Nun ist Schluss mit der Credit Suisse: Die taumelnde Großbank aus Zürich geht auf Drängen der Schweizer Behörden im Konkurrenten UBS auf, damit ihre Malaise nicht weitere Geldhäuser infiziert. Und der Welt eine neue Finanz- und Weltwirtschaftskrise erspart bleibt. Allein: Diese Rettung leidet unter einem Strauß an Problemen. Und diese Schwierigkeiten gäbe es nicht, wenn die Schweiz die Credit Suisse mit Steuergeld gerettet hätte. Ein Staatseinstieg wäre deshalb die bessere Lösung gewesen.
Nur um das einmal deutlich zu sagen: Noch sinnvoller wäre es gewesen, wenn die Schweiz die Credit Suisse abgewickelt hätte. Eine Abwicklung bedeutet, dass eine Bank ihr Geschäft Stück für Stück zurückfährt. Zugleich können die Kunden zeitweise nicht oder nur teilweise auf ihre Einlagen zugreifen, damit die Bank Kredite in Ruhe beenden und Vermögenswerte verkaufen kann, um ihre Kunden später auszubezahlen. Zudem verlieren die Aktionäre und andere Geldgeber der Bank ihr investiertes Kapital.
Eine Abwicklung wäre deshalb die marktwirtschaftlichste Lösung gewesen: Die Aktionäre hätten dafür haften müssen, dass sie die Bankführung nicht rechtzeitig zum Umsteuern bewegt haben.
UBS – das ist der neue Bankenriese aus der Schweiz
Die UBS ist selbst ein Fusionsprodukt. 1998 schlossen sich der Schweizerische Bankverein (SBV) und die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) zur UBS zusammen. Die Wurzeln des Instituts reichen bis in das Jahr 1862 zurück. Seit damals wurden mehr als 370 Privatbanken, Sparkassen, Vermögensverwalter, Broker und Geschäftsbanken integriert.
In der Finanzkrise 2008 musste das Institut von der Schweizerischen Nationalbank und der Regierung des Landes gerettet werden. Danach dampfte sie das riskante Investmentbanking ein und richtete sich vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären aus. 2021 verlor die Bank im Zuge des Archegos-Zusammenbruchs aber nochmals hunderte Millionen Dollar. Negativ-Schlagzeilen machte die Bank auch mit Rechtsfällen wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung wie etwa in Frankreich und den USA.
Die UBS gehört zu den weltweit größten Vermögensverwaltern für reiche Privatpersonen. Zusammen mit Credit Suisse wird sie mit Anlagevermögen von 3,4 Billionen Dollar hinter der amerikanischen Morgan Stanley zur globalen Nummer zwei in dem Geschäft. Daneben betreibt sie wie die Credit Suisse im Heimmarkt ein großes Privat- und Firmenkundengeschäft. Zusammen werden sie vor Raiffeisen die klare Nummer eins mit Kundeneinlagen von 333 Milliarden Franken und einem Kreditvolumen von 307 Milliarden Franken. Im Asset Management für Profikunden wie Pensionskassen steigt die fusionierte Bank mit Anlagevermögen von 1,5 Billionen Dollar zu den führenden Häusern Europas auf. Das vierte Geschäftsfeld ist das Investmentbanking mit Handel und der Beratung von Firmen etwa bei Unternehmenszusammenschlüssen. Das Handelsgeschäft der Credit Suisse, das dem Institut Milliardenverluste einbrockte, wird abgewickelt.
Dank der Größenvorteile dürfte die UBS die Kosten senken und das Angebot ausbauen können. Im Wachstumsmarkt Asien schließen sich die Nummer eins UBS und die Nummer zwei im Geschäft mit Reichen und Superreichen zusammen. Vor allem in Südostasien verstärkt sich die UBS dank des Zukaufs. Im zweiten Wachstumsmarkt USA nimmt die Schlagkraft der UBS im Geschäft mit Ultrareichen zu.
Ab 2027 dürfte sich der Deal positiv auf den Gewinn je Aktie auswirken. 2022 fuhr die UBS einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar ein und schaffte damit das beste Ergebnis seit 16 Jahren. Credit Suisse erlitt dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken.
Zusammen kommen UBS und Credit Suisse gegenwärtig auf rund 120.000 Mitarbeiter. Einem Insider zufolge dürften aber mindestens 10.000 Jobs abgebaut werden, vor allem bei der Credit Suisse.
Die kombinierte Bilanzsumme von 1,7 Billionen Dollar ist laut Analysten von Citi mehr als das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz. Dies läuft den Interessen der Schweiz eigentlich zuwider, denn eine Rettung dieses Giganten könnte die Kräfte des Landes übersteigen. Bereits heute gelten Credit Suisse und UBS als zwei der weltweit 30 Banken, deren Ausfall das ganze Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen könnten.
„Aus der Komplexität der Transaktion ergeben sich diverse Unwägbarkeiten“, erklärte ZKB-Analyst Michael Klien. Dazu gehörten Umsetzungsrisiken und Kulturkonflikte. Kunden, die Konten bei beiden Banken haben und ihre Risiken streuen wollten, könnten zudem einen Teil ihres Geldes abziehen.
