Balearen-Urlaub trotz Corona Das neue Gesicht Mallorcas

Seite 2/2

Der Sangria-Eimer bleibt verboten

Doch ob der Boom anhält, bleibt abzuwarten. Die größte Mahnung ist die Öffnung von Mallorca im vergangenen Juni. Auch damals begrüßten die Insel-Verantwortlichen und die Hotelangestellten die Gäste mit Applaus und Willkommensgeschenken. Rund zwei Monate später erzwangen die rapide steigenden Coronazahlen die erneute Schließung, die mehr oder weniger bis zum vergangenen Wochenende anhielt. Wie lange die Öffnung bleibt ist ungewiss. Denn laut einer Übersicht der Schweizer Großbank UBS hat die Zahl der Reisebeschränkungen innerhalb der EU trotz der vielen Impfungen und der jüngsten Lockerung aus Deutschland in den vergangenen Wochen unterm Strich wieder zugenommen.

Basis eines Aufschwungs ist die Begeisterung der vielen Mallorcafans. „Die Leute wollen hierher reisen“, sagt Sören Hartman, Chef des zweitgrößten deutschen Reiseveranstalters DER aus dem Rewe-Konzern. „Die Insel ist das ideale Reiseziel“, ergänzt Alltours-Chef Verhuven. 

Dabei testet die Baleareninsel die Loyalität ihrer Fans wie nie zuvor. Denn wer jetzt ankommt wird vom gewohnten Mallorca mit Party, Straßencafés und Abendessen in der kühlen Abendbrise noch auf längere Zeit nicht viel wiederfinden. Denn die Insel ist in weiten Teilen fast auf null heruntergefahren. Das erlebten alle, die seit der Eröffnung am vergangenen Sonntag mit einem der ersten Jets im auf Katalanisch Son Sant Joan genannten Flughafen im Westen der Hauptstadt Palma gelandet sind. Nutzen sonst im März etwa 40.000 Reisende pro Tag den drittgrößten Airport in Spanien, sind es jetzt nicht mal 5000. Bereits am Flughafen sind Restaurants, Läden als auch die Schalter der Autovermieter größtenteils geschlossen. Das gleiche Bild prägt die ganze Insel. Selbst das quirlige Palma wirkt wie im Winterschlaf wie sonst um diese Zeit nur die Nebenorte wir Alcúdia oder Andratx.  





Und nach einer baldigen Wiedereröffnung sieht es noch nicht aus. Denn viele Unternehmen haben aufgegeben. Wer kann, sattelt um, wie Peter Wackel. Der Schinkenstraße-Entertainer hat seinen Hit „I love Malle“ aus 2018 vorige Woche kurzerhand in „I Love Oberstdorf“ umbenannt. 

Viele Läden sperren zu. „Zum Stadtbild gehören nun überall auf Dauer herunter gelassene Rollläden mit „Zu verkaufen"-Schildern – in Palma und mehr noch in den fast reinen Touristenorten wie Cala Ratjada. Antoni Gayà, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Afedeco, unkt, dass jedes fünfte Geschäft in der Inselhauptstadt nicht mehr öffnen wird - in diesem Jahr und wohl auch darüber hinaus. Noch höher dürfte die Insolvenzquote bei den Shops im Rest der Insel sein und bei den Bars, Restaurants und Cafeterias. 

Die legendäre Disco Tito’s aus Palma ist geschlossen und nun Teil eines Appartementhauses. Komplett verschwunden ist der Partytourismus. Ob enge Bierlokale, Discotheken oder auch nur bisher unverzichtbare Teile balearischen Sauftums wie der in kleinen Gruppen gelehrte Eimer voller Sangria bleiben als potenzielle Superspreader-Events bis auf weiteres verboten. „Wir haben den Eindruck, dass dies auch zumindest für den Sommer so bleibt, denn es ist einfach zu gefährlich“, so Verhuven.

Auch wo noch geöffnet ist, kommt klassische Mittelmeerstimmung nur schwer auf. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu behindern, muss die Gastronomie der Insel ab 17 Uhr schließen, so dass alle Urlauber nun ausschließlich in ihrem Hotel zu Abend essen können. Auch der Bummel unter Sternenhimmel fällt weitgehend aus. Denn von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens herrscht Ausgangssperre. 

Meeresluft atmen geht nur noch auf dem Balkon des eigenen Zimmers. Wie in ganz Spanien muss jeder auch im Freien Masken tragen. Und anders als auf den Kanaren dürfen die Gäste auch auf den Außenterrassen von Cafés und Restaurants ihre Maske nur kurz abnehmen, wenn sie Glas oder Besteck zum Mund führen. Wer die Regel bricht, muss mit empfindlichen Strafen rechnen 



Auf lange Sicht will sich die rot-grüne Inselregierung sogar möglichst komplett vom Partytourismus lösen und die Insel auf mehr Premium und vor allem Nachhaltigkeit umstellen. Dafür hat Präsidentin Armengol den Haushalt aufgestockt und ein paar überfällige Reformen eingeleitet. Dazu gehört neben der Förderung der Elektromobilität nicht zuletzt bei den Autovermietern auch ein neues Hotelkonzept. Nicht mehr geduldet werden Bettenburgen mit Renovierungsstau, in denen Partytouristen sich die Zimmer teilweise im Schichtbetrieb teilten. 

Stattdessen fördert die Verwaltung nun gezielt Sanierungen in Richtung Luxus und Ökologie. So dürfen Häuser, die nach einem Umbau weniger Energie und Wasser verbrauchen, erstmal wieder Kapazität anbauen oder aufstocken – in der Hoffnung, so die Billigstherbergen aus dem Markt zu drängen. Zweiter Fokus sind kleine naturnahe Boutique- oder Finca-Hotels. „Hier hat Mallorca eine echte Chance, sich zu profilieren“, so Professorin Zech.

Der zweite Ansatz ist die Förderung neuer Branchen. Bisher gab es auf der Insel neben dem Tourismus bestenfalls noch ein mehr oder weniger künstlerisches Handwerk und eine Möbelindustrie. Nun soll sich Mallorca zu einer IT-Metropole aufschwingen, rund um den neuen Technologiepark BIT im Norden Palmas. „Wir werden das Silicon Valley Europas“, gibt Präsidentin Armengol die Richtung vor. Das klingt etwas großsprecherisch, „doch es hat einen realistischen Kern“, sagt Akademie-Chef Vorbrodt. „Dank der Universität und dem hohen Lifestylefaktor der Insel gibt es bereits eine lebendige Startup-Szene.“ So hat etwa auch die TUI ein paar Labs im BIT.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Doch ganz brechen mit den Billigferien kann Mallorca vorläufig nicht. Denn die Massenurlauber sind unverzichtbar. Sie stellen zwar nur ein Drittel der Bettenkapazität, aber wegen der meist kürzeren Urlaube stellt die Gruppe immerhin fast die Hälfte der Reisenden. Damit sind sie die Basis für den gehobenen Tourismus und den Weg in andere Wirtschaftszweige, sagt Professorin Zech: „Vor allem die einfachen Touristen sorgen dafür, dass es viele Flüge gibt und die Insel sowohl für Premiumurlauber wie Unternehmen und ihre Investoren gut erreichbar ist.“

Mehr zum Thema: Mit dem Ende Reisewarnungen für wichtige Ziele wie Mallorca kehrt der Optimismus zurück. Einige Branchenvertreter melden bereits einen Boom für den Sommer – und befürchten, dass sie der Buchungswelle nicht gewachsen sind.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%