WirtschaftsWoche: Herr Freese, als Chef von Uber Deutschland waren Sie mit der starren Bürokratie konfrontiert: Gerichte stoppten den Service mit Privatleuten, uberPOP, der Dienst mit professionellen Fahrern uberX, auf den Sie in Deutschland umgestellt haben, wächst nicht so, wie Uber es andernorts gewohnt ist. Nun sind Sie seit acht Monaten General Manager von Uber Indien in Bangalore. Sind Sie mit ihren Zielen in Indien auf einem besseren Weg?
Christian Freese: Wir sind in Deutschland in den Städten Berlin und München auf einem guten Weg. Aber ja, in Indien legen wir ein deutlich größeres Wachstum an den Tag. Dadurch, dass wir bei UberPOOL...
...Ihren Amateur-Mitfahrdienst, der in Deutschland verboten wurde.
Genau, dadurch, dass wir in Indien mehrere Fahrten in der Stadt in Echtzeit zusammenlegen können und sich die Menschen dort ein Auto und den Fahrpreis teilen, ist Uber für viele hunderttausende Menschen erstmals erschwinglich geworden. Das bedeutet also viele neue Nutzer für uns. Wir arbeiten weiter daran, das Konzept Autofahrt noch effizienter zu gestalten, damit künftig noch viel mehr Menschen Zugang zu einer sicheren und bezahlbaren Fahrt per Uber bekommen können.
Indien gilt nach den USA als der Markt mit dem zweitgrößten Potenzial für Uber, nachdem Sie China aufgegeben haben. Was haben Sie sich konkret vorgenommen?
Wir haben in China nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil. Wir halten auf dem größten Ridesharing-Markt der Welt 20 Prozent an einem Unternehmen, das wir gemeinsam mit unserem ehemals größten Konkurrenten gegründet haben. Viele andere Tech-Unternehmen würden sich solch einen Erfolg auf dem chinesischen Markt wünschen. Indien ist ein unglaublich dynamischer Markt. Zu sagen, Uber sei in Indien Teil des Alltags, wäre untertrieben. Ich erlebe hier aus erster Hand, welche Effekte unsere Technologie haben kann. Menschen werden durch Uber mobiler, können in anderen Stadtteilen zu Arbeit fahren oder einkaufen gehen. Die indische Gesellschaft wird dadurch durchlässiger. Ein anderer wichtiger Aspekt ist Sicherheit. Viele Menschen, die aus Angst niemals ein Taxi oder einen Bus betreten hätten, fassen durch Uber wieder Vertrauen und lassen sich fahren. Neben den Wachstumszielen sind auch diese Effekte wichtige Indikatoren für unseren Erfolg.
Das Wichtigste zu Uber
Uber, eigentlich Uber Technologies Inc, gegründet im März 2009, startete seinen Service 2011 in San Francisco. Zunächst beschränkte sich das Angebot auf einen Chauffeur-Service („UberBlack“), der für einen etwas höheren Preis Limousinen als Alternative zu den im Silicon Valley damals notorisch knappen Taxis bot. Das Unternehmen expandierte aber schnell in andere US-Metropolen, von 2012 an auch international, und erweiterte auch seine Dienste. In vielen US-Metropolen und seit November 2015 auch in London können Uber-Fahrer mehrere Fahrgäste unterwegs aufnehmen und eine Art Sammeltaxi auf Zeit bilden; die Kunden teilen sich den Preis („UberPool“). Der bei Kunden erfolgreichste, aber auch mit Abstand kontroverseste Service ist UberX (In Deutschland bis April 2015 als „UberPop“ im Angebot). Dabei kann der Kunde über sein Smartphone in der Nähe befindliche Privatleute anheuern, die ihn gegen Geld mit ihrem Auto befördern, von Uber vermittelt. In der Regel unterbietet Uber so den Preis einer vergleichbaren Taxifahrt um 25 bis 40 Prozent. Uber gilt als das am höchsten bewertete Start-up der Welt- Der Umsatz soll schnell wachsen, allerdings schreibt Uber noch hohe Verluste.
Der Kunde gibt auf seinem Handy den gewünschten Abholort ein. Nach der Eingabe des Zielorts erscheinen die verfügbaren Uber-Fahrer in der Nähe seines Standortes als kleine Auto-Symbole in der App. Auf Wunsch kann nun der voraussichtliche Fahrpreis angezeigt werden. Nachdem der Kunde die Fahrt verbindlich bestellt hat, bekommen die Uber-Fahrer den Fahrwunsch samt Strecke auf ihrer App angezeigt. Nimmt ein Fahrer an, sieht der Fahrgast dessen Bewertung durch frühere Kunden, den Autotyp und Namen des Fahrers.
Das Kernprodukt ist, technisch gesehen, das Routing der Fahrer zum möglichst attraktivsten und nächsten Kunden. Da das System mit GPS arbeitet, kann der Fahrtpreis grob vorausberechnet werden und ein Taxameter ist nicht nötig. Nach der Fahrt wird der Kunde seinerseits aufgefordert, den Fahrer zu bewerten. Um die Bezahlung muss er sich nicht kümmern; die Abbuchung erfolgt automatisch von der bei der ersten Anmeldung hinterlegten Kreditkarte oder PayPal.
Vor allem der Peer-to-Peer-Dienst, bei dem Privatpersonen andere Privatleute gegen Geld befördern, ist es, der von Taxiunternehmen heftig bekämpft wird. In Deutschland ist er seit Frühjahr 2015 sogar ganz untersagt, seit Gerichte den Argumenten der Taxibranche folgten. Die argumentierten mit unlauterem Wettbewerb: Bei UberPop (in anderen Ländern UberX) werden die oft nebenberuflichen Fahrer lediglich auf ihr Verkehrspunktekonto und auf ein Polizeiliches Führungszeugnis überprüft, während Taxifahrer einen Personenbeförderungsschein, Gesundheitsprüfungen, besondere Versicherungen und (wenn sie ihr eigenes Unternehmen gründen wollen) in vielen Städten eine teure Lizenz benötigen. Das Uber-Auto muss lediglich jünger als zehn Jahre sein, vier Türen und Kofferraum aufweisen und natürlich verkehrssicher sein, während Taxis speziell geprüft werden.
Mit Ola haben sie einen starken lokalen Wettbewerber, was unternehmen Sie konkret, um aufzuholen?
Wir müssen einfach den besseren Service anbieten. Für den Konsumenten sind die Wechselkosten zwischen zwei Apps unglaublich niedrig. Er schaut in die eine App, und wenn kein Fahrzeug in der Nähe sein sollte, schaut er in die andere. Deshalb ist es unser Ziel, dass unsere Nutzer bei Uber immer ein gutes Erlebnis haben.
Was ist der größte Unterschied zwischen dem indischen und dem deutschen Markt?
Natürlich ist mir als erstes aufgefallen, wie weit entwickelt Uber bereits in Indien ist. Die Inder haben die Technologie nicht nur angenommen und vollkommen für sich ausgenutzt, sie haben mit Olà auch einen ernstzunehmenden Wettbewerber ins Rennen geschickt. Man kann sagen, dass Inder bei technologischen Innovationen lange nicht so zaghaft sind wie wir Deutschen.
Wie unterscheiden sich speziell die regulatorischen Umfelder zwischen Europa und Indien?
Vor allem kann man in Indien wesentlich schneller und einfacher Fahrer werden. In Deutschland müssen Sie, um in einer Stadt wie Berlin einen Personenbeförderungsschein zu erlangen, jede einzelne Straße auswendig kennen. Die angehenden Fahrer bereiten sich dafür drei Monate vor und fallen dann trotzdem zu zwei Dritteln trotzdem. Wenn Sie dann noch selbstständiger Fahrer mit einem eigenen Unternehmen werden wollen, müssen noch einmal drei Monate draufrechnen. Da werden dann Buchungssätze etc. abgefragt – ein halbes BWL-Studium. Die meisten Interessenten melden sich dann lieber arbeitslos, als durch sechs Monate Prüfungsstress zu gehen, um dann noch nicht einmal die Gewissheit zu haben, ob sie bestehen. In Indien dauert das Ganze eine Woche, und sie stehen in Lohn und Brot.