Air Berlin Die Hintergründe des spektakulären Insolvenzverfahrens

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Harte Landung

Die Bandbreite der Bieter ist groß: Private-Equity-Gesellschaften, Fluglinien, Staatsunternehmen, alles „von superseriös bis völlig verrückt“, sagt Kebekus. Viele nutzen die Medien, „um sich selbst im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu positionieren“, resümiert Flöther in seinem Insolvenzgutachten für das Amtsgericht Charlottenburg. „Keiner dieser Interessenten hat ein den im Prozessbrief definierten Erfordernissen entsprechendes Angebot abgegeben.“ Am Ende bleiben 15 Investoren. Doch vier Offerten entsprachen „nicht den … Erfordernissen oder waren aus anderen Gründen nicht umsetzbar“, so Flöther im Insolvenzgutachten.

Selbst mit dem nach der Lufthansa größten Bieter Easyjet hatten es die Airlineverkäufer nicht leicht. Zwar hatte sich die Linie aus London bereits im April 2016 das erste Mal die Bücher der Berliner angesehen. Doch bereits am ersten Tag der Verkaufsverhandlungen wollten die Briten wieder umkehren, weil vor der Tür die Beschäftigten protestierten. Dazu berichten Verhandlungsteilnehmer, die Briten seien einmal gar in einer Verhandlungspause unangekündigt abgereist. Dafür beschäftigten sie die Air-Berlin-Führung auch abseits der Verhandlungen. So soll Finanzchef Andrew Findlay an mehreren Samstagen Winkelmann und Co. per SMS beschimpft haben.

Aber auch im Flugbetrieb von Air Berlin häufen sich die Probleme. Die Linie verliert fast drei Millionen Euro pro Tag, rund drei Mal so viel wie zuvor. Aus Angst vor der Pleite bucht fast kein Kunde mehr, obwohl Air Berlin ihre Tickets zu Kampfpreisen anbietet – „und uns damit die Preise kaputt macht“, klagt ein Konkurrent. Zudem zehrt ein mehrtägiger Pilotenstreik bei TUIfly, die für Air Berlin jeden Tag ein paar Dutzend Flüge macht. Gleichzeitig wird der Flugplan dünner. Nachdem die Linie aus Mangel an Personal bereits seit dem Frühjahr die Zahl ihrer Flüge um gut zehn Prozent runterfahren musste, kollabiert ab Mitte September die Langstrecke, weil die Vermieter nun ihre Maschinen zurückfordern – teilweise mit nur zwei Tagen Vorwarnung. So sind am Ende selbst treue Fans ein wenig erleichtert, als am 28. Oktober der letzte Flug abhebt.

Partys statt Sanierung: Ex-Air-Berlin-Chef Hunold gab das Geld mit vollen Händen aus und versorgte Promis mit Freiflügen. Quelle: dpa

Harte Landung

Mit rund einer Stunde Verspätung setzt Flug AB 6210 in Berlin Tegel auf. Aus den Bordlautsprechern schmettern Tenor Andrea Bocelli und Musicalstar Sarah Brightman „Time to say goodbye“. Die Flughafenfeuerwehr verabschiedet sich mit Wasserfontänen. Schon während des Flugs herrschte eine Mischung aus Wehmut und Partystimmung. Die Air-Berlin-Hymne erklang und auf Platz 1C sang Joachim Hunold – das Handy im Selfiemodus – mit: „Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin, kein Sturm hält sie auf, unsere Air Berlin.“ Unter Hunolds Ägide war Air Berlin nach der deutschen Wiedervereinigung vom kleinen Charterflieger zur zweitgrößten Fluggesellschaft Deutschlands aufgestiegen. Aber unter ihm begann auch ihr Niedergang. Die Airline kaufte jede Menge anderer Linien wie DBA, LTU oder Niki, doch sie sanierte und vereinte die Teile nicht. Stattdessen gab der in der Branche nur als „der Achim“ bekannte Hunold das Geld mit vollen Händen aus und versorgte Promis im großen Stil mit Freiflügen. Hunold sieht das bis heute als Marketingmaßnahmen. Insolvenzsachwalter Flöther hat indes Prüfer von PwC Forensics beauftragt, die Bücher nach Auffälligkeiten oder gar dubiosen Geschäften zu durchforsten. Doch der Blick zurück hat Zeit, akute Probleme drängen auf seine Agenda. Brüssel sträubt sich gegen den Lufthansa-Deal.

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