Dazu könnten Rechtsstreitigkeiten kommen. „Dieser Deal wird zwangsläufig juristischen und politischen Widerstand hervorrufen“, erklärte Octavio Marenzi, Chef der Finanzberatung Opimas. Die Schweizer Regierung habe von Notstandsbefugnissen Gebrauch gemacht, um diese Fusion durchzusetzen. „Eine rechtliche Anfechtung durch die Aktionäre der Credit Suisse, die ihr Eigentum als widerrechtlich beschlagnahmt sehen, ist garantiert.“
Am Ruder bleiben die bisherigen UBS-Steuermänner, Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher und CEO Ralph Hamers. Kelleher dementierte in der Vergangenheit Spekulationen, dass die beiden Konflikte haben. Zudem warfen Medien zuletzt die Frage auf, ob nicht der krisengestählte frühere Morgan-Stanley-Finanzchef Kelleher besser für den CEO-Posten geeignet sein könnte als der Retailbanker und Digitalisierungsexperte Hamers.
(Stand: 20. März 2023)
Doch offenbar scheuten die Schweizer Behörden eine Abwicklung, zumal es nie zuvor zum Rückbau einer solch großen Bank gekommen ist. Stattdessen kommt es zur Übernahme des kriselnden Geldhauses durch ein anderes. Das ist die denkbar schlechteste Lösung. Und zwar aus fünf Gründen:
- Eine Notfusion fördert die Politikverdrossenheit. Sie erweckt zwar den Eindruck, eine marktwirtschaftliche Lösung zu sein, weil ein Privatunternehmen ein anderes rettet. Tatsächlich wird die Notfusion aber Steuergeld kosten. Denn die Schweiz erteilt der UBS Milliarden-Garantien, um Risiken aus üblen Deals der Credit Suisse abzusichern. Solche Garantien lassen sich besser verkaufen, weil das Geld ja noch nicht ausgegeben ist – und Politiker suggerieren können, es werde vielleicht nicht gebraucht. Aber wenn die UBS das Geld benötigt, wozu es mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt, werden sich die Bürger verschaukelt fühlen. Sie werden sich fragen: Warum haben die Politiker nicht gleich reinen Tisch gemacht und erklärt, weshalb die Bank Geld braucht?
- Die Aktionäre der Credit Suisse bluten nicht genug. Zwar zahlt die UBS für jede Credit-Suisse-Aktie nicht einmal einen Franken. Das ist allein schon gegenüber dem Kurs der Credit Suisse vor dem Rettungswochenende ein unfassbarer Wertverlust, als dieser noch bei knapp zwei Franken stand. Aber das reicht nicht: Die Aktionäre hätten ihr gesamtes Geld verlieren sollen. Denn Eigentümer haben auch Pflichten, und die bestehen darin, ein Management rechtzeitig zu einer Strategie zu zwingen, die einen Kollaps verhindert. Bei einem Einstieg des Staates hätte es dagegen zu dem berechtigten Totalverlust kommen können: Der Staat hätte die Bank mit Milliarden auffrischen können, aber hätte die Aktien einfach eingezogen.
- Durch die Übernahme droht die UBS selbst zum Sanierungsfall zu werden. Sie hat sich in den vergangenen Jahren als potente Bank mit einer sinnigen Strategie erwiesen. Doch das steht infrage, weil es ihr gelingen muss, die Credit-Suisse-Mitarbeiter zu integrieren. Auch weil die UBS zwei IT-Systeme zusammenbringen muss und es ihr obliegt, die skandalumtoste Investmentbank der Credit Suisse zu schrumpfen. Offenbar teilen diese Sorge die Aktionäre der UBS, ist deren Kurs doch am Montag gefallen – mit der Folge, dass auch weitere Bankaktien an Wert verloren haben. Und nun vielleicht eine neue Abwärtsspirale droht.
- Die Übernahme macht die UBS zu einer potenziell extrem gefährlichen Mega-Bank. Denn je größer eine Bank ist, desto größer sind auch die Risiken, die von ihr ausgehen können, falls sie in Schieflage gerät. Sollte das einmal bei der UBS der Fall sein, ist die nächste Finanzkrise vorprogrammiert. Vielleicht sollte die Schweiz schon einmal anfangen, dafür Geld anzusparen.
- Die Übernahme beschädigt den Ruf der Schweiz als Wirtschaftsstandort. Das Land entmachtet nämlich die Aktionäre der UBS, damit diese der für ihre Bank potenziell schädlichen Fusion nicht zustimmen müssen – und damit sie den Zusammenschluss nicht be- oder verhindern. Allerdings sind Eigentumsrechte einer der Schmierstoffe der Marktwirtschaft: Nur wer weiß, dass er morgen noch über seinen Besitz verfügen kann, investiert auch in ein Land. Wer kann der Schweiz jetzt noch vertrauen?
Die Krise um die Credit Suisse hat das Ansehen der Schweiz bereits massiv beschädigt. Die von Schweizer Politik und Behörden angeregte Notfusion zur Rettung der Credit Suisse könnte den Ruf nun vollends zerstören. Und dem Land neue und schwerste Probleme beschweren.
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