleich

Der Vorteil: „Eine reine E-Auto-Fabrik ist weit weniger komplex als eine flexible, für verschiedene Antriebsstränge geeignete Fertigung“, sagt Axel Schmidt, der bei der Unternehmensberatung Accenture global für das Automotive-Geschäft verantwortlich ist. „Deshalb kann sie deutlich günstiger betrieben werden – sofern die Auslastung stimmt“, sagt Schmidt.

Außen vor ist dabei die VW-Tochter Skoda. Die Tschechen fertigen ab 2019 Elektrokomponenten für Plug-in-Hybride mehrerer VW-Marken im Stammwerk in Mlada Boleslav. Dort soll ein Jahr später auch die Fertigung des ersten batterieelektrischen Skodas, der Serienversion des Vision E, anlaufen – technisch eng verwandt mit den ID-Modellen von VW, in der Produktion aber unabhängig. „Dies ist ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Marke Skoda und des Automobilstandortes Tschechien“, sagt Skoda-Chef Bernhard Maier.

Drei aktuelle Elektroautos im Vergleich
Renault Zoë, Nissan Leaf, Hyundai Ioniq Quelle: Bernd Ebener für Edison
Bernd Ebener für Edison Quelle: Bernd Ebener für Edison
Bernd Ebener für Edison Quelle: Bernd Ebener für Edison
Bernd Ebener für Edison Quelle: Bernd Ebener für Edison
Bernd Ebener für Edison Quelle: Bernd Ebener für Edison
Bernd Ebener für Edison Quelle: Bernd Ebener für Edison
Bernd Ebener für Edison Quelle: Bernd Ebener für Edison

Was aber passiert, wenn die Nachfrage nach E-Autos in Europa die Kapazitäten des Zwickauer Werks übersteigt? Bislang gibt VW an, dass in Zwickau bis zu 1350 Autos pro Werktag gebaut werden können – damit wäre das Werk gut gerüstet. Ob diese Zahl aber auch noch für die Fertigung von E-Autos gilt, ist noch offen. Später, so deutete es Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil an, soll die E-Fertigung auch in anderen Werken ausgerollt werden.

„Volkswagen ist ein Volumenhersteller, der Konzern plant eigenen Angaben zufolge, drei Millionen Elektroautos im Jahr zu bauen“, sagt Schmidt. „Die Auslastung eines Einzelwerkes mit einer Kapazität von rund 500.000 Fahrzeugen erscheint da mehr als machbar, die Entscheidung für den Umbau unter diesem Gesichtspunkt richtig.“

Was Audi und Daimler planen

Audi: Planänderung in Ingolstadt

Das Zwickau von Audi heißt Brüssel: In dem belgischen Werk wird das erste Elektroauto der Marke gebaut. Damit Brüssel zu einem reinen E-Werk werden kann, musste der Kleinwagen A1 weichen – er wird künftig von Seat zusammen mit dem Ibiza im katalonischen Martorell gebaut.

Vom dem Plan, alle künftigen Elektroautos in Brüssel zu bauen, ist das Audi-Management aber inzwischen abgerückt. Neben der potenziellen Fertigung im VW-Werk Zwickau sollen auch alle Audi-Werke weltweit für E-Autos vorbereitet werden. „Künftig fahren in jedem unserer Werke auch Elektroautos vom Band“, sagte Vorstandschef Rupert Stadler Ende September. Neben dem Stammwerk in Ingolstadt betrifft das auch Neckarsulm, das ungarische Györ sowie das neue Werk in Mexiko, in dem aktuell der Q5 gebaut wird. Audi will bis 2025 mehr als 20 elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt bringen, zwölf davon als reine Elektroautos.

Die Entscheidung ist auch ein Erfolg für den Betriebsrat. Nachdem bekannt wurde, dass das erste Elektroauto von Audi im Werk Brüssel gebaut werden soll, hatte sich die Arbeitnehmervertretung um den Vorsitzenden Peter Mosch stark dafür eingesetzt, auch in Neckarsulm und Ingolstadt die zukunftsträchtigen E-Autos zu bauen. Dabei hatte Mosch Unternehmenschef Stadler öffentlich stark kritisiert. Die Belegschaft hatte befürchtet, die Werke in Ingolstadt und Neckarsulm könnten bei der Vergabe neuer Stromautos ins Hintertreffen geraten. Nach Stadlers Ankündigung forderte der Betriebsrat nun konkrete Modellzusagen für Ingolstadt bis Ende des Jahres. „Wir brauchen Klarheit und die fordern wir ein“, sagte Mosch.

Klarer ist die Lage bei Porsche: Den Zuschlag für das Elektroauto Mission E (der Name wird sich beim Serienmodell noch ändern) hat das Stammwerk in Zuffenhausen erhalten. Derzeit wird die Fertigungsstätte noch gebaut, 2019 soll das Auto vom Band laufen.

Daimler: Globale Verteilung

Auch bei Daimler haben Management und Betriebsrat lange um Zusagen für die Elektroautos gerungen. Inzwischen steht die Strategie des Konzerns fest. Die Produktion von Elektroautos soll nicht – wie bei VW – zunächst an einem Standort gebündelt werden, sondern nach Möglichkeit in die bestehenden Werke mit ihren Modell-Schwerpunkten integriert werden.

Technische Hintergründe zu Akkus

Folgerichtig wird das erste Modell der neuen Elektro-Submarke EQ in Bremen gebaut. Dort ist das „Kompetenzzentrum“ für die C-Klasse und das verwandte SUV GLC – und künftig auch für den EQ C. Das Brennstoffzellen-SUV GLC F-Cell wird ebenfalls in Bremen gebaut. „Das Bremer Werk liefert uns maximale Flexibilität, hohe Geschwindigkeit und von Anfang an Mercedes-Qualität auch für unsere Elektro-Modelle“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche im Oktober 2016.

Die Batterien für den EQ C kommen von der Daimler-Tochter Accumotive aus dem sächsischen Kamenz, wo der Konzern 500 Millionen Euro investiert. Für dieselbe Summe soll im Werk Hamburg eine Fertigung von Elektro-Komponenten aufgebaut werden. Ähnliches soll – auf Drängen des Betriebsrats – auch im Motorenwerk Untertürkheim geschehen.

Mehr als 50 Baureihen will Daimler bald mit einem Elektromotor ausstatten, bis 2022 sollen es bereits zehn reine E-Modelle sein. Bereits bestätigt ist, dass in Sindelfingen das Elektro-Zentrum für die Ober- und Luxusklasse (also E- und S-Klasse samt aller Ableger) entstehen soll, im US-Werk in Tuscaloosa jenes für die großen SUV-Modelle. Im Bundesstaat Alabama baut Daimler bereits heute den GLE, das GLE Coupé und den GLS (sowie die C-Klasse für Nordamerika). Geplant ist außerdem der Bau einer Batteriefabrik in der Nähe des bestehenden Pkw-Werks. Insgesamt will Mercedes-Benz eine Milliarde Dollar investieren und mehr als 600 neue Arbeitsplätze schaffen.

BMW weitet die Produktion aus

Noch nicht offiziell verkündet ist der Bau des Kompakt-Elektroautos EQ A im Werk Rastatt. Dort wurde bereits die elektrische B-Klasse gefertigt. Theoretisch kann der EQ A auch im ungarischen Kecskemet gebaut werden, wo heute der CLA vom Band läuft.

Für Branchenexperte Schmidt hat die Daimler-Strategie einen guten Grund: „Die Marke verkauft rund zwei Millionen Fahrzeuge jährlich und rechnet damit, dass künftig 15 bis 25 Prozent davon elektrisch fahren. Doch wie genau der Mix von Verbrennern, Hybriden und reinen E-Autos aussehen wird, ist derzeit noch unklar“, sagt der Unternehmensberater. „Die Stückzahl reiner Stromer dürfte aber in jedem Fall viel zu niedrig sein, um eine reine E-Auto-Fabrik zu rechtfertigen. Die Entscheidung für eine flexible Fertigung ist also folgerichtig.“

BMW: Leipzig vorn, der Rest folgt

Als einziger der großen deutschen Autokonzerne betreibt BMW bereits eine eigene Elektro-Fertigung, die von Anfang an als solche geplant war. Aus gutem Grund: Denn anders als VW und Mercedes, die Elektroantriebe in bestehende Modelle „nachgerüstet“ haben, ist der i3 von der ersten Zeichnung an als reines Elektroauto vorgesehen gewesen.

Auch wenn sich die Absatz-Hoffnungen und damit die Auslastung des Werks nie erfüllt haben: Mit seiner komplett eigenständigen Kohlefaser-Karosserie wäre es nur schwer möglich gewesen, den i3 in ein konventionelles Autowerk zu integrieren, das auf Stahl- und Aluminium-Karossen ausgelegt ist – zu unterschiedlich sind die Arbeitsabläufe und Anforderungen, etwa beim Lackieren.

Doch auch den Münchnern ist klar, dass reine Elektro-Werke wohl nicht der Weg sind, wenn man parallel noch Verbrennungsmotoren verkauft. „In Zukunft werden wir in der Lage sein, jedes Modell mit jedem beliebigen Antrieb auszustatten“, sagte BMW-Chef Harald Krüger kurz vor der IAA. Auf der Messe selbst stellte Krüger dann die Studie eines Elektroautos von der Größe einer Mittelklasse-Limousine vor. „Den BMW i Vision Dynamics als vollelektrisches 4-türiges Gran Coupé fertigen wir im Stammwerk München; den BMW iNEXT als nächsten Innovationsträger ab 2021 im Werk Dingolfing“, schreibt Krüger in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche.

Bis 2025 will BMW mindestens 12 vollelektrische Autos im Angebot haben.

Klar ist: Auch bei den Elektroautos sind die Konzerne mit ihrer Kompetenz gefordert. Denn dass der Bau eines vollkommen neuen Autos immer noch keine triviale Sache ist, zeigt ausgerechnet Elektro-Pionier Tesla. Trotz reichlich von etablierten Autobauern abgeworbenem Fachpersonal und dem Zukauf des Automatisierungs-Spezialisten Grohmann läuft die „Massenproduktion“ des Model 3 nur äußerst schleppend.

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