Nach einer verlustreichen Woche an den Aktienmärkten ist bei den Börsianern am Montag die Zuversicht wieder zurückgekehrt. Der Dax stieg zur Handelseröffnung um 0,7 Prozent auf 10.350 Punkte. Allzu weit aus dem Fenster wollten sich Investoren aber wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Treffen der US-Währungshüter nicht lehnen. Zudem standen auf dem Unternehmenskalender keine wichtigen Termine an, so dass Börsianer von einem impulsarmen Handel ausgingen.
Im Dax setzten die Aktien der Deutschen Bank ihre Talfahrt vom Freitag fort und fielen am Morgen um bis zu 2,6 Prozent auf 11,68 Euro. Gegen Mittag konnte sich der Kurs aber bei 11,98 Euro wieder einigermaßen fangen. Dem Geldhaus droht eine Strafe von 14 Milliarden Dollar aus den USA im Hypothekenstreit. Die hohe Forderung des Justizministeriums hat die schlimmsten Erwartungen übertroffen. Nicht nur in Finanzkreisen hört man nun die Theorie, dass bei den hohen Summen übergeordnete wirtschaftspolitische Interessen im Spiel sein könnten.
"Auch wenn diese Summe noch verhandelt wird, ist klar, dass die Bank am Ende deutlich mehr zahlen muss, als bislang angenommen wurde", sagte ein Händler. Eine Kapitalerhöhung werde damit wohl unvermeidlich. Finanzkreisen zufolge hat das größte deutsche Kreditinstitut dafür 2,5 bis drei Milliarden Euro zurückgestellt.
Das sagten Experten zur drohenden US-Strafe für die Deutsche Bank (vor der Entscheidung)
"Die Deutsche Bank wird diese Strafe nicht ohne Kapitalerhöhung bezahlen können. Das Eigenkapital von derzeit gut 60 Milliarden Euro sollte nicht weiter sinken. Das würde das Vertrauen in die Solidität weiter erschüttern. Die Gewinne der Bank sind derzeit so niedrig, dass sie kaum ausreichen werden, die Lücke zu füllen. Jetzt rächt sich, dass Bankenaufsicht und Bankenregulierer in den letzten Jahren nicht auf eine stärkere Erhöhung des Eigenkapitals der Deutschen Bank gedrängt haben."
"Jetzt kommt es mit Blick auf die Bank und die Beschäftigten darauf an, dass die Rechtsstreitigkeiten und damit verbundenen Unsicherheiten schnell gelöst werden. Wir erwarten, dass man einen angemessenen Kompromiss finden wird."
"Ich rechne damit, dass die Deutsche Bank am Ende vier bis 5,5 Milliarden Dollar bezahlen muss - das ist etwas mehr als bisher erwartet. Da wir im US-Wahlkampf sind, kann die Summe aber auch höher ausfallen - etwa sechs oder sieben Milliarden Dollar. Auch der Streit der EU mit Apple und Google kann durchaus dazu führen, dass die Summe höher ausfällt als vergleichbare Strafzahlungen von US-Banken.
Alles über sieben Milliarden Dollar wäre für die Deutsche Bank sehr gefährdend. Die Deutsche Bank müsste sich dann Gedanken machen, ob sie im normalen Geschäft noch mehr Risiken abbauen kann. Wenn alle Stricke reißen, müsste die Deutschen Bank ihre Kronjuwelen verkaufen - die Vermögensverwaltung - oder eine Kapitalerhöhung in Angriff nehmen. Die Deutsche Bank muss die Probleme in jedem Fall aus eigener Kraft bewältigen. Ich bin ziemlich sicher, dass es keine Staatshilfen geben wird.
Die deutsche Politik sollte sich nicht in die Verhandlungen über die Höhe der Strafe einmischen. Frankreich hat einst Öl ins Feuer gegossen, als es bei einer Milliarden-Strafe für BNP Paribas in den USA intervenierte. Das hat nichts gebracht, sondern die ganze Sache nur noch verschärft."
"Wenn die Strafe am Ende fünf Milliarden Euro oder mehr beträgt, wird die Deutsche Bank nicht um eine Kapitalerhöhung herumkommen. Investoren wollen nicht, dass die Kapitalquote der Bank zu nah an den Mindestanforderungen der Regulierer liegt."
"Wir erwarten, dass das mögliche Verhandlungsergebnis deutlich unterhalb des ersten Vergleichsvorschlags liegen wird. Eine Strafzahlung von rund 2,5 Milliarden Dollar würden wir als akzeptables Ergebnis einstufen. Eine Strafzahlung oberhalb der bestehenden Rückstellungen würde die Wahrscheinlichkeit einer Kapitalerhöhung unseres Erachtens erhöhen."
"Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen."
"Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend." Selbst ein Drittel der angedrohten Strafe von 14 Milliarden Dollar wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von rund 18 Milliarden Euro. "Gigantische Forderungen unterminieren Banken, drohen einige der am meisten globalisierten, systemrelevanten Institute zu destabilisieren, just als ein Cocktail neuer Regulierungen und ultra-niedriger Zinsen die Ertragskraft zerstören. Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der 'Auge-um-Auge'-Handelskriege. Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein."
In Deutschland ist die Ansicht, die Deutsche Bank sei in dem Fall auch ein Spielball nationaler Interessen, durchaus verbreitet. Der harte Einstieg der US-Justiz in die Vergleichsverhandlungen folgte auf die EU-Entscheidung, Apple müsse in Irland 13 Milliarden Dollar an Steuern nachzahlen.
Rache für Apple?
„Es gibt einige Marktteilnehmer, die denken, dies sei die Rache für Apple. Aber ich glaube das nicht“, sagte Analyst Ingo Fromm von der Landesbank Baden Württemberg der „Financial Times“. Ein anderer Finanzprofi sprach sogar von Spekulationen um eine neue Ära der „Auge-um-Auge“-Handelskriege.
Die Bank hatte in einer sehr deutlich formulierten Mitteilung angekündigt, nicht annähernd die geforderte Summe zu zahlen. Die Aktion irritiert auch andere Experten. Man gehe in dieser Situation nicht an die Öffentlichkeit und streite mit den Behörden, meint US-Börsenkommentator Jim Cramer. „Man sagt besser gar nichts - das sollte die Deutsche Bank eigentlich wissen.“ Das Geldhaus müsse sich im Klaren darüber sein, dass die USA es nicht zwingend brauchten. „Mein Rat lautet - haltet den Mund“, sagte Cramer.
Im Blick hielten Investoren zudem die wirksam gewordenen Indexveränderungen. Die Aktien von TecDax-Neuling S&T stiegen zur Eröffnung um 2,1 Prozent auf ein Zwölfeinhalb-Jahres-Hoch von 9,50 Euro. Der SDax-Rückkehrer Leifheit legte 1,1 Prozent zu.
Am Mittwoch entscheidet die Notenbank Federal Reserve (Fed), ob sie die Zinsen erstmals seit Dezember 2015 wieder erhöht oder nicht. Widersprüchliche Aussagen von Fed-Vertretern hatten in den vergangenen Wochen für Verwirrung unter Börsianern gesorgt. Anleger sehen die Wahrscheinlichkeit einer Anhebung der Zinsen, die derzeit in einer Spanne von 0,25 und 0,5 Prozent liegen, im September nur bei zwölf Prozent